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21.04.07 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-07 vom 21. April 2007

Halbherzig ist nicht mutig / Wie aus einer Trauerrede ein Trauerspiel wurde und warum Canossa in Berlin liegt
Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

Nirgendwo wird so viel gelogen wie auf einer Beerdigung? Na ja, meist stimmt das, der Volksmund spricht gewöhnlich die Wahrheit aus. Aber leider differenziert er selten. Deshalb sind Ausnahmen immer die Regel. Gelegentlich wird nach einer Beerdigung noch mehr gelogen als während der Trauerfeier. Die Inszenierung eines solchen Trauerspiels erlebten wir gerade.

Das unglückliche Wort vom "Gegner des NS-Regimes" war in der Würdigung Günther Oettingers für den verstorbenen Hans Filbinger kaum ausgesprochen, als auch schon die Reaktion mit der Verläßlichkeit des Pawlowschen Reflexes einsetzte. Die professionellen Berufs-Erreger verschluckten sich geradezu in freudigem Erschrecken, für einen Moment verschlug es ihnen schier die Sprache. Was hatte der Oettinger, der Unglücksmensch, da gesagt? Der Filbinger ein Gegner der Nationalsozialisten? Ungeheuerlich!

Bedauerlicherweise hatten Deutschlands Leitmedien offenbar so gar nicht richtig bemerkt, was da passiert war, denn der Mehrzahl war es am folgenden Tag keine Notiz auf der ersten Seite wert. Das änderte sich erst am darauf folgenden. Also erst, nachdem die professionellen Berufs-Erreger laut vor Empörung aufgeschrieen hatten. Allen voran ein Gogo-Girl jedweder rosa-rothen Homodemo namens Claudia Roth. Die glaubt es meist schneller als alle anderen zu merken, wenn einer "Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen" gießt. Dann stößt sie ihren Weckruf aus. Die Römer hielten sich als Weckrufer Gänse.

Der Weckruf wirkte. Am nächsten Tag schon sah die Welt ganz anders aus. Die Empörung über Oettingers unsägliche Äußerung hatte der Weg an die Spitze der Nachrichten und auf die ersten Seiten der Zeitungen gefunden. Und da blähte sich die Aufregung auf, immer ein bißchen mehr. Schon nach drei Tagen hatte sie es bis zum Aufmacher geschafft, am vierten Tag füllte die Erregung mindestens Plätze auf den Seiten Eins und Zwei sowie im Feuilleton. Dabei wurde die Tonlage von Tag zu Tag schriller, alle altbekannten Register einer jeden Skandalierung mit Macht gezogen, bis schließlich die "Oettinger/Filbinger-Affäre" fertig war.

Um Hans Filbinger ging es bei dieser Auseinandersetzung nicht. Sie tat nur so. Filbingers Vita war Mittel zum Zweck. Und der Zweck war die Beschädigung des CDU-Ministerpräsidenten Günther Oettinger vorneweg und die Beschädigung der CDU insgesamt im Anschluß. Angehörige der politischen Klasse profilieren sich seltener durch positive Leistung, dafür aber um so häufiger durch Niedermachen oder Beschädigung - entweder des politischen Gegners (das erfolgt lautstark und öffentlich) oder im eigenen politischen Lager (das erfolgt meist heimlich und mit Niedertracht). Letzteres gemäß der immer gültigen Steigerung: Feind, Todfeind, Parteifreund. Ist ein Skandal mit Fleiß und Empörung erst einmal entwickelt, schöpft er eine Zeit lang die Kraft aus sich selbst. Jeder Versuch einer Rechtfertigung durch den Betroffenen wird zum Bumerang, denn selbstverständlich wissen seine Gegner alles anders. Vor allem haben sie die politisch korrekte Meinungshoheit. Argumente interessieren sie nicht, denn sie allein haben (nach ihrer Auffassung) die richtigen Argumente. Ihren Zorn kann der Attackierte nur besänftigen, indem er sich Asche aufs Haupt streut.

Günther Oettinger versuchte gar nicht erst zu erklären, wie er dazu kam, Hans Filbinger einen Gegner der Nationalsozialisten zu nennen. Er merkte rasch, daß er kein Gehör finden würde, allenfalls Hohn und Spott.

Wenn Günther Oettinger kein politischer Einfaltspinsel ist (was man unterstellen darf, wenn einer sich bis zum Ministerpräsidenten durchlaviert hat), dann muß man davon ausgehen, daß er genau nachgefragt hat, ehe er zu dem Schluß kam, Filbinger einen Gegner des NS-Regimes zu nennen. Es sei denn, Oettinger hätte eine bisher verborgene Schwäche für Selbstmordattentäter nach islamistischem Vorbild. Nach dem vorläufigen Schlußpunkt der Geschichte darf davon allerdings nicht ausgegangen werden. Oettinger hat den Sprengstoffgürtel im letzten Augenblick als unvorteilhaftes Kleidungsstück erkannt und ihn abgelegt, vorläufig die Karriere bewahrend.

