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21.04.07 / Der ewige Kampf ums Idealgewicht / Am Anti-Diät-Tag sind "Hungerkünstler" aufgefordert, über die Schäden einseitiger Ernährung nachzudenken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-07 vom 21. April 2007

Der ewige Kampf ums Idealgewicht
Am Anti-Diät-Tag sind "Hungerkünstler" aufgefordert, über die Schäden einseitiger Ernährung nachzudenken
von Corinna Weinert

Zehn Pfund in zehn Tagen! Das ist der Standard-Slogan in Zeitschriftentiteln, wenn es um eine neue Diät geht. Die Diät ist und bleibt ein ewig aktuelles Thema, das in nahezu allen Gesellschaftsschichten nie an Gewicht verliert. Mittlerweile jedem ein Begriff sind die Brigitte-Diät, FdH, die Null-Diät, Trennkost und die Weight-Watchers. Der ewige Kampf ums Idealgewicht brachte uns immer wieder neue Trend-Kuren, wie beispielsweise die Blutgruppen-Diät, die Fünf-Elemente-Diät, die Mond-Diät, die Säure-Basen-Diät, die Steinzeit-Diät, die Stoffwechsel-Diät oder die Vollweib-Diät. In unserer Gesellschaft hat das Schlank-Sein Konjunktur.

Gegen den Schlankheitswahn wird jährlich am 6. Mai mit einem weltweiten Aktionstag protestiert. Mary Evans, die Gründerin einer Londoner Anti-Diät-Gruppe, rief 1992 den Anti-Diät-Tag ins Leben. In einem Interview über ihre Gruppe forderte sie, daß es einen Tag geben sollte, an dem die Menschen ihre Diät unterbrechen und über den Schaden, den einseitige Ernährung anrichten kann, aufgeklärt werden.

Der erste internationale Anti-Diät-Tag fand am 5. Mai 1993 statt. 1995 wurde der Anti-Diät-Tag auf den 6. Mai verlegt, um ihn zu Ehren von Mary Evans Geburtstag zu begehen. In immer mehr Ländern nutzen Diät-Gegner diesen Tag, um den Menschen den Diät-Terror bewußt zu machen.

Insbesondere Frauen neigen dazu, einen regelrechten Fanatismus zu entwickeln, wenn es um die Figur geht. "Hätten wir jeden Tag einen Anti-Diät-Tag, könnten Frauen sich um deutlich wichtigere Dinge kümmern, als ständig auf ihr Gewicht zu achten und sich mit Schuldgefühlen zu plagen", kommentierte Gisela Enders, die den Verein "Dicke e.V." in Deutschland gegründet hat, einst den weltweiten Aktionstag. "Ich rufe besonders an diesem Tag alle Frauen und Männer auf, von Schlankheitskuren die Finger zu lassen. Sie machen langfristig nicht schlank, und sind auch noch ungesund", so Enders. Dicke sollten ihrer Meinung nach den Anti-Diät-Tag als Gelegenheit sehen, um ihren Körper als ein Geschenk zu feiern und um sich von feindlichen Körpergefühlen zu verabschieden.

In Deutschland leben zwischen 20 und 30 Millionen dicke Menschen. Sie werden, vor allem wenn sie Frauen sind, in unserer Gesellschaft noch immer belächelt, nicht ernst genommen und verspottet. Man sagt ihnen nach, daß sie auch gleichzeitig dumm, langsam, unbeweglich, ungeschickt und unattraktiv seien.

Übergewicht wird in unserer Gesellschaft mit Freßsucht, Trägheit, psychischer Labilität und vielem mehr in Verbindung gebracht. Gefördert wird eine solche Denkweise über dicke Menschen durch die Medien und die Werbeindustrie, die unserer Gesellschaft ein gemeinhin akzeptiertes Schönheitsideal vorgeben. Das anhand ihrer Maßstäbe geprägte Bild wird dann häufig - bewußt oder unbewußt - als Norm gesetzt.

Schlank zu sein galt - was Frauen anbelangt - jedoch nicht immer als schön. In der Vergangenheit gab es oft Epochen, in denen dicke Frauen begehrt und bewundert wurden. Üppige Proportionen waren ein Symbol für Fruchtbarkeit, Geburt, Vermehrung und Überfluß, waren der Inbegriff der Weiblichkeit. In der griechischen und römischen Antike verkörperten beispielsweise Aphrodite und Venus das Schönheitsideal. Nach heutigen "Maßstäben" würde man die beiden Göttinnen als mollig bezeichnen.

Heute wird die fettfreie Welt von allen, die etwas daran verdienen oder wenigstens daran glauben, propagiert. Ein lukratives Geschäft für die Hersteller von Diätprodukten und Fitneßgeräten, und auch die Modeindustrie verdient gut daran. Mittlerweile sind wir mit unserem Schlankheitswahn auf einem neuen Höhepunkt angelangt. 75 Prozent aller Frauen machen in ihrem Leben eine Diät, jede vierte Frau ist mittlerweile eßgestört.

Die Anzahl der Abnehmprogramme und Schlankheitskuren, mit denen das Körpergewicht reduziert werden soll, ist unüberschaubar groß. Kein Wunder, daß Menschen, die eine für sie geeignete Methode suchen, oftmals überfordert und verunsichert sind.

Die meisten kommerziell angebotenen Schlankheitskuren beruhen auf einer kurzfristigen Nahrungsreduktion (Kalorienreduktion), auf der verminderten Aufnahme beziehungsweise Vermeidung bestimmter Nährstoffgruppen wie Kohlenhydrate oder auf der Bevorzugung bestimmter Nährstoffe aus einer der verschiedenen Gruppen wie Nahrungsmittel mit niedrigem glykämischen Index.

Abnehmprogramme, bei denen ein strenger Ernährungsplan im Vordergrund steht, rufen nicht selten Mangelerscheinungen hervor. Schwächeanfälle, Leistungsminderung, Haarverlust, elektrolytisches Ungleichgewicht, hoher Blutdruck und Osteoporose sind laut Studien einige der möglichen Folgen.

Alle Schlankheitskuren bergen das Risiko einer nur kurzfristigen Gewichtsabnahme, danach kommt es in den meisten Fällen wieder zu einer Gewichtszunahme, so daß das Körpergewicht oft sogar ansteigt, statt sich auf Dauer zu reduzieren - der berühmt-berüchtigte Jojo-Effekt.

Die geplagten Abnehmwilligen, die es satt haben, sich ständig neuen Diätvorschriften zu unterwerfen, können heute auch ein anderes Angebot wählen: Abnehmprogramme, die psycho-mentale Aspekte des Übergewichts in den Vordergrund stellen. Sie haben zum Ziel, durch die eigene Vorstellungskraft und geistiges Training das Gehirn auf ein geringeres Körpergewicht "umzupolen" und somit Einfluß auf das Unterbewußtsein, das den Mechanismus von Hunger und Sättigung steuert, zu nehmen.

Auch Kommunikationssysteme, die auf der elektronischen Datenverarbeitung basieren, erobern zunehmend den Markt der Diätangebote. Die Teilnehmer werden zu Hause "individuell" durch ein zentral gesteuertes Computerprogramm betreut, das Ernährungsprotokolle auswertet, daraus Empfehlungen ableitet und Verhaltenstips gibt.

Erwarten wir nun gespannt, was uns demnächst noch alles von der Diät-Industrie präsentiert wird. Und: Nutzen wir den Anti-Diät-Tag, um uns Gedanken darüber zu machen, was davon denn wirklich sinnvoll ist.

Foto: Viel Obst und Gemüse: Ausgewogene Ernährung ist besser als jede radikale Diät.


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