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28.04.07 / Bis uns der Tod (Anwalt) scheidet / Jede dritte Ehe wird heute aufgelöst, doch trotzdem war "damals" keinesfalls alles besser

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

Bis uns der Tod (Anwalt) scheidet
Jede dritte Ehe wird heute aufgelöst, doch trotzdem war "damals" keinesfalls alles besser
von Rebecca Bellano

Der Wonnemonat Mai steht vor der Tür und viele junge Paare wählen diesen Monat aus, um sich das Ja-Wort zu geben. Sie trauen sich - im wahrsten Sinne des Wortes. Und diese Entscheidung bedarf vielen Mutes, denn die Zeichen für ein gemeinsames Leben "bis uns der Tod scheidet" stehen statistisch gesehen heute so schlecht wie nie.

Jede dritte Ehe wird geschieden, in Großstädten sogar schon jede zweite. Das bedeutet laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, daß im Jahr 2005 388451 Eheschließungen 201639 Scheidungen gegenüberstanden. Die hohe Zahl der Scheidungen ist auch darauf zurückzuführen, daß viele "Altbestände" aus den älteren Semestern sich erst scheiden lassen, wenn die Kinder groß sind. Die jüngeren Jahrgänge haben damit kein Problem: Sie trennen sich auch, wenn die Kinder noch klein sind. Was nicht mehr paßt, paßt eben nicht mehr, so ihre Devise.

Trotz dieser schlechten Aussichten wagen es immer wieder Hunderttausende von Deutschen, sich gemeinsam vor den Traualtar zu stellen. Das durchschnittliche Heiratsalter liegt bei Männern bei 32,6 Jahren und bei Frauen bei 29,6 Jahren; ein vergleichsweise hohes Alter, was sich auch aus der steigenden Zahl der Scheidungen ergibt: Bei häufiger auftretenden Wiederverheiratungen sind die Partner selbstverständlich deutlich älter als beim ersten Mal, und so verschieben sich die Durchschnittswerte.

Jeder kennt Paare, die sich haben scheiden lassen, trotzdem ist die Ehe als Form des Zusammenlebens zwischen Mann und Frau keineswegs auf dem absteigenden Ast. Stephanie Coontz, eine US-amerikanische Expertin für Familiengeschichte, sieht die Ehe der westlichen Welt sogar in einem positiven Licht. In ihrem Buch "In schlechten wie in guten Tagen" meint sie auf ein Paradoxon hinweisen zu können: "Die Ehe ist für viele Paare glücklicher, liebevoller und befriedigender geworden als jemals zuvor in der Geschichte. Gleichzeitig ist sie unverbindlicher und brüchiger geworden."

Was auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein scheint, bedingt sich in Wahrheit aus der Vergangenheit. Über Jahrhunderte, ja, Jahrtausende, war die Ehe kein Bund zweier sich zugeneigter Menschen, sondern das Zusammenfinden zweier Familien, die sich aus gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Gründen dazu entschlossen hatten, ihre Kinder miteinander zu verheiraten. Dies galt keineswegs nur für den Adel, sondern auch für Bauern, Handwerker und Kaufleute. "Die Heirat ermöglichte es, Ressourcen zu horten und anzuhäufen", so die Autorin und raubt damit jede Illusion von dem Motiv der ewigen Liebe. Liebe sei eine vergleichsweise neumodische Erfindung, genauer, die Liebe in der Ehe. So weist die College-Dozentin darauf hin, daß es im 13. bis 16. Jahrhundert als langweilig galt, den eigenen Ehepartner zu lieben. Wahre Liebe fand man nur außerhalb der Ehe und das auch nur auf Zeit. In Herrscherhäusern der Antike und des Mittelalters habe die Liebe zur eigenen Gattin für den Throninhaber sogar als Gefahr gegolten, denn sie und ihre Verwandten besaßen ein größeres Interesse am Wohlergehen des Sohnes als an dem des Gemahls und Liebe zu ihr machte ihn nachsichtiger und unaufmerksamer.

Biologen sehen die Ehe gern als menschliches Pendant zum Zusammenleben in der Tierwelt; eine These, die Stephanie Coontz als nicht haltbar betrachtet, denn schließlich würden nirgendwo in der Tierwelt Verwandte, andere Mitglieder der Gesellschaft und die ökonomische Lage Einfluß auf die Partnerwahl nehmen, wie es selbst noch in der Gegenwart der Fall sei. Auch dürfte man nicht außer acht lassen, daß früher die Zahl der Ledigen keineswegs geringer gewesen sei: "In den unteren Schichten sammelten manche nie genug Mittel an, um einen unabhängigen Haushalt zu gründen. In den oberen Schichten bedeutete die frühe Heirat eines Erben der Familie häufig späte Heirat oder lebenslanges Ledigbleiben für die übrigen Kinder." Klöster seien hier beliebte "Abladeplätze" gewesen.

Im 18. Jahrhundert ersetzte die individuelle Partnerwahl die arrangierte Ehe als gesellschaftliches Ideal. Gleichzeitig wurde die Rolle der Frau neu definiert. Ursprünglich Wirtschaftsfaktor und Helfer übertrug man ihr nun den emotionalen und moralischen Part. Plötzlich stand die Frau für Reinheit, Häuslichkeit und Rechtschaffenheit, was selbst die Männer durcheinander brachte, denn Sex mit einem als "rein" stilisierten Wesen schien undenkbar.

Frauen wie Männer mußten jedoch weiter aus ökonomischen Gründen heiraten: Frauen, um versorgt zu sein, Männer, um in der Gesellschaft als vollwertiges Mitglied angesehen zu werden und Karriere machen zu können.

Mit dem Übergang zum 20. Jahrhundert gab es erneut einen Einschnitt, da als Folgen der ersten Welle der Gleichstellung und der Weltkriege immer mehr Frauen in den Beruf strebten oder mußten. Krankenschwestern, Verkäuferinnen, Sekretärinnen und Lehrerinnen überschwemmten den Arbeitsmarkt - häufig jedoch nur so lange, bis sie den Bund der Ehe eingingen. Berufstätige Mütter galten vor allem in den 50er und 60er Jahren als unfein.

Der Mann als Alleinversorger überlebte sich mehrheitlich erst in den letzten 20 Jahren, daher auch die höheren Scheidungsraten. "Ich kann allein über die Runden kommen", sagten sich heute viele Frauen, wenn die Chemie zwischen ihnen und ihrem Angetrauten nicht mehr stimme, so die Autorin.

Trotzdem hätten die Menschen einen hohen Respekt vor dem Ehegelöbnis, so Stephanie Coontz, nur seien eben die Maßstäbe für das, was eine "gute" Ehe ausmache, gestiegen.

Wann nun die Ehe oder das Eheleben in der Geschichte besser gewesen sei als heute, sei schwer zu beurteilen. "Das Leben ist kein Gerichtshof, wo der Präzedenzfall die Lösung ist."

Foto: Mit den besten Absichten: Am Beginn jeder Ehe steht die Hoffnung.


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