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05.05.07 / Eine Kantate für Bux / Lübeck feiert ein Jahr lang den Komponisten und Organisten Dietrich Buxtehude zu dessen 300. Todestag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Eine Kantate für Bux
Lübeck feiert ein Jahr lang den Komponisten und Organisten Dietrich Buxtehude zu dessen 300. Todestag
von Klaus J. Groth

Bux? Bux was oder wer? In Lübeck stehen diese drei Buchstaben seit Beginn dieses Jahres großformatig auf Plakatwänden. Den 300. Todestag des Komponisten und Organisten an der Marienkirche Dietrich Buxtehude feiert die Stadt mit einem Buxtehude-Festival über Monate. Und "Bux", diese drei Buchstaben, sie stehen dafür.

Das mag manchem durchaus etwas flapsig vorkommen. Die Erinnerung an einen genialen Komponisten geistlicher Werke und ein etwas poppiges Kürzel für ein Gedenkjahr, paßt das zusammen? Der so geehrte Dietrich Buxtehude selbst hätte in dieser Hinsicht wahrscheinlich keine Bedenken gehabt. Er wußte, was er seinem Publikum schuldete und bediente es durchaus nach dessen Geschmack.

39 Jahre lang zog Dietrich Buxtehude in der Marienkirche zu Lübeck alle Register, bot er den Lübeckern eine "prächtige und starck besetzte Music". Er setzte damit die von seinem Vorgänger Franz Tunder 1640 begründeten Abendmusiken fort, die - bis heute aufgeführt - die älteste Kon-zertreihe der Welt sind. Die Anregung dazu hatten einst Kaufleute gegeben. Sie pflegten vor der Börse in die Marienkirche zu gehen, "da denn der Organist zum Vergnügen und zur Zeitkürzung etwas auf der Orgel vorgespielt hat, um sich bei der Bürgerschaft beliebt zu machen. Dieses ist sehr wohl aufgenommen worden, und von einigen reichen Leuten, die zugleich Liebhaber der Musik gewesen sind, ist er beschenkt worden. Der Organist ist dadurch angetrieben worden, auch einige Violinen und Sänger dazu zu nehmen." So der Bericht eines Zeitgenossen.

Aber das Bemühen, den spendablen Zuhörern stets etwas Besonderes zu bieten, verteuerte die Veranstaltung. So manches Mal sah sich Buxtehude zur Klage ob seiner Geldnot veranlaßt. Dennoch machte er aus den Abenden immer wieder besondere Ereignisse, nicht nur für den Musikfreund. So zum Beispiel 1705, als er zum Tod Kaiser Leopolds I. und zur Inthronisation Kaiser Josephs I. zwei Sonderkonzerte gab, bei denen auch Bach anwesend war. Das Programmheft, das gleichzeitig als Einlaßkarte diente, beschrieb das Spektakulum so: "In einer Illumination auf der jüngst reparierten und ganz vergoldeten Orgel präsentiert sich die Hohe Kaiserliche Leiche im Sarge auf dem Paradebette, worüber auf vier Palmenbäumen ein schöngezierter Himmel ruht. Dazu viele Engel mit Lichtern. Die beiden Musik-Chöre neben der Orgel sind schwarz bezogen." "Diterico Buxtehuden" hatte sein Publikum richtig eingeschätzt. Zwei Korporale und 18 Soldaten mußten wachen, damit das "grausame Getümmel des gemeinen Volkes und der ungezogenen Jungend" das Programm nicht störte. Unter solchen Störungen hatte schon sein Vorgänger Tunder leiden müssen.

Der 1637 im dänischen Oldesloe geborene Buxtehude war 1667 nach Lübeck gekommen, als sein Vorgänger Franz Tunder (1611 geboren) starb. Er heiratete die Tochter Tunders. Solche Verbindungen waren zu jener Zeit durchaus üblich. Starb der Organist, durfte die Witwe während eines "Gnadenjahres" Wohnung und Einnahmen behalten. Und wenn sich der Nachfolger im Amt auch noch familiär binden ließ, wurde das als großer Glücksfall angesehen.

Wahrscheinlich hat auch die bis heute immer wieder gern erzählte Geschichte von dem fatalen Ende musikalischer Pilgerfahrten in diesem Brauch ihre Wurzeln. Richtig an diesen Geschichten ist: 1703 wanderten Georg Friedrich Händel und sein Freund Johann Mattheson nach Lübeck. Sie interessierte das Amt des Marienorganisten - und Buxtehude war damals schließlich bereits 60 Jahre alt. Aber das Interesse der beiden Besucher erlosch rasch, "weil ... eine Heiraths-Bedingung bei der Sache vorgeschlagen wurde, wozu keiner von uns beiden die geringste Lust bezeigete". So begründete Mattheson die etwas abrupte Abreise.

Zwei Jahre später wanderte Johann Sebastian Bach 1705 nach Lübeck, um den großen Meister spielen zu hören. Und auch er, wird kolportiert, habe die Stadt fluchtartig verlassen, nachdem er Buxtehudes Tochter Margareta gesehen habe. Etwas später allerdings fand sich ein in dieser Hinsicht weniger empfindsamer Nachfolger im Amt: Johann Christian Schieferdecker nahm Buxtehude die Sorge um die Versorgung der Tochter.

Als Dietrich Buxtehude am 9. Mai 1707 starb, da hinterließ er ein Werk, das aus 120 Kantaten, 90 Orgelwerken und etwa 50 Stücken für Cembalo bestand. Das war für einen großen Meister ein durchaus überschaubarer Nachlaß. Aber als Organisator der Abendmusiken war er in gleichem Maße Komponist und - wie wir heute sagen würden - Musikmanager. Denn er öffnete seine Abendmusiken nicht nur für die besseren Stände. Kommen durfte jeder.

Das allerdings ging bei mangelhaftem Kunstsinn nicht immer ohne Störungen ab. Deshalb zwackte Buxtehude auch stets einen kleinen Obolus für die Ratswache ab, die bei allzu störender Unruhe einschritt. Der Mann mußte eben mit allem rechnen. Weil er bei den vielen Zuhörern, die zu seinen Abendmusiken in die Marienkirche kamen, auch nicht immer auf ein großes Musikverständnis rechnen durfte, sind die für diesen Zweck geschriebenen Kompositionen wirkungsvoller, aber harmonisch weniger anspruchsvoll als die für kleineres Publikum komponierte Vokalmusik.

Im Rahmen seiner Möglichkeiten war Dietrich Buxtehude also durchaus um Popularität bemüht. Und darum darf er in seinem Festjahr auch "Bux" genannt werden.

 

Höhepunkte der Festwoche im Mai

Eröffnungskonzert: "Herzlich lieb hab ich dich, o Herr" - Buxtehude und seine Zeit Cantus Cölln, Konrad Junghänel, Sonnabend, 5. Mai, 20 Uhr, St. Jakobi

Kantaten I - "Wo soll ich fliehen hin?" Amsterdam Baroque Orchestra & Choir, Ton Koopman, Sonntag, 6. Mai, 20 Uhr, St. Marien

Kammerkonzert: Buxtehudes Instrumentalmusik im europäischen Kontext, Gustav Leonhardt, Cembalo; Sigiswald Kuijken, Violine und Violoncello da spalla; Sara Kuijken, Violine; Wieland Kuijken, Viola da gamba, Montag, 7. Mai, 20 Uhr, St. Aegidien

Abendmusik - "Wacht! Euch zum Streit gefasset macht!" Musica Fiata und La Capella Ducale, Roland Wilson, Dienstag, 8. Mai, 20 Uhr, Dom

"Membra Jesu Nostri" - Gedenkkonzert zum 300. Todestag Dietrich Buxtehudes, NDR-Chor, Hille Perl und Ensemble Sirius Viols, Robin Gritton, Mittwoch, 9. Mai, 20 Uhr, St. Marien

"Jubilate Domino" - Solo-Kantaten von Buxtehude und Zeitgenossen, Andreas Scholl, Basel Consort, Donnerstag, 10. Mai, 20 Uhr, Dom

Kantaten II - "Frohlocket mit Händen", Amsterdam Baroque Orchestra & Choir, Ton Koopman, Sonnabend, 12. Mai, 20 Uhr, St. Jakobi

Ausstellungseröffnung und Empfang, Ensemble Musica poetica, Jörn Boysen, Sonntag, 6. Mai, 12.30 Uhr, St. Annen-Museum


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