28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.04.07 / Fisch am Haken / Eigentlich kann Europa China Bedingungen stellen, aber ...

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

Fisch am Haken
Eigentlich kann Europa China Bedingungen stellen, aber ...
von Albrecht Rothacher

Benita Ferrero-Waldner, EU-Außenkommissarin seit 2005, verwendet in den Titeln ihrer Reden gern den Begriff "Gemeinsamkeiten". Die Harmoniesehnsucht der EU-Außenpolitik ist nicht nur in ihrer Rhetorik nahezu überwältigend. "Global governance", eine Art Weltregierung im Rahmen der UN, soll die urwüchsigen Gewalten der Wirtschaftsglobalisierung mit einem Regelwerk beglücken, das neben dem Außenhandelsrecht der WTO auch soziale, ökologische und politische Mindeststandards enthält.

Mit einem noch auszuverhandelnden neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen will die EU mit China die Zusammenarbeit im Klimaschutz, der Nichtverbreitung von Atomwaffen, der nachhaltigen Entwicklung Afrikas und in der internationalen Friedenssicherung pflegen, allesamt Bereiche, in denen China bislang nicht allzu rühmlich aufgefallen ist. Dazu toleriert die EU nahezu klaglos ein bilaterales Handelsdefizit von 106 Milliarden Euro (2005). Dies veranlaßte einen EU-Sprecher zu säuseln, daß das Risiko wachse, daß die Handelsbeziehung nicht mehr als ausgeglichen angesehen werden könne. Das ist in der Tat schwierig: bei chinesischen Exporten von 159 Milliarden Euro in die EU, und Importen von nur 53 Milliarden Euro aus der EU ist das Verhältnis nicht mehr ausgewogen, sondern im Mißverhältnis von 3:1. Für Außenhandelskommissar Peter Mandelson ist China jedoch weiterhin eine "Erfolgsgeschichte der Globalisierung". Dazu finanziert die EU alljährlich eine Entwicklungszusammenarbeit mit China in Höhe von 50 Millionen Euro zusätzlich zu nationalen Mitteln, die etwa aus Deutschland 80 Millionen Euro jährlich fließen. Es addieren sich noch Exportsubventionen, wie jene für den Transrapid nach Schanghai, in Höhe von 100 Millionen Euro, mit denen Technologien zum Nachbauen geliefert werden.

Chris Patten beobachtete am Ende seiner Zeit als letzter britischer Gouverneur von Hongkong (1992-1997), daß westliche Politiker und Wirtschaftsführer in Peking von ihrem normalen politischen Instinkten und Wirtschaftsverstand verlassen würden, und der Westen seine guten Karten in den Verhandlungen mit China außerordentlich unfähig spiele.

Seit 1989 verfaßt die EU-Kommission eine Serie von Strategiepapieren. Die Tonalität der Titel und Inhalte erweckt den Eindruck eines besorgten Eheberaters einer arrangierten Kinderehe, die wider Erwarten und nach intensiver Therapie nun doch mühsam vollzogen wird ("reifende Partnerschaft", "wachsende Verantwortungen"). Destilliert man den Wortschwall, so werden vier Hauptziele der EU -Chinapolitik deutlich: 1) die internationale Einbindung Chinas durch politischen Dialog; 2) die Unterstützung des Übergangs Chinas zu einer offenen Gesellschaft, mit der Herrschaft des Rechts und der Menschenrechte; 3) die Integration Chinas in die Weltwirtschaft und die Unterstützung der Wirtschafts- und Sozialreformen und schließlich: 4) die Erhöhung der Sichtbarkeit der EU in China.

Der Eindruck drängt sich einmal mehr auf, als solle China durch wortreich umgarnende Freundlichkeiten einmal mehr zur Einhaltung universeller Normen (vom Patentschutz bis zur Meinungsfreiheit) genötigt werden, an deren Umsetzung die aktuelle Führung nicht das geringste Interesse hat. Um ihrer unwilligen Klientel wenigstens pro forma Kooperationsanreize zu geben, winkt die EU stets mit dem Geldbeutel. Auch China sagt dazu nicht grundsätzlich nein, obwohl es mit einer Billion US-Dollar Devisenreserven auf dem größten Geldschatz der Menschheitsgeschichte sitzt.

China antwortete mit dem Strategiepapier "Gemeinsamkeiten überwiegen unterschiedliche Meinungen", das versuchte, der multilateralen EU-Rhetorik zu entsprechen. Tatsächlich dringt jedoch genug von dem chinesischen Verständnis an geopolitischer Multipolarität durch. So besteht China streng auf dem "Ein China Prinzip": Die EU dürfe keine Besuche taiwanesischer Politiker zulassen, Taiwans Mitgliedschaft in internationalen Organisationen nicht unterstützen und Taiwan keine Militärgüter verkaufen.

Wer unter dem Massenstrom der hochrangigen ausländischen Politbesucher Kritik öffentlich oder unziemlich äußert, bekommt in Peking schlicht keine Termine mehr. Deshalb verweisen die Europäer bei Gesprächen bei allem Verständnis für Chinas innere Lage höchstens auf die verstockte öffentliche Meinung zu Hause, die Massenerschießungen, Zwangsarbeit im Laogai oder Zwangsabtreibungen in Tibet und Xinjiang nicht goutiert. Das Überreichen von Listen politischer und religiöser Häftlinge wird hingenommen. Manchmal verbessern sich sogar ihre Haftbedingungen als Ergebnis.

Entmystifiziert man jene selbsternannte strategische Partnerschaft, so stärken die Europäer die chinesische Vormachtrolle in Ostasien und ermöglichen dem Land den Zutritt zu den Weltmärkten zum Nulltarif. Das europäische Mißverständnis besteht in der missionarischen Projektion seines multilateralen Universalismus auf den Rest der Welt, auch wenn dieser von seinen Partnern - den USA, Rußland, Indien, China und vielen kleineren regionalen Hegemonialisten keinesfalls geteilt wird.

Wenn es also in den Beziehungen zwischen Asien und Europa ein Mysterium gibt, so liegt dies in den Augen der Asiaten in der unerforschlichen Logik der europäischen Chinapolitik.

China braucht Europa mehr als Europa China

Wenn man 50000 Euro als durchschnittliche Wertschöpfung eines industriellen Arbeitsplatzes annimmt, so entspricht das Handelsdefizit der EU gegenüber China dem Verlust von mindestens zwei Millionen Dauerarbeitsplätzen in der EU. In Europa ist Italien besonders hart betroffen: bei Textilien, Schuhen, Lederwaren, Fahrrädern, Haushaltsgeräten, Porzellan und Keramikartikeln.

Das schüchterne Vorgehen der EU in Handelsfragen erstaunt um so mehr, als China heute vom europäischen Markt viel stärker abhängt als umgekehrt die EU vom chinesischen: So stellen die chinesischen Exporte in die EU 20 Prozent der Gesamtexporte Chinas dar, die ihrerseits angesichts der exportorientierten Industriestruktur 34 Prozent der chinesischen Volkwirtschaft entsprechen. Umgekehrt machen die EU-Exporte nach China gerade einmal fünf Prozent der EU-Gesamtausfuhr in Drittländer aus. Ihr Anteil an der EU-Gesamtwirtschaft beträgt nur 25 Prozent.

Foto: China gibt den Ton vor: Trotz einer Billion-US-Dollar-Rücklage bekommt es Entwicklungshilfe.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren