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05.05.07 / Der erste gitterlose Zoo der Welt / Vor 100 Jahren wurde im damals preußischen Stellingen bei Hamburg der Tierpark Hagenbeck eröffnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Der erste gitterlose Zoo der Welt
Vor 100 Jahren wurde im damals preußischen Stellingen bei Hamburg der Tierpark Hagenbeck eröffnet
von Corinna Weinert

Europas schönster Park, wie sich der Tierpark Hagenbeck nennt, ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Der Tierpark blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. In diesem Jahr feiert der Tierpark Hagenbeck sein 100jähriges Bestehen.

Im weitesten Sinne nahm der Tierpark Hagenbeck seine Anfänge mit sechs Seehunden, die der Fischhändler Gottfried Clas Carl Hagenbeck 1848 auf dem Spielbudenplatz in Hamburgs Stadtteil St. Pauli ausstellte. Die Tiere waren Fischern ins Netz gegangen und ihm als Beifang geliefert worden. Hagenbeck kaufte dann gelegentlich exotische Tiere von Seeleuten und begann so sein anfänglich bescheidenes Tierhandelsgeschäft, das er ab 1863 als Handelsmenagerie auf dem Spielbudenplatz betrieb.

Schon bald darauf übernahm Carl Gottfried Heinrich Hagenbeck, der älteste Sohn von Gottfried Clas Carl Hagenbeck, das Geschäft und baute es zum größten Tierhandelshaus der Welt aus. Carl Gottfried Heinrich Hagenbeck sandte eigene Tierfangexpeditionen in die ganze Welt, unterhielt Außenposten in vielen Ländern. 1874 eröffnete er am Neuen Pferdemarkt "Carl Hagenbecks Thierpark".

Dort konnten ab 1875 nicht nur Tiere bestaunt werden, sondern auch fremde Völker, die Carl Hagenbeck nach Hamburg holte und von dort aus durch ganz Europa reisen ließ. 1887 eröffnet Carl Hagenbeck dann seinen ersten "Circus" auf dem Heiligen Geistfeld in Hamburg und führte die zahme Dressur von Wildtieren ein. Mit einer selbst entwickelten gitterlosen, transportablen Freianlage, in der arktische Tiere gezeigt wurden, ging er bald darauf auch auf Tournee. Einige Jahre später begann Carl Hagenbeck einen "Tierpark ohne Gitter" zu planen.

Vor 100 Jahren eröffnete er dann in dem damals preußischen Ort Stellingen, der heute zu Hamburg gehört, den ersten gitterlosen Zoo der Welt. Während die Tiere zu damaliger Zeit üblicherweise nach strengen artspezifischen Kategorien gezeigt wurden, herrschte in Carl Hagenbecks Tierpark ein anderes Ordnungsprinzip: Die Freisichtanlagen und Gehege waren Landschaften nachempfunden, die dem natürlichen Lebensraum der Tiere entsprachen. "The animals are not in the cage, they are on stage" (Die Tiere sind nicht im Käfig, sie sind auf der Bühne), kommentierte einst Thomas A. Edison bei seinem Besuch im Tierpark von Carl Hagenbeck. Die Freisichtanlagen demonstrierten die Tierwelt der Kontinente; es gab Bereiche für Afrika, Nord- und Südamerika sowie das Eismeer. Später kamen die Bereiche Asien und Australien hinzu.

Die damals revolutionäre Idee der artgerechten Darbietung exotischer Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum wurde von vielen zoologischen Gärten nachgeahmt.

Eine weitere Attraktion entstand mit der 1908/09 fertiggestellten Urweltlandschaft, in der lebenstreu und in natürlicher Größe nachgebildete Skulpturen von Dinosauriern zu sehen sind - in Europa damals einmalig.

Nach dem Tod von Carl Hagenbeck führten seine beiden Söhne Heinrich und Lorenz Hagenbeck das Lebenswerk ihres Vaters gemeinsam fort. 1916 gründete Lorenz den neuen "Circus Carl Hagenbeck", mit dem er fast die ganze Welt bereiste und den Namen Hagenbeck bekannt machte.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Tierpark komplett zerstört; mit enormem Einsatz baut die Familie Hagenbeck ihn daraufhin noch größer und schöner wieder auf.

