26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.05.07 / Die Luft wird dünn / Kubas Kampf gegen Regimekritiker

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Die Luft wird dünn
Kubas Kampf gegen Regimekritiker
von Hans Heckel

Die Gründe, aus denen Kubas Kommunisten kritische Bürger für Jahre ins Gefängnis werfen, sind bisweilen so bizarr, daß sie sich kaum schrammenfrei ins Deutsche übersetzen lassen. Vor wenigen Tagen durfte Elio Chávez von der Oppositionsgruppe "Liberaldemokratische Bewegung" das Gefängnis verlassen. Er war Anfang 2005 wegen "desacato" zu drei Jahren politischer Haft verurteilt worden, von denen er zwei absitzen mußte. "Desacato" bedeutet laut Langenscheidts Handwörterbuch "Unehrerbietung". Man fühlt sich an aufgeblasene Duodezfürsten erinnert, die ihre Büttel von der Leine ließen, weil ihnen die Verbeugung eines Untertanen nicht tief genug erschien. Doch der, der sich hier nicht hinreichend geehrt fühlte, ist Fidel Castro, sozialistischer "höchster Führer" Kubas und vielen Linken auf der Welt noch immer eine (wenn auch manchmal heimliche) Ikone.

Chávez war einer von sieben Dissidenten, die, meist nach Verbüßung ihrer gesamten Haftstrafe, vergangene Woche aus dem Gefängnis freikamen. Am längsten hatte Jorge Luis García, genannt "Antúnez", in den Kerkern der sozialistischen Machthaber verbringen müssen - 17 Jahre und 37 Tage. Der damals 25jährige hatte es 1990 während einer Musicalvorführung in seinem Heimatstädtchen Placetas gewagt, Staatschef Castro öffentlich zu kritisieren. Daraufhin verurteilten ihn die roten Machthaber zu den 17 Jahren wegen "mündlicher Feindpropaganda", des "Versuchs von Sabotage" und - "desacato" gegenüber dem Staatsführer.

"Antúnez" machte sich seinen Kerkermeistern nach Kräften zur Plage. Schon 1991 trat er wegen der schlimmen Haftbedingungen in den Hungerstreik, 1995 gründete er hinter Gittern eine Selbsthilfegruppe für politische Häftlinge, die er nach Pedro Luis Boitel benannte. Boitel war einst im Widerstand gegen den von Castro in der Neujahrsnacht 1959 gestürzten Diktator Fulgencio Batista ebenso aktiv wie später gegen die linke Castro-Diktatur. Um "Antúnez" still zu kriegen und von den Mithäftlingen zu isolieren, zerrten die Kommunisten den unliebsamen Widersacher durch eine ganze Reihe von Hochsicherheitsgefängnissen des Landes.

Die lange Haft hinterließ tiefe Narben. "Ich habe das Gefängnis mit zerbrochener Seele verlassen", sagte "Antúnez" der spanischsprachigen US-Zeitung "El Nuevo Herald". Doch ans Aufgeben denkt er offenbar keine Sekunde. Die Flucht ins Ausland, die schon unzählige Kubaner angetreten sind, komme für ihn nicht in Frage. Er habe das Gefängnis verletzt, aber auch "fester und entschlossener" verlassen, denn "der Wandel im Volk findet schon statt". Zwar sehe er noch überall dieselbe Armut und dieselben linken Haßreden. Doch die Menschen seien offener geworden, die Bereitschaft, etwas zu ändern, sei gewachsen. Die Zeit hinter Gittern habe seinen Glauben an seine Sache nur verstärkt, für die er ohne Angst weiter streiten werde. Wenn es unumgänglich sei, sei er auch "bereit, dafür sogar wieder ins Gefängnis zu gehen", so "Antúnez".

Der wachsenden Aufgeschlossenheit des Volkes für neue Ideen steht indes ein Regime gegenüber, das sich nach Auffassung der kubanischen Opposition zunehmend verhärtet. Andeutungen aus Madrid, die Freilassung der Dissidenten sei womöglich ein Zeichen der Entspannung, wird von Dissidenten mit Nachdruck widersprochen. Spaniens Außenminister Miguel Ángel Moratinos hatte erst unlängst Havanna besucht und freundliche Gespräche geführt. Die konservative Opposition Spaniens kritisiert die sozialdemokratische Regierung regelmäßig, die linke Diktatur auf der Karibikinsel, die bis 1898 spanisch war, viel zu entgegenkommend zu behandeln. Um den Vorwürfen zu begegnen, hätte die Madrider Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero die Entlassungen gern als Erfolg ihrer sanften Diplomatie verkauft.

Doch der Vorsitzende der regimekritischen "Kubanischen Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung", Elizardo Sánchez, weist solche Spekulationen entschieden zurück. Die Häftlinge hätten ihre ungerechte Strafe ja verbüßt gehabt, von vorzeitiger "Befreiung" könne daher keine Rede sein. Ganz im Gegenteil sieht Sánchez mit Sorge, daß das kubanische Regime zu den brachialen Methoden aus der Anfangszeit des roten Terrors zurückkehre. Es gebe immer mehr Schnellgerichte, auch geheime Tribunale gegen Regimekritiker nähmen wieder zu. So habe ein solches Geheimgericht erst im April den 36jährigen Anwalt Rolando Posada zu zwölf Jahren hinter Gittern verurteilt, weil er angeblich Geheimnisse verraten habe und wegen "desacato". Dem Juristen Posada wurde laut Sánchez nicht einmal erlaubt, sich selbst zu verteidigen, er sei in Abwesenheit verurteilt worden.

In einem der berüchtigten Schnellverfahren verurteilten die Kommunisten etwa zur selben Zeit den 44jährigen Journalisten Óscar Sánchez Madan zu zwölf Jahren wegen "peligrosidad predelectiva" - was soviel heißt wie: Gefährlichkeit, die zu einem Delikt hätte führen können. Selbst nach den kruden Regeln des sozialistischen Unterdrückungsapparats konnte ihm also keine "Straftat" nachgewiesen werden, weshalb Castros Handlanger eine Schnellverurteilung ohne Möglichkeit der Verteidigung vorzogen. Sánchez Madan hatte lediglich für die oppositionelle Internetseite "Cubanet" geschrieben.

Die Art des Prozesses wie das drakonische Strafmaß deuten auf eine wachsende Nervosität der roten Herrscher hin, befördert durch das langsame Siechtum ihres greisen "Führers" Fidel Castro. Dem steht eine zunehmend entschlossen auftretende Opposition gegenüber. Die Luft wird dünn in Havanna.

Foto: Ganz wie in alten Tagen: Castro-Anhänger malen Jubel-Plakate für den 1.-Mai-Marsch.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren