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05.05.07 / Zuversicht durch Gott / Religiöse Paare entscheiden sich öfter für Kinder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Zuversicht durch Gott
Religiöse Paare entscheiden sich öfter für Kinder
von Daniela Haussmann

Hängen Religion und Demographie ganz eng zusammen? Religionswissenschaftler Dr. Michael Blume von der Karl-Ruprecht-Universität Heidelberg meint Ja und stellt damit bisherige Annahmen in Biologie und Soziologie auf den Kopf. "Religiosität ermutigt Menschen dazu, mehr Kinder zu bekommen", fand der Forscher heraus. Seine Untersuchungsergebnisse stützen sich dabei auf umfangreiches Datenmaterial, mit dem er an ältere Forschungen anknüpft.

Bereits in den 80er Jahren stellten Demographen einen ersten Zusammenhang zwischen Bethäufigkeit und Kindersegen her. Zusammen mit anderen Wissenschaftlern verfolgte Blume diesen Ansatz weiter und fand heraus, daß religiöse Paare in Deutschland im Schnitt auf 2,1 Kinder kommen, nicht-religiöse hingegen auf 1,1. Daß seine Erkenntnisse und die damit verbundenen Schlußfolgerungen nicht aus der Luft gegriffen sind, beweist auch eine unabhängige Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft.

"Religion überlebt, weil sie Kinder zeugt, nicht weil sie wahr ist", hat der österreichische Ökonom Friedrich Hayek jene Bibelstelle kommentiert, in der es heißt: Seid fruchtbar und mehret Euch. "Seit Jahren beobachten Demographen, daß überall auf der Welt religiöse Menschen, unabhängig davon ob sie Christen, Muslime, Hindus oder Juden sind, durchschnittlich mehr Kinder haben. Eine richtige Erklärung dafür fehlte bislang", erläutert der 30jährige. "Wir begannen unter anderem die Daten einer Allbus-Studie (Allgemeine Bevölkerungsbefragung der Sozialwissenschaften) aus dem Jahr 2002 auszuwerten." In ihr wurden mehrere tausend Deutsche zum Zusammenhang zwischen Religion und Kindern befragt. Dabei ergab sich für den Forscher aus Baden-Württemberg und seine Studenten eine Korrelation zwischen der Kinderzahl der 35- bis 45jährigen und ihrer religiösen Selbsteinschätzung, gemessen an der Bethäufigkeit.

Dafür, daß die Geburtenraten im Bundesgebiet rückläufig sind, wurden in einer Allensbach-Befragung mehrere Gründe angeführt. Die Befragten machten ihre soziale und wirtschaftliche Stellung ebenso wie ihre Zweifel, heutzutage noch eine stabile Paarbeziehung führen zu können, für die Nicht-Realisierung ihres Kinderwunsches verantwortlich. "Heute muß niemand mehr aus wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Gründen heiraten, Kinder kriegen oder sich überhaupt langfristig binden, es gibt immer weniger weltliche Gründe dafür", erklärt Blume. "Viele Paare schieben Ehe und Kinder deshalb so lange auf, bis sie sich wieder auseinandergelebt haben. Religiöse Menschen hingegen glauben, daß Gott mit der Ehe ein Zusammenleben wünscht, das von Zusammenhalt und auch vom Kindersegen lebt." Entsprechend werde eher geheiratet und eine Familie geplant.

Laut einer Schweizer Volkszählung aus dem Jahr 2000 hätten 18,5 Prozent der konfessionslosen Paare ohne Trauschein zusammengelebt, aber nur 1,5 Prozent der Mitglieder von Pfingstkirchen. Daraus abgeleitet bescheinigt der Heidelberger Forscher, daß gerade wenn die sozialen, politischen und ökonomischen Gründe für Ehen wegfallen, für höhere Geburtenraten das ausschlaggebend sei, was überweltlich geglaubt werde.

"Grundsätzlich gilt, daß religiöse Familienmodelle eine positive Wirkung auf die Fortpflanzung haben, wenn sie freiwillig befolgt werden", führt der Heidelberger Forscher weiter aus. "Religiosität wird damit als Teil der Evolution des Menschen erkennbar. Das vermutete schon Darwin. Aus Religion entwickeln sich dann Traditionen, die sich über Jahrtausende hinweg ausdifferenzierten bis hin zur Institutionalisierung."

Deshalb könne man heute sagen, daß, je mehr die Religion durch traditionelle Werte reglementiert werde, beispielsweise wenn es darum gehe, wie Kinder zu erziehen seien, ihre positiven Effekte auch zurückgedrängt werden könnten. In europäischen Ländern mit politisch einflußreichen Großkirchen, die ein sehr traditionelles Familienmodell vermitteln, wie Griechenland und Polen, stellt Blume deutliche Geburtenrückgänge fest. In Ländern mit einer modernen Familienförderung, wie Schweden oder Frankreich, deutlich höhere Geburtenraten. "Traditionen haben sich immer auf ein bestimmtes Umfeld hin entwickelt und das verändert sich nun einmal. Darauf gilt es mit einer zeitgemäßen Gestaltung der Familienbilder und Familienpolitik Antworten zu finden", gibt Michael Blume zu verstehen. "Dazu gehört in einer modernen Gesellschaft wie der Bundesrepublik für Frauen endlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen. In Frankreich und Schweden ist diese Vereinbarkeit gewährleistet. Entsprechend hoch sind die Geburtenraten. Hier sollte die Politik also mutiger sein und sich auch gegen Traditionalisten durchsetzen." Während der Industrialisierung sei es sinnvoll gewesen, Mütter von der Arbeit freizustellen, doch dieses Modell sei lange überholt. Für die Bundesbürger müßte in Fragen von Betreuung und Erziehung eine echte Wahlfreiheit geschaffen werden.

Damit würde dem institutionalisierten biblischen Grundgedanken "seid fruchtbar und mehret Euch" jene von traditionellen Wertvorstellungen losgelöste Freiheit eingeräumt, die er brauche, um wirksam zu werden. Denn Religion habe sich in der Evolution zur Bewältigung von Veränderung und nicht als reines Mittel der Beharrung entwickelt. "Bereits die Neandertaler haben ihre Toten bestattet. Und das nicht, weil es ihnen traditionell vorgegeben war", eröffnet Blume den wissenschaftlichen Hintergrund seiner demographischen Überlegungen. "Religiosität erscheint damit als genetische Veranlagung, die sich in Religionen und Traditionen ausprägt." Deutlich wird dieser Umstand für Blume daran, daß die deutsche Familienpolitik zu lange am traditionellen Familienbild des Alleinverdieners festgehalten habe. "Religionsgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Neuapostolische Kirche, die das immer noch vertreten, haben heute deutlich weniger Kinder als evangelische Freikirchen, in denen auch die Mütter weiter arbeiten dürfen." Deshalb, so die Forderung des Religionswissenschaftlers, solle in Deutschland ein politischer Weg gefunden werden, der einerseits die Religionen achte und mit ihnen zusammenarbeite, sich aber von ihnen kein traditionelles Familienbild vorschreiben lasse. Solange hier kein Wandel stattfinde, würde die Intention bundesdeutscher Familienpolitik weiterhin ihre eigentliche Zielrichtung verfehlen.

Foto: Familie ist besonders wichtig: Ehepaar besucht mit seinen Töchtern einen Gottesdienst in Mainz.


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