Die Anlage umfaßt derzeit ungefähr 25 Hektar und ähnelt tatsächlich mehr einem Park als einem Zoo. Die Gehege und Freiflächen sind weiträumig verteilt und von üppigen Pflanzungen unterbrochen. Im Panoramastil werden noch heute Tiere des gleichen Lebensraumes vorgeführt, wobei verborgene Gräben oder Besucherwege unverträgliche Tierarten geschickt voneinander trennen. Auf den Rasenflächen, die den freilaufenden Tieren vorbehalten sind, tummeln sich Pampashasen und verschiedene Vögel. Durch einen raffinierten Rundgang, der kreuz und quer an 66 Besichtigungspunkten vorbeiführt, wirkt die Anlage noch wesentlich größer, als sie tatsächlich ist.

Im Tierpark leben 210 Tierarten, von denen 28 vom Aussterben bedroht sind. Internationale Zuchtprogramme, an denen sich der Tierpark beteiligt, sollen dazu beitragen, gefährdete Tierarten zu erhalten. Mit dem Nachwuchs will man gegebenenfalls Wildbestände vergrößern.

Bauwerke wie der nepalesische Pagoden-Tempel und die thailändische Sala, die in den Herkunftsländern in traditioneller Technik erbaut beziehungsweise vorgefertigt wurden, zeigen die Bemühungen der Familie Hagenbeck, fremden Kulturen in unserem Land eine Plattform zu geben.

Im Tierpark lebte lange Jahre das pazifische Walroß Antje, das zwischen 1978 und 2001 ein Maskottchen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) war. Ein kurzer Film mit Antje diente dem werbefreien NDR-Fernsehen als Pausenfüller. Der Film, und damit das Tier, wurde schnell zum Publikumsliebling, so daß der NDR das Walroß später sogar in sein Logo aufnahm. Das Logo wurde 2001 im Rahmen einer Design-Erneuerung allerdings wieder abgeschafft. 2003 verstarb Antje; ihr Tod wurde sogar im Fernsehen gemeldet. Das Walroß wurde dermoplastisch konserviert und ist nun im Zoologischen Museum der Universität Hamburg zu sehen.

Der Tierpark Hagenbeck wird mittlerweile in der sechsten Generation als familiengeführtes Unternehmen geleitet. Die Betriebskosten, die sich täglich auf rund 24000 Euro belaufen, muß der Tierpark über die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern decken, da er keine regelmäßigen staatlichen Zuwendungen erhält.

Seit 1997 steht die gesamte Anlage unter Denkmalschutz. 2003 hat der Tierpark als erster Zoo in Deutschland ein internationales Umweltsiegel erhalten. Im Jubiläumsjahr bekommt der Tierpark Hagenbeck wiederum als erster Zoo in Deutschland einen Eintrag in das Markenhandbuch "Deutsche Standards - Marken des Jahrhunderts".

Im Jubiläumsjahr eröffnet auch das neuartige Erlebnis-Aquarium mit Tropenwelt. Das Gebäude, das eine Klosteranlage nachbildet, beherbergt Tiere aus dem tropischen und subtropischen Urwald, die Unterwasserwelt der tropischen Meere und die Höhlen- und Grottenbewohner der Unterwelt.

Für 2008 hat das Familien-Unternehmen ein Themen-Hotel geplant. Das Haus soll im kolonial-exotischen Stil entstehen und über 150 Zimmer auf fünf Stockwerken verfügen.

Die PAZ verlost fünfmal zwei Freikarten für einen Besuch des Tierparks. Interessenten wenden sich bitte schriftlich an die Preußische Allgemeine Zeitung, Stichwort "Hagenbeck", Parkallee 86, 20144 Hamburg.

Foto: Haupteingang des Tierparks Hagenbeck: Die Tierbronzen auf dem Jugendstiltor stammen von dem 1882 in Köln geborenen und 1946 in Düsseldorf gestorbenen Tierplastiker Josef Pallenberg.


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