Andere haben jene Fragen gestellt, zu denen sich Oettinger letztendlich nicht bekennen mochte. Beispielsweise der Militärhistoriker Professor Franz W. Seidler, der an der Universität der Bundeswehr in München lehrte. In dem Buch "Stigmatisiert" hat er sich mit dem Verhältnis Filbingers zum Nationalsozialismus beschäftigt. Danach galt Filbinger der NSDAP als politisch unzuverlässig, nachdem er im katholischen Jugendbund "Neudeutschland" dafür gesorgt hatte, daß der Verband auch nach der Machtergreifung seine Arbeit fortsetzen konnte, ohne die bis dahin geltenden Prinzipien zu ändern. 1937 stieß Filbinger zum "Freiburger Kreis" um den katholischen Publizisten Karl Färber und den Dichter Reinhold Schneider, der seinerseits Beziehungen zu der nach dem Krieg "Bonhoeffer Kreis" genannten Vereinigung hatte. Beide Gruppierungen standen in Gegnerschaft zu dem NS-Regime. Eine Aufnahme in die "Studienstiftung des deutschen Volkes" wurde Filbinger verweigert. Nach dem Ersten Staatsexamen wurde ihm bedeutet, mit dem Zweiten Staatsexamen dürfe er wegen politischer Unzuverlässigkeit nicht rechnen.

Eine nationalsozialistische Karriere sieht anders aus. Zum "Widerstandskämpfer" reicht es allerdings auch nicht. Der Begriff allerdings wurde von den Medien eingeführt. Oettinger hatte hingegen von einem "Gegner des NS-Regimes" gesprochen.

Zu alledem war von Günther Oettinger anschließend öffentlich nichts zu hören. Zunehmend fühlte sich der Beobachter in "Upps - Die Pannenshow" versetzt. Da wird auch gefallen, gestoßen, getölpelt - alles immer unfreiwillig, und deshalb gibt es Leute, die darüber lachen können. Dieser spezielle Clip der Pannenshow kann für sich in Anspruch nehmen, besonders peinlich zu sein (worüber bei "Upps - Die Pannenshow" am lauteten gejohlt wird): "Tschuldigung, war nicht so gemeint. Ich hab nur gedacht, wo er doch jetzt tot ist. Das macht man halt so in unserem Kulturkreis, da sagt man keinem Toten was Schlechtes nach. Und es war doch nur eine Gedenkrede für die Angehörigen. Die hören das so gern. Aber wenn's nicht paßt, wisch ich's halt weg."

Das Bemühen, den Schaden so gering wie möglich zu halten, war unübersehbar. Oettinger wollte nicht durch neue Argumente neue Angriffsflächen bieten. Politisch mag er sich damit klug verhalten haben. Doch nachgetreten wird immer.

Wieder einmal zeigt sich, wie einseitig inzwischen die engen Grenzen der Meinungsfreiheit gezogen wurden. Nicht was gesagt und gemeint ist, wird zur Kenntnis genommen. Allein was verstanden werden soll, was passend ist, darf auf Kenntnisnahme hoffen. Im Zweifelsfall ist es allerdings das Gegenteil des Gemeinten. Kommt ganz darauf an, wer zuhört.

Es ist nicht verwunderlich, daß im Zusammenhang mit Oettingers Gedenkrede der Name Martin Hohmanns wieder genannt wurde. Hohmanns Formulierung vom "Tätervolk" in seiner Rede zum 3. Oktober 2003 war entschieden unglückseliger. Aber auch er hatte nicht gemeint, was gesagt zu haben ihm unterstellt wurde.

Er machte den Fehler, die falsche Interpretation seiner Worte mit Argumenten abwehren zu wollen. Und das war ein entscheidender Fehler. Je mehr er argumentierte, desto mehr verhedderte er sich, bis er schließlich, von seiner CDU verstoßen, auf einem Stühlchen im Abseits des Bundestages hockte.

So etwas ähnliches wird Günther Oettinger so schnell nicht passieren. Schon, weil er aus seinem überraschenden Vorstoß postwendend einen hinhaltenden Rückzug

machte. Was wäre eigentlich passiert, wenn er versucht hätte, seine nicht oder mißverstandenen Worte zu erklären? Was wäre gewesen, wenn er versucht hätte, zu seiner Interpretation der Person Filbingers zu stehen? Und dann zum Papst gefahren wäre? Oettingers Canossa-Gang aber führte nach Berlin.

Halbherzig begonnen ist bereits verloren. Halbherzig ist niemals mutig.

Hans Heckel hat sich eine Auszeit genommen.


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