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28.04.07 / Leben im Stillstand / Der Spree-Neiße-Kreis ist eine Region ohne Zukunft, seine Bewohner fliehen nach Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

Leben im Stillstand
Der Spree-Neiße-Kreis ist eine Region ohne Zukunft, seine Bewohner fliehen nach Berlin
von Markus Schleusener

Zum zweiten Mal seit 2004 hat die Beratungsgesellschaft Prognos die Zukunftschancen aller Städte und Kreise in Deutschland ermittelt. Die Ergebnisse für Berlin-Brandenburg sind erwartungsgemäß sehr uneinheitlich. So hat die Metropole Berlin zwar keine atemberaubenden, aber doch solide Zukunftschancen. Sie gehört zu den immer wieder als "Leuchttürme" bezeichneten Regionen, in denen auch in Mitteldeutschland Licht am Ende des Tunnels ist. Doch von denen gibt es viel zu wenige.

Aber auch der Landkreis mit den niedrigsten Zukunftschancen in ganz Deutschland ist nicht weit: der Spree-Neiße-Kreis. Er ist "ganz unten", wie eine Boulevardzeitung befand.

Als Wirtschaftsstandort hat der im Spreewald gelegene Spree-Neiße-Kreis keine Chance. Schon am Stadtrand von Spremberg ist der Stillstand sichtbar. Dort steht eine alte Schnapsbrennerei, die seit Jahren zum Verkauf angeboten wird - vergeblich. Und selbst die schönste Stadtvilla Sprembergs ging kürzlich für lachhafte 35000 Euro an einen neuen Besitzer. Standesgemäß - für einen Pleite-Landkreis - wurde das Häuschen zwangsversteigert.

Die 26000-Einwohner-Stadt leidet unter Einwohnerschwund. 1000 Wohnungen mußten bereits abgerissen werden. Das lokale Wirtschaftsleben kommt so zum Erliegen und drängt immer weitere Spremberger zur Landflucht - oft nach Berlin. Ein Teufelskreis.

Den Verantwortlichen fehlt wie so oft der notwendige Wille zur Einsicht. So beharrt Bürgermeister Klaus-Peter Schulze trotzig darauf, daß es "unserer Stadt nicht schlecht geht". In einem Interview mit dem "Berliner Kurier" zweifelte er gar die Aussage der Studie an: "Die Branche Energiewirtschaft wurde nicht berücksichtigt. Davon lebt unsere Region."

Er meint das Kraftwerk Schwarze Pumpe. (Braun)Kohle - nicht gerade eine Zukunftstechnologie und auch kein verläßlicher Jobmotor. Zwar wird in Schwarze Pumpe viel Geld verdient, aber diese Arbeit ist alles andere als arbeitsintensiv.

Weil CDU-Mann Schulze das selbst weiß, setzt er zudem auf klassische Instrumente regionaler Wirtschaftsförderung: Neuangemeldete Firmen sind fünf Jahre von der Steuer befreit. Demnächst soll dies auch für Häuslebauer gelten.

Aber langt das auch? Kommunalpolitik funktioniert nicht mehr nach den alten Mustern. Heute reicht es nicht mehr ein neues Gewerbegebiet auszuschreiben, ein Wohngebiet zu entwickeln und dann nur noch die Gewerbesteuereinnahmen zu sichern. Im Zeitalter des demographischen Wandels ist diese auf Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ausgerichtete Politik nicht mehr erfolgversprechend.

Aber auch die sogenannten Leuchttürme dürfen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Es ist mitnichten so, daß in Greifswald, Jena oder Dresden bereits das lange herbeigesehnte "Westniveau" erreicht wäre.

Fast überall im Osten, also auch in den vielversprechenden Gebieten, liegt die Arbeitslosigkeit deutlich über den Bundesdurchschnitt. Selbst das Musterland Sachsen erreicht nur 70 Prozent der durchschnittlichen Wirtschaftsleistung pro Kopf in Deutschland.

Oder anders gesagt: Allein der Regierungsbezirk Köln erreicht ein um 50 Prozent höheres Inlandsprodukt als ganz Sachsen mit seinen rund vier Millionen Einwohnern. Die Wir-haben-es-geschafft-Rhetorik, wie es die "FAZ" nennt, ist also völlig Fehl am Platze.

2019 läuft der Solidarpakt II aus. Bis dahin werden die Unterschiede zwischen Ost und West nicht behoben sein. Wahrscheinlich werden sie das nie.

Deswegen muß ein Mentalitätswechsel her: Die Dauer-Subventionierung auf Kosten des Westens muß aufhören.

Schon mehren sich dort die Stimmen, die ein Ende der Transfers in das Milliardengrab Ost fordern. Zuletzt profilierte sich die neue SPD-Chefin an Rhein und Ruhr Hannelore Kraft damit.

Die Forderungen nach einem Subventionsstopp erhalten neue Nahrung durch Nachrichten wie diese: Der Landrat von Teltow Peer Giesecke läßt sich neuerdings mit einer Mercedes-S-Klasse herumkutschieren.

Teltow grenzt direkt an Berlin und gilt - anders als Spree/Neiße - als eine der Wachstumsregionen. Trotzdem: Muß ein Landrat einen Wagen fahren wie ein Bundesminister? Hätte nicht ein Audi A6 gereicht oder ein Volkswagen-Passat? Schließlich ist der Landkreis hochverschuldet.

Das ganze ist ein Fall kommunalpolitischer Realsatire: Denn auch dem Sozialdemokraten Giesecke war zumindest klar, daß seine Reputation als Volksvertreter darunter leiden könnte, wenn er einen zu protzigen Wagen fährt. Aus diesem Grund ließ er den Mercedesstern abmontieren.

Foto: Karge Mondlandschaft: Der Braunkohleabbau in Jaenschwalde fördert das Material für die Schwarze Pumpe in Spremberg, einem Kraftwerk, was ohne CO2-Emissionen arbeiten soll. An der Universität in Cottbus wird fleißig in diese Richtung geforscht. Doch trotz aller Fortschritte kann dieser Bereich nicht allen Menschen der Region eine Perspektive bieten.


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