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28.04.07 / Eine neue Welt erschließen / Hamburger Museum zeigt "Bunte Götter - Die farbenfrohe Welt der alten Griechen"

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

Eine neue Welt erschließen
Hamburger Museum zeigt "Bunte Götter - Die farbenfrohe Welt der alten Griechen"
von Helga Steinberg

In Athen hatte das Nationalmuseum schon lange nicht solche Besucherströme gesehen. Auch in Basel und Kopenhagen, selbst im Vatikan und in Istanbul waren die Menschen neugierig und nahmen selbst lange Wartezeiten in Kauf, um sie zu sehen, die "bunten Götter". So lautet auch der Titel der Ausstellung, die schon 2004 in München gezeigt wurde und die jetzt in erweiterter Form im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen ist. Mit "Bunte Götter - Die farbenfrohe Welt der alten Griechen" hofft Museums-chef Wilhelm Hornbostel den Besuchern seines Hauses eine neue Welt zu erschließen, denn gemeinhin ist unsere Sicht der antiken Götter und Tempel eine ganz andere, als sie nun im Museum präsentiert wird.

Was heute die Touristen immer wieder in seinen Bann zieht, das strahlende Weiß der Skulpturen, Tempel und Säulen, gab es einst gar nicht. Ursprünglich erstrahlten die Kunstwerke und Bauten nämlich in bunten Farben. Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), der Begründer der klassischen Archäologie, bekannte zwar, daß die Farbe zur Schönheit der Skulptur beitrage, doch war ihm die "barbarische Sitte des Bemalens von Marmor und Stein" zuwider. Er sah in der Farbe die Gefährdung des Ideals der weißen Statue: "Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Lichtstrahlen zurückschicket, folglich sich empfindlicher machet: so wird auch ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist." Ganz anderer Meinung war da Martin von Wagner, Kunstagent des bayerischen Königs Ludwig I. Er war 1812 nach Griechenland gereist, um dort im Auftrag des Königs die Giebelskulpturen des Aphaia-Tempels von Aigina bei einer Auktion zu erwerben. An den Skulpturen erkannte der Maler und Bildhauer bald Reste von Farbe, und er empfahl seinem König, dem Werk die ursprünglichen Farben und Verzierungen zu geben, sollte es doch in der von Leo von Klenze neu errichteten Glyptothek in München Aufnahme finden.

Dort hat man sich in jüngster Vergangenheit vermehrt der Farbigkeit antiker Skulpturen zugewandt. Eine Gruppe von Wissenschaftlern um das Archäologenehepaar Ulrike und Vinzenz Brinkmann fand neue, besonders verfeinerte Untersuchungsmethoden, um auch kleinste Farbpigmente aufzuspüren. Brinkmann, der zusammen mit Frank Hildebrandt die Hamburger Ausstellung konzipierte, erläutert die Probleme: "Die originalen Farben finden sich häufig noch an geschützten Bereichen der Objekte. Unsere Kenntnis der Farben, die in den unterschiedlichsten Zeiten angewendet wurden, ist inzwischen sehr genau. Trotzdem ist es jedoch kaum möglich, an einer einzelnen Statue alle Pigmente mit Sicherheit zu bestimmen. Einzelne Farbwerte sind austauschbar, Nuancen können verschoben werden ..." Stolz aber ist man auf die farbige Fassung des berühmten Alexandersarkophags aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, die jetzt erstmals in Deutschland zu sehen ist. Der Sarkophag wurde mit Hilfe von Computermessungen erforscht, ohne daß er berührt wurde. Entstanden ist ein farbenfrohes Artefakt, das so gar nichts mehr von einem ehrfurchtgebietenden Kunstwerk hat.

Farbenfroh ist auch der Bogenschütze Paris aus dem Westgiebel des Aphaia-Tempels aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. Einige Farben hatten sich am Paris erhalten, andere wurden mit Hilfe von UV-Aufnahmen und Vergleichen ähnlicher Figuren rekonstruiert. "Die Farbpigmente entsprechen jenen, die auch während neuerer Ausgrabungen am Tempel festgestellt wurden. Die Haare des Bogenschützen waren seperat aus bemaltem Blei angestückt."

Selbst diese Fachleute brauchen Zeit, sich an die Farbigkeit der sonst so strahlend weißen Kunstwerke zu gewöhnen. Einer, der im 19. Jahrhundert besonders energisch für die Erforschung antiker Farbigkeit eintrat, war der Hamburger Architekt Gottfried Semper (siehe auch nebenstehenden Beitrag). Auf seinen Studienreisen nach Italien und Griechenland entdeckte er, daß die Tempel und Marmorbilder des Mittelmeer-raumes ursprünglich farbig gewe-sen waren. 1834 veröffentlichte er die viel diskutierte Studie "Vor-läufige Bemerkungen über be-malte Architectur und Plastik bei den Alten". Zwei Jahre später folgte eine weitere Schrift: "Die Anwendung der Farben in der Architectur und Plastik - Dorisch-griechische Kunst". Zahlreiche Zeichnungen machten seine Ausführungen deutlich, einige von ihnen hat Semper selbst koloriert. Eines dieser Exemplare ist aus dem Nachlaß Sempers in das Hamburger Museum gelangt und ergänzt nun hervorragend die ohnehin schon spannende Schau.

Der Betrachter ist aufgefordert, sich vorurteilsfrei auf diese neue Farbigkeit einzulassen. "Kate-

gorien wie ,primitiv' oder ,kitschig' werden zu hören sein", so Vinzenz Brinkmann im Katalog, der einen umfassenden Einblick in die Problematik gibt (24 Euro an der Museumskasse). "Diesen ersten Schreck gilt es zu überwinden. Denn wir müssen wieder lernen, die Farbigkeit der Skulptur als Kunstform zu akzeptieren." Und so müssen nicht nur die Rekonstrukteure Farbe bekennen bei der richtigen Auswahl, auch die kunstsinnigen Betrachter sind gefordert.

Die Ausstellung "Bunte Götter - Die farbenfrohe Welt der alten Griechen" ist im Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, 20099 Hamburg, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, zu sehen, Eintritt 8 / 5 Euro, bis 1. Juli.

Foto: Original und Rekonstruktion: Der sogenannte Paris aus dem Westgiebel des Aphaia-Tempels von Aigina (um 490 / 480 v. Chr.) Foto: Stiftung Archäologie, München


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