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21.04.07 / Kaminer kein Berliner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-07 vom 21. April 2007

Kaminer kein Berliner
von Harald Fourier

Wladimir Kaminer ist der ungekrönte König aller Russen in Berlin. 1990 kam er als Asylant aus der untergehenden Sowjetunion in die gerade wiedervereinigte Stadt - und heute ist er einer der größten deutschsprachigen Autoren "mit Migrationshintergrund". Russen gibt es ja reichlich in Berlin, vor allem im Prenzlauer Berg. In der Schönhauser Allee zum Beispiel: Im "Courage" treten immer russische Bands auf, und im "Chagall" gibt es viel zünftigen Borschtsch. Noch ein Stück weiter ist die Kulturbrauerei. Hier hatte Kaminer am Mittwoch letzter Woche seinen großen Auftritt: Er stellte sein neues Buch vor. "Ich bin kein Berliner" soll ein Reiseführer sein, aber die Tips darin können getrost vernachlässigt werden. Das Wichtige sind seine Kurzgeschichten, die übertreffen alles, was es sonst so an Gegenwartslektüre über Berlin gibt. Dabei beschreibt Kaminer gar nichts besonderes, sondern nur alltägliche, banale Dinge, die in Berlin geschehen, aber auf eine so naiv-kindliche Art und mit seinem russischen Akzent, da kann sich niemand ein Lachen verkneifen.

Kaminer kommt also in den vollgepackten Kinosaal und setzt sich nicht an den Tisch, sondern oben drauf. "Ah, iccch bin das Kino", rollt er. Und schon wird gelacht. Dann erzählt er eine Geschichte, die es in sich hat, und über die schallend gelacht wird: Kaminer schaut mit seinen Kindern russische DVD, Raubkopien möglicherweise, denn er deutet an, daß er Filme oft schon vor dem Kinostart hat. "Ich habe sogar schon Filme auf DVD, die wurden noch gar nicht gedreht", behauptet er. Diese Filme seien aber alle schlecht synchronisiert.

Neulich hatte sein Sohn Streit mit einem Türkenjungen auf dem Pausenhof. Türken seien unzuverlässig, soll der Sohn geschimpft haben. Kaminer senkt den Blick zu Boden und schämt sich sofort. Unsicher fragt er sich selbst, ob er vielleicht ein "rassistisches Schwein" sei, daß er seinen Sohn nicht besser erzogen habe.

Bis sich herausstellt: Der Junge hatte diese Erkenntnisse über Türken von einer russischen Fassung des "Herrn der Ringe". Darin werden die englischen Orks (zu Deutsch: Orken) fehlerhaft ins Russische als Turken übersetzt. Diese Orken sind unzuverlässig. Der Sohn hat nur wiederholt, was er in dem Hollywoodstreifen gesehen hat, von Türken war gar nicht die Rede. Es ist immer wieder lustig, Kaminer  zuzuhören oder seine Bücher zu lesen.


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