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21.04.07 / Mit der "Lichtgestalt" geht es zu Ende / Die Linkspartei distanziert sich von Hans Modrow - Ehemaliger DDR-Ministerpräsident vielleicht bald nicht mehr Ehrenvorsitzender

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-07 vom 21. April 2007

Mit der "Lichtgestalt" geht es zu Ende
Die Linkspartei distanziert sich von Hans Modrow - Ehemaliger DDR-Ministerpräsident vielleicht bald nicht mehr Ehrenvorsitzender
von Markus Schleusener

Auf dem Dortmunder Parteitag der Linkspartei war auch er wieder mit von der Partie: Hans Modrow. Der Ehrenvorsitzende der Linkspartei spricht mit Delegierten, gibt Interviews. Alte Parteigenossen kommen zu ihm, klopfen ihm auf die Schulter. Doch mit der "Lichtgestalt" geht es zu Ende - und das nicht nur, weil der Mann auf die 80 zugeht. Ein ehemaliger Genosse bringt jetzt das "Denkmal" vom "Reformer Modrow" weiter ins Wanken.

Rückblick: Stürmische Zeiten sind in Ost-Berlin angebrochen: Im Dezember 1989 hat die SED bereits mehr als nur die Kontrolle über ihre Staatsgrenzen verloren. Längst ist ihre Führungsrolle in Frage gestellt, der Machtverlust scheint unausweichlich.

In dieser Situation beruft Hans Modrow, seinerzeit DDR-Ministerpräsident, seine Getreuen beisammen. Es geht um die Sicherung der Existenz der SED über die angekündigten freien Wahlen hinaus. Es ist der 3. Dezember, morgens.

Es erscheinen Geheimdienstchef Markus Wolf und der für die Finanzen zuständige Wolfgang Pohl. Diese beiden sind inzwischen verstorben und können keine Auskunft mehr über dieses Krisengespräch geben.

Zudem sind Gregor Gysi und Wolfgang Berghofer anwesend. Letzterer war als Dresdner Oberbürgermeister automatisch ein Weggefährte Modrows (damals SED-Chef im Bezirk Dresden) und galt selbst als prominentester Reformer in der SED. Gysi dagegen war bis dato nicht in Erscheinung getreten und sollte das neue Gesicht der Partei verkörpern.

Modrow kommt gleich zur Sache: "Genossen, wenn wir die Partei retten wollen, brauchen wir Schuldige!" fordert er. Schuldige suchen, denen man die Sache in die Schuhe schieben kann - das ist die Strategie der SED-Führer, um vom eigenen Versagen abzulenken.

Berghofer erstaunt: "Wie stellst du dir das vor? Die Schuldigen sind wir." "Nein, das kann man so nicht sehen, wir brauchen Verantwortliche, zu denen es in der Gesellschaft schnell einen Konsens gibt und die Massen sagen: ,Jawohl, das sind die Schuldigen.' Das kann nicht die SED sein." "Wer soll das sein?" fragt Berghofer. "Das Ministerium für Staatssicherheit", antwortet Modrow. Daraufhin, so Berghofer, habe Markus Wolf protestiert: "Hans, wir - Schild und Schwert der Partei - haben doch nie etwas ohne Befehle von euch gemacht." Modrow habe Wolf beruhigt und versprochen: "Die Aufklärung des MfS halten wir selbstverständlich aus dieser Angelegenheit heraus."

Modrow skizziert die "Sündenböcke": Da es die SED nicht sein dürfe, müsse neben dem Ministerium für Staatssicherheit eine Einzelperson die Schuld auf sich nehmen, eine "hauptverantwortliche Person für die Misere." Honecker dürfe es aber nicht sein, weil er für die Partei stehe.

"Wir brauchen einen Schuldigen, bei dem das Volk sagt, der hat auf unsere Kosten gelebt. Das ist Alexander Schalck-Golodkowski", soll er dann gesagt haben. Noch am gleichen Tag tritt der Sündbock-Plan in Kraft: Hans Modrow gibt dann die Flucht von Schalck-Golodkowski in den Westen bekannt. Damit ist der gewiefte Devisenbeschaffer, der die DDR während der 80er Jahre immer wieder vor dem Ruin retten mußte, plötzlich der Blitzableiter für den Volkszorn.

"Dieser Schachzug von Modrow zur Rettung der SED (hat sich) als genial erwiesen, weil er funktioniert hat und bis heute funktioniert", sagt Berghofer heute. Der Ex-Genosse belastet seinen Chef von damals heute schwer. In einem Interview mit dem Historiker Manfred Wilke hat er Licht in diese Episode der DDR-Geschichte gebracht und damit Modrows Reputation als Reformer in Mitleidenschaft gezogen. Berghofer kritisiert: "Die eigentlichen Machtstrukturen sind alle aus dem Bewußtsein verschwunden, niemand kennt sie mehr."

Was hat den Bruch zwischen den beiden verursacht? Berghofer war unzufrieden mit Modrows Führungsrolle. Schon im Herbst 1989 habe der ein Doppelspiel gespielt, bei dem er, Berghofer, (im Falle des Scheiterns) als Verlierer dazustehen drohte, während Modrow sich die Lorbeeren für den Erfolgsfall sicherte.

So habe er, Berghofer, den Kontakt zu den Demonstranten gesucht, gegen die die "Volkspolizei" im Oktober hart und brutal vorgegangen sei. Dadurch sei die Lage entspannt worden.

Zeitgleich habe Modrow noch folgende Parole ausgegeben: "Wir müssen die Kraft der Straße brechen, dann können wir wieder fest im Sattel sitzen und weitermachen wie bisher."

Gysi und Modrow bestreiten natürlich vehement, daß sich das Treffen damals so abgespielt habe. Modrow bezweifelt, ob Berghofer sich überhaupt heute noch genau an den Wortlaut der Unterhaltung erinnern könne.

Gysi dagegen will sich ganz genau erinnern können: Er habe Modrow an diesem Tag getroffen, aber woanders (im Ministerrats- statt im Staatsratsgebäude).

Trotzdem geht die Partei auf Distanz zu Modrow. Wenn es nach dem Willen ihrer Führer geht, dann wird jetzt Modrow selbst zu einer Art Sündenbock: Einen Ehrenvorsitzenden soll es nach der Vereinigung mit der WASG nicht mehr geben.

Und die Eröffnungsrede auf dem Parteitag im nordrhein-westfälischen Dortmund, die durfte er auch nicht mehr halten.


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