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05.05.07 / Wer schweigt, stimmt zu / Prinzipiell sollen alle Deutschen als Organspender zur Verfügung stehen - Widerspruch ist möglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Wer schweigt, stimmt zu
Prinzipiell sollen alle Deutschen als Organspender zur Verfügung stehen - Widerspruch ist möglich
von Rebecca Bellano

Würden Sie Leben retten? Kaum einer wird diese Frage verneinen, doch so, wie der Nationale Ethikrat das Thema in die öffentliche Diskussion getragen hat, löst es zumindest ein mulmiges Gefühl bei den meisten Menschen aus, denn hier geht es nicht nur um fremde Leben, sondern auch um den eigenen Tod - und mit dem setzt sich kaum einer gern auseinander.

Doch das Anliegen des Ethikrates ist durchaus redlich, denn er will, daß sich in Sachen Organspende etwas bewegt. Die Wartezeit auf eine Niere liegt beispielsweise bei fünf bis sechs Jahren. Jedes Jahr sterben in Deutschland 1000 Menschen, weil kein Spenderorgan für sie gefunden worden ist. Ihr Tod auf Grund von Organmangel wäre jedoch vermeidbar. Zwar wären gut 80 Prozent der Deutschen dazu bereit, bei einem Hirntod ihre Organe als Spender zur Verfügung zu stellen, doch einen Organspendeausweis tragen nur knapp 15 Prozent mit sich. Vor dem Schritt, sich einen Ausweis zu besorgen und somit aktiv über Dinge nach dem eigenen Ableben zu entscheiden, schrecken viele zurück. Manche wiederum wissen gar nicht, wo sie einen Ausweis erhalten, beziehungsweise sind zu träge, sich darum zu bemühen. Stirbt jemand und kommt als Spender in Frage, hat jedoch keinen Spenderausweis bei sich, müssen die Angehörigen entscheiden. Alleine diesen Personen gegenüber ist es nicht fair, sie neben dem Schock der Todesnachricht auch noch mit einer derart schwerwiegenden Entscheidung zu belasten. Wissen sie überhaupt, wie ihr hirntoter Angehöriger über das Thema gedacht hat, entscheiden sie jetzt gegen seinen Willen? Häufig haben auch Ärzte gar keine Lust und Motivation, sich und die Angehörigen mit dem Problem zu belasten. Was interessiert sie in diesem Moment irgendein 500 Kilometer entfernter Nierenkranker? Die Entscheidung für eine Transplantation bedeutet für sie nur Streß, mehr Arbeit und bringt der Klinik finanziell gesehen vergleichsweise wenig ein. Dies habe zur Folge, daß nur 45 Prozent der Klinken entsprechende Organspender an Eurotransplant melden würden, so der Ethikrat.

Also, so die Schlußfolgerung des Nationalen Ethikrates, sollen die Deutschen dazu aufgefordert werden, sich zu erklären. Jeder der keine Erklärung abgegeben habe, würde dann automatisch als Spender angesehen werden, es sei denn, die Angehörigen widersprechen. So manchem gruselt es bei der Vorstellung, daß er automatisch, wenn er keine Erklärung mit sich führt, als Spender angesehen wird. Für viele kommt es schon auf Grund ihrer Religion gar nicht in Frage, daß ihnen nach ihrem Tod Organe entnommen werden, denn schließlich müssen sie ja unversehrt ins Jenseits übergehen. Andere hingegen finden es einfach nur schrecklich, auseinandergeschnitten zu werden, oder haben Angst, daß die Ärzte, falls man gerade ihre Organe bräuchte, nicht mehr alles Mögliche tun würden, um sie zu retten. Bedeutete die neue Regel auch, daß jener, der es wagt zu sterben, ohne seinen Ausweis mit seinem Widerspruch mit sich zu führen, trotzdem spendet?

Das, was die Deutschen aufschreckt, ist in Frankreich, Österreich, Belgien und Slowenien an der Tagesordnung: Wer nicht explizit seinen Widerspruch fixiert hat, gilt automatisch als Spender.

Der Nationale Ethikrat versucht zu beruhigen: "Niemand muß befürchten, daß er einfach zur Organspende herangezogen wird", so die Vorsitzende Kristiane Weber-Hassemer. "Es soll erreicht werden, daß in möglichst wenigen Fällen Unklarheit darüber besteht, was der Betroffene für sich selber will." Man wolle gegen die millionenfache Gleichgültigkeit in der Sache vorgehen und die Menschen dazu zwingen, sich mit dem Spenden von Organen im Falle ihres Todes auseinanderzusetzen. Ihre Gleichgültigkeit koste im schlimmsten Fall das Leben anderer.

Es geht also um Leben und Tod - aber es geht auch um die Würde des Menschen. Ist das Überleben des Spendenempfängers höher zu werten als die Würde des Verstorbenen und sein möglicher Wunsch, im Tode unversehrt zu bleiben?

"Als wertkonservative Christen sollten wir für die Organspende werben und nicht die Menschen in Geiselhaft nehmen", warnt Volker Kauder von der CDU. Christa Stewens, CSU-Politikern, begrüßt hingegen den Vorstoß des Ethikrates: "Es erscheint mir moralisch und gesellschaftlich zumutbar, daß sich jeder darüber Gedanken macht, wie er im Falle seines Todes zur Organspende steht." Und so mancher Atheist versteht die Diskussion sowieso nicht, denn es mache keinen Sinn, Leben rettende Organe mit dem Restkörper des Hirntoten lieber nach einer Erdbestattung vermodern beziehungsweise bei einer Feuerbestattung verbrennen zu lassen.

Da der überwiegende Teil der Bevölkerung laut Umfragen durchaus bereit ist, als Spender zur Verfügung zu stehen, ist der Widerstand gegen eine Gesetzesänderung gar nicht so groß. Sollte man sich darauf einigen, daß jeder Bürger verpflichtet wird, sich zu erklären, ob er zu einer Organspende bereit ist, um diese Entscheidung dann auf seiner Krankenversichertenkarte zu vermerken, wäre dies ein Kompromiß, der Leben retten könnte, ohne die Würde des Spenders im Tode zu mißachten.

 

Eurotransplant - Vermittlungsstelle für Spenderorgane

Für alle, die in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Österreich, Slowenien oder Kroatien dringend ein Spenderorgan benötigen, ist Eurotransplant die zuständige Vermittlungsstelle. Die 1967 gegründete gemeinnützige Organisation hat ihren Sitz in Leiden in den Niederlanden und ist für ein Einzugsgebiet mit 118 Millionen Einwohnern zuständig.

Derzeit sind 70 Transplantationskliniken an das Vermittlungszentrum angeschlossen, das die Daten aller potentiellen Empfänger wie Blutgruppe, Gewebeeigenschaften, Erkrankungsursache und Dringlichkeit in eine Datei aufnimmt. Gilt ein hirntoter Patient als potentieller Spender werden seine Daten nach Leiden übermittelt und mögliche Empfänger ermittelt, deren Ärzte informiert, die dann alle Vorbereitungen zur Transplantation treffen. Nach seiner Gründung befaßte sich Eurotransplant erst nur mit Nierentransplantationen, dehnte dann aber seine Zuständigkeit im Laufe der Jahrzehnte auf die Vermittlung von Leber, Herz, Lunge und Zwölffingerdarm aus. Vergleichbare Institutionen sind Scandiatransplant für den skandinavischen Raum und Balttransplant für das Baltikum. Bel

Foto: Der Mensch als Ersatzteillager? Es mangelt an Organen, denn nur 15 Prozent haben einen Organspendeausweis.


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