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14.04.07 / Brücke nach Kiew / Die Ukrainische Freie Universität in München hat einiges geleistet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

Brücke nach Kiew
Die Ukrainische Freie Universität in München hat einiges geleistet
von Norbert Matern

Europa ist für uns nicht gleich EU, wir sind den europäischen Werten schlechthin verpflichtet und bewegen uns im Rahmen des bayerischen Hochschulgesetzes." So Kanzler Professor Dr. Nicolas Szafowai, der für den Rektor der Ukrainischen Freien Universität im Münchner Stadtteil Bogenhausen die Geschäfte führt. Der Lebenslauf des Kanzlers ist ein Musterbeispiel für die international zusammengesetzte Professorenschaft. Szafowai ist in Argentinien geborener Ukrainer, promovierte in Passau als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung und habilitierte sich. Seine Frau ist Kanadierin wie so viele Exilukrainer, die in den USA und in Kanada auf der Flucht vor den Sowjets eine neue Heimat fanden. Von dort kamen nach 1945 viele junge Ukrainer nach München, um an der wiederum vor den Kommunisten aus Prag geflohenen Freien Hochschule zu studieren. Dabei ging es nicht nur wie heute um die drei Fakultäten Ukrainistik, Philosopie und Staats- und Wirtschaftswissenschaften, sondern auch um orthodoxe Theologie. Wo denn sonst hätten junge Ukrainer mit der Religion ihrer Väter und in deren Sprache vertraut gemacht werden können? So war auch die Orthodoxie am Erwerb des Hochschulgebäudes beteiligt. Nach der Wende ist dies nicht mehr nötig, aber ukrainische Kirchengeschichte steht hier weiter auf dem Plan.

149 Studierende hat die Universität derzeit, sie kommen aus aller Herren Länder. Mehr können schon aus räumlichen Gründen in der alten herrschaftlichen Villa nicht aufgenommen werden, denn der größte Hörsaal faßt gerade 35 Personen. Dennoch waren seit 1945 rund 70000 Akademiker an der Uni. Sie waren entweder Gasthörer, erwarben den Magister, promovierten oder habilitierten sich. Die Bibliothek zählt nach den Verlusten in Prag jetzt wieder rund 48000 Bände und ist damit die größte ukrainische Spezialbibliothek in Westeuropa.

Eine Diskussion über Studiengebühren findet hier nicht mehr statt. Die 500 Euro pro Semester sind schon seit längerem üblich. Stipendien können zur Zeit nicht vergeben werden. Von einst 125000 Euro Zuschuß der bayerischen Staatsregierung kamen im Zeichen des allgemeinen Sparens im Jahre 2006 nur noch 25000 Euro. Auch der Bund hat sich nach der Wende aus der Förderung zurückgezogen. Da heißt es, nach Sponsoren in Deutschland, der Ukraine und anderswo Ausschau zu halten.

Insgesamt 3000 Studierende aus aller Welt haben seit der Wende in der Form des Aufbaustudiums in München einen akademischen Abschluß erworben, der seit 1992 auch in der Ukraine gilt. Aus dem ehemaligen exilukrainischen Brückenkopf ist eine Brücke zur Heimat geworden, Kanzler Szafowai bevorzugt das Wort "Wege". Er bedauert, daß die in der Euphorie der Nachwendezeit geschlossene Partnerschaft Bayern-Ukraine und speziell die Partnerschaft München-Kiew so gut wie eingeschlafen sind. Im bayerischen Wirtschaftsministerium sieht man das etwas anderes. Dort vermißt man mehr Initiativen und Konzepte der Ukraine. Die Hochschule bemüht sich, an den auch für Außenstehende offenen Mittwochabenden ukrainische Kultur zu vermitteln.

Geblieben sind die starken Kontakte mit der Karls-Universität in Prag, wo die Universität nach ihrer Gründung in Wien 1921 noch im selben Jahr eine vorläufige Heimat gefunden hatte. Gelehrt wird von 56 Professoren und Dozenten in drei Sprachen, neben Ukrainisch in Englisch und Deutsch.

Nach den Jahren des Exils versteht sich die staatlich genehmigte Privatuniversität an der Isar nun als intellektuelles Kompetenzzentrum, das der Ukraine Basiswissen über die politische und wirtschaftliche Ordnung des Westens vermittelt und somit hilft, der Ukraine eines zwar fernen Tages den Weg in die EU zu ebnen. Das geschieht durch die Absolventen, die nach der Wende aus der Ukraine selbst kamen und bisher ausnahmslos dorthin zurückgegangen sind. Dazu kommen bisher 637 wissenschaftliche Veröffentlichungen. Denn, so der Kanzler, die Ukraine braucht heute mehr Wissen als materielle Hilfe. Dem jetzigen Verfassungsgericht in Kiew gehören bereits zwei Absolventen aus München an.


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