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14.04.07 / "Laß Kino geh'n" und "ischwör" / Auch Teile der deutschen Jugendlichen sprechen mehr und mehr türkisch geprägten Ethnolekt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

"Laß Kino geh'n" und "ischwör"
Auch Teile der deutschen Jugendlichen sprechen mehr und mehr türkisch geprägten Ethnolekt
von Mariano Albrecht

Jede Zeit hat ihre Sprache. Trendsetter in Sachen Sprüche und Redewendungen war schon immer die Jugend. Während man in den 70er Jahren noch dem "steilen Zahn" hinterher pfiff, wurde in den 80ern aus selbigem die "geile Tussi". In den 90ern wurde dann "gechillt" was das Zeug hielt und "poppen" hat heutzutage in Gesprächen Jugendlicher mit Sicherheit nichts mit Musik zu tun. In Zeiten von Anglizismen, Globalisierung und Computersprache schlagen deutsche Sprachwissenschaftler alle Jahre wieder Alarm, wenn neue Wörter meist aus dem Englischen, im Allerheiligsten, dem Duden auftauchen.

Mit einem sprachlichen Supergau aus dem "Morgenländischen" hatten allerdings auch die hartgesottensten Sprachwächter nicht gerechnet. Multikulti hin, Integration von Migrantenkindern her, unsere Jugend hat auf den Schulhöfen der Republik schon seit geraumer Zeit den Grundstein für die "Neue Linguale Völkerverständigung" gelegt und ist dabei, die deutsche Sprache von Artikeln, Präpositionen und Fällen zu befreien und mit Redewendungen aus Migrantensprachen zu spicken.

Wenn das Filmtheater der Stadt einen cineastischen Höhepunkt verspricht, heißt es dann schlichtweg: "Laß Kino geh'n!" Unter deutschen Jugendlichen bedient man sich im Vokabular seit neuestem besonders gern bei den türkischen und arabischen Mitschülern, die in ihren bilingualen Gesprächen gern mal auf heimatliche Redewendungen wie "Sikdir lan" (verpiß dich) oder "Orospu Cucuk" (Hurenkind) zurückgreifen, was von deutschen Kids dann gern als "Insider-Jargon" übernommen wird.

Wenn etwas mit Nachdruck versichert wird, bedient man sich des arabischen "Wallah" (bei Gott) und bekräftigt, "ischwör", und wenn dann alles ist, wie es sein soll, so ist das "tamam" (in Ordnung). Andernfalls: "isch mach disch Messer", was dann wohl so etwas wie die Androhung einer Messerattacke sein soll. Weil sich deutsche Kids mit richtigem Deutsch falsch verstanden glauben, springen sie in den Radebrech-Dialekt ihrer Mitschüler aus Migrantenfamilien. Sprachforscher beschäftigen sich in großen Projekten mit der Erforschung der Jugendsprache, Linguisten schreiben Bücher über den phonetischen Kauderwelsch, reden von Sprachentwicklung und nennen das Ethnolekt.

Medien haben die Sprachvergewaltigung zum Programm gemacht und lassen Quoten-Ausländer wie den Comedian Kaya Yanar oder Erkan und Stefan schon seit Jahren radebrechen, was das Zeug hält. Das von dem türkischen Schriftsteller Feridun Zaimoglu, in seinem Buch "Kanak Sprak - 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft", auf die Schippe genommene gebrochene Deutsch hat Kultstatus erreicht.

Pädagogen ist das Lachen darüber schon lange im Halse stecken geblieben. Angela Behn ist Deutschlehrerin an einer Gesamtschule im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. 34 Prozent Ausländeranteil, meist türkischer Herkunft, prägen den Stadtteil und seine Sprache. Von 29 Schülern einer 5. Klasse, in der Angela Behn unterrichtet, müssen rund 50 Prozent der Kinder an einer Sprachförderung teilnehmen. Es mangelt an der Fähigkeit, Sätze zu bilden und die deutsche Grammatik anzuwenden - auch bei deutschen Schülern.

Behn: "Den Kindern fehlt die Kommunikation in der Familie, es wird nicht gelesen, die Kinder werden vor dem Fernseher allein gelassen oder flüchten in ihre Clique." Dort fühlen sie sich verstanden. Sprachbarrieren werden durch den Einsatz von Sprachmix überwunden. Man bedient sich kurzer Formulierungen aus dem vorhandenen Wortschatz, und wenn das nicht ausreicht, wird "geswitcht".

Angela Behn konnte feststellen, daß ihre Schüler zwar ihre eigene Sprache sprechen, aber schon in der Lage sind, diese auf dem Schulhof zu lassen.

Doch von deutscher Sprache ist das, was in den Klassenzimmern auf das Papier kommt, weit entfernt. Es fehlt der Einfluß richtiger Sprachvermittlung.

Die Schulen fühlen sich überfordert und verlangen mehr vorschulische Sprachbildung bei Migranten, doch wem nützt die, wenn in den Familien die Muttersprache nur mündlich und auch nicht immer richtig vermittelt wird.

In deutschen Familien sind Eltern oft machtlos dem ausgeliefert, was ihre Kinder an Umgangssprachlichem mit nach Hause bringen. Da wird weggehört, nicht korrigiert und letztendlich der Schule die Schuld in die Schuhe geschoben.

Nach jahrelanger Ignoranz schlagen Schulen und Bildungsbehörden nun Alarm. Integrationskurse und vorschulischer Sprachunterricht sollen retten, was zu retten ist.

Während bei den deutschen Dialekten die geographischen Gesichtspunkte eine Rolle spielen, ist der Ethnolekt stark an soziale Gruppen und Schichten gebunden. In Gegenden, in denen Schulklassen in der Mehrzahl mit deutschen Kindern besetzt sind, wird fast dialektfreies Hochdeutsch gesprochen.

An sozialen Brennpunkten mit hohem Ausländeranteil ist Ethnolekt gängige Schulsprache. In Hamburg-Wilhelmsburg will man nun mit dem Projekt "Bildungsoffensive Elbinseln" dem Chaos begegnen. Ob die Mission von Erfolg gekrönt wird, bleibt offen.

Foto: Mittel zur Verständigung: Ein Mischmasch aus Deutsch und Türkisch


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