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28.04.07 / "Große Taten und schwerwiegende Fehler" / Boris Jelzin starb in Moskau an den Folgen seiner Herzkrankheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

"Große Taten und schwerwiegende Fehler"
Boris Jelzin starb in Moskau an den Folgen seiner Herzkrankheit
von Manuela Rosenthal-kappi

Boris Jelzin, der erste demokratisch gewählte Präsident Rußlands, gilt als Begründer und Verteidiger der Demokratie im postsowjetischen Rußland. Im Westen sind es vor allem zwei Bilder des Staatsmannes, die sich den Menschen ins Gedächtnis geschrieben haben.

Da ist zum einen sein mutiges Handeln im August 1991 beim Putschversuch des von KGB-Kadern beherrschten russischen Militärs gegen Gorbatschow.

Jelzin, auf einem Panzer vor dem Weißen Haus in Moskau stehend, beendete den Putschversuch.

Das zweite Bild ist das der Gewalt, der Jelzin sich bediente, als es 1993 um die Bekämpfung politischer Gegner ging und er das Weiße Haus mit Panzern beschießen ließ, und schließlich der Beginn des Krieges in Tschetschenien 1994, den er gegen tschetschenische Separatisten anzettelte.

Boris Jelzin ist ein Mann der Kontraste. Er wird in die Geschichte als Begründer einer neuen Epoche in Rußland eingehen, als furchtloser Kämpfer, der sich gegen Bürokratie und Stillstand sowie für Freiheit und Demokratie einsetzte.

Jelzins politische Karriere begann Anfang der 80er Jahre in Moskau. 1991 wurde auf sein Betreiben die Sowjetunion aufgelöst, über die Hälfte der Russen wählte ihn ins Präsidentenamt. Zu Jelzins Verbündeten zählten liberale Reformer und die Unternehmer. Radikal umgesetzte Wirtschaftsreformen, Privatisierungen der Industrie sowie der Beginn eines wilden Kapitalismus führten zu Chaos und Zerfall. Die verfehlte Reformpolitik Jegor Gajdars und Anatolij Tschubais', die Jelzin allzu frei gewähren ließ, führte zur Wirtschaftskrise von 1998 - Rußland war zahlungsunfähig. Staatsunternehmen wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt, deren scheinbar wertlos gewordene Aktien die Oligarchen günstig kauften. Während die Bevölkerung ihre Ersparnisse verlor, vereinnahmte sich eine kleine Elite die Reichtümer des Landes, vor allem die Öl und Gas verarbeitenden Industriebetriebe. Der Ausverkauf der russischen Wirtschaft hatte begonnen. 1996 verhalf die Wahlpropaganda der "Jelzin-Clan" genannten Oligarchen zugunsten ihres Präsidenten diesem zu einer zweiten Amtszeit. Eine schwere Herzkrankheit und Alkoholsucht beendeten Jelzins politische Karriere. Peinliche öffentliche Auftritte des betrunkenen Jelzin ließen seine Popularität schwinden. Überraschend übergab Jelzin sein Amt Silvester 1999 an Wladimir Putin, nicht jedoch, ohne sich Immunität und Straffreiheit auf Lebenszeit zu sichern.

Von den Folgen der Jelzin-Ära erholt die russische Bevölkerung sich erst allmählich. So wundert es auch nicht, daß die Mehrheit der Russen einer Befragung zufolge die Regierung Jelzin überwiegend negativ bewertet.

Westliche Medien berichteten schon am Nachmittag über Jelzins Tod, das russische Fernsehen brachte erst am Abend eine Kurzmeldung. CNN und BBC unterbrachen halbstündig ihre Sendungen, um über Jelzin zu berichten. Die Todesursache veröffentlichte der Kreml allerdings erst am späten Abend. Während die Fernsehanstalten im Westen schon Jelzins Lebensdaten gesendet und Reaktionen auf seinen Tod aus aller Welt übertragen hatten, schrieb Putin noch seinen Nachruf. Die russischen Sender strahlten weiter Reklame und lateinamerikanische Seifenopern aus. Als erster äußerte sich Michail Gorbatschow, der Jelzin "große Taten und schwerwiegende Fehler" bescheinigte.

Putin, dem Jelzins Tod überhaupt nicht ins Protokoll zu passen schien - der 1. Mai und die jährliche Ansprache an die Nation stehen bevor -, fand dann doch noch ehrende Worte für seinen Vorgänger und ordnete Staatstrauer an.

Boris Jelzin erhält sein Totenamt in der prachtvollen Christi-Erlöser-Kathedrale am Ufer der Moskwa, beigesetzt wird er auf dem Friedhof des Neujungfrauenklosters, wo er neben großen Berühmtheiten, Dichtern und Künstlern seine letzte Ruhe finden wird. Normalen Sterblichen ist der Zugang zum bewachten Friedhof nur gegen Zahlung eines stolzen Eintrittspreises gestattet.


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