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14.04.07 / Das System Guantanamo / Amerika und seine Menschenrechte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

Das System Guantanamo
Amerika und seine Menschenrechte
von Henning von Löwis

Yo soy un hombre sincero" - "Ich bin ein aufrichtiger Mann aus dem Land, in dem die Palmen wachsen", dichtete einst Kubas Nationalheld José Marti.

Das Lied von der hübschen "Guantanamera" ging um die Welt, ist heute fast so etwas wie die inoffizielle Nationalhymne Kubas.

Alles könnte so schön sein in Guantanamo - Kubas östlichster Provinz -, gäbe es da nicht an der Küste ein Stück Kuba, das Kubaner nicht betreten dürfen - ein Stück Kuba, über dem seit dem Jahre 1898 das Sternenbanner der USA weht: die Base Naval Guantanamo. Einen "Dolch im Fleische Kubas" nennt Fidel Castro die US-Marinebasis.

Seit fünf Jahren ist dieser "Dolch" ein Schandfleck auf dem Globus - ein Territorium, auf dem mutmaßliche Terroristen aus vieler Herren Länder unter sengender Sonne gefangengehalten und offenbar auch gefoltert werden.

"Diese Menschen haben wir von einem Schlachtfeld entfernt, auf dem sie kämpften, um uns Schaden zuzufügen", so US-Präsident George W. Bush im Januar 2006 beim Antrittsbesuch von Angela Merkel in Washington. Bush forderte die Journalisten auf, "sich da unten selbst ein Bild davon zu machen, wie die Gefangenen behandelt werden".

Journalisten, die das versuchen, merken sehr bald, daß Bush sie zu einer Propaganda-Show eingeladen hat, in der die Opfer nicht auftreten - geschweige denn reden - dürfen.

So verordnete man denn auch dem von einer US-Militärkommission zu sieben Jahren Haft verurteilten Australier David Hicks für einen Zeitraum von zwölf Monaten nach der Entlassung einen Maulkorb. Kommentar des Vaters: "Er ist raus aus diesem Höllenloch."

Die Amerikaner tun alles, um die Welt hinters Licht zu führen in punkto Guantanamo - so wie damals, als die USA den Irak-Krieg vom Zaun brachen.

Desinformation heißt die Devise. Doch Washingtons Rechnung geht nicht auf. Längst hat sich weltweit herumgesprochen, wie die USA mit ihren Gefangenen umgehen, wie systematisch die Menschenrechte verletzt werden. Rund 80 Prozent der Gefangenen werden in Einzelhaft gehalten - in stählernen Zellen, ohne Tageslicht, ohne frische Luft.

Amerikas Krieg gegen den Terror, das ist auch und nicht zuletzt "America's War on Human Rights", "Amerikas Krieg gegen die Menschenrechte", so der Titel des Buches von David Rose über Guantanamo Bay. Fazit: "Dieses Guantanamo ist in sämtlichen Entwicklungsländern - und insbesondere in der muslimischen Welt - zum Symbol der Unterdrückung geworden."

In der Tat, Guantanamo assoziiert man zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr in erster Linie mit dem Ohrwurm "Guantanamera", sondern mit einem Folterknast, einem amerikanischen "Gulag", wie es die Juristin Irene Khan, Generalsekretärin von Amnesty International, formulierte. Guantanamo ist ein Vorhof der Hölle, in dem zur Zeit etwa 385 Verdächtige inhaftiert sind - einige davon seit mehr als fünf Jahren. Verurteilt - vorverurteilt - bevor ein Prozeß stattgefunden hat. Das System Guantanamo - das ist Vogelfreiheit auf Amerikanisch - Vogelfreiheit im 21. Jahrhundert.

Gerade erst hat das Oberste Gericht in Washington den Gefangenen von Guantanamo die Möglichkeit verwehrt, vor ordentlichen Gerichten gegen ihre unbefristete Inhaftierung zu klagen. Nur drei der neun Richter am Supreme Court waren überhaupt bereit, sich in einem Verfahren mit den juristischen Rechten der Guantanamo-Häftlinge zu befassen.

Was sind das für Richter! Was ist das für ein System, das die elementarsten Spielregeln der zivilisierten Welt außer Kraft setzt.

Man kennt die Verantwortlichen dieses Unrechtssystems, weiß, wo sie zu finden sind. Doch kein irdisches Gericht wird sie vermutlich jemals zur Rechenschaft ziehen.

Armes Amerika! Was ist aus God's own Country - einst Bannerträger von Freiheit und Demokratie - geworden!

Es tut weh, heute weltpolitisch mit den USA in einem Boot zu sitzen.

Bleibt nur der Trost: Die Bush-Zeit, sie wird nicht ewig währen. Und - über den Tag hinaus gedacht - Imperien, so mächtig sie auch zeitweise erscheinen mögen, Imperien sind auf Sand gebaut. Jenes Imperium, das unter anderem die Verantwortung trägt für Hiroshima, My Lai und Guantanamo, hat möglicherweise seinen Zenit bereits überschritten.

"Die Welt beginnt an der moralischen Basis unseres Kampfes gegen den Terrorismus zu zweifeln", bekannte Colin Powell. Und selbst US-Verteidigungsminister Robert Gates äußerte dieser Tage Bedenken gegen das Gefangenenlager Guantanamo: "Wegen der Dinge, die früher dort geschehen sind, ist Guantanamo mit einem Makel behaftet", so Gates, der sich dafür aussprach die Militärtribunale gegen inhaftierte Terrorverdächtige in die USA zu verlegen.

Sollte es dazu kommen, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.

Es ist an der Zeit - höchste Zeit - das dunkle Kapitel Guantanamo zu schließen - die Schuldigen zu verurteilen und den Unschuldigen ihre Freiheit zurückzugeben.

Der Schandfleck Guantanamo muß getilgt werden. Im Interesse Amerikas und seines Ansehens in der Welt.

Diesen Beitrag verfaßte der Autor für den "Deutschlandfunk". Henning von Löwis ist Träger des Kulturpreises der Landsmannschaft Ostpreußen.


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