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12.05.07 / Erfolg für Tempelhof / Volksentscheid nimmt erste Hürde - doch Wowereit-Senat will stur bleiben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-07 vom 12. Mai 2007

Erfolg für Tempelhof
Volksentscheid nimmt erste Hürde - doch Wowereit-Senat will stur bleiben
von Peter Westphal

In seinem Kampf gegen den Erhalt des Zentralflughafens Tempelhof gerät der rot-rote Berliner Senat zunehmend in Bedrängnis. Mit ihrer Mehrheit halten SPD und PDS/Linkspartei verbissen daran fest, den Innenstadtflugplatz zu schließen. Doch der Widerstand aus Wirtschaft und Bevölkerung formiert sich immer mehr und hat auf dem Weg zum "Volksentscheid" die erste Hürde genommen.

Nachdem die Initiative zum Weiterbetrieb des Flughafens (ICAT e.V.) Ende März die Unterschriften für den Antrag auf ein Volksbegehren eingebracht hatte, wurde jetzt vom Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás deren Gültigkeit bestätigt. Mindestens 20000 Berliner hätten teilnehmen müssen, fast 30000 waren es am Ende. Nun soll der Senat von Berlin zu dem Antrag Stellung beziehen. Die Stellungnahme lag bei Redaktionsschluß indes noch nicht vor.

Nach der Wortmeldung des Senats hat das Abgeordnetenhaus dann vier Monate Zeit, über den Inhalt des Antrages der ICAT abzustimmen. Sollte - was nach aktueller Situation zu erwarten ist - die rot-rote Mehrheit an der Schließung festhalten, kann die Bürgerinitiative den Beginn des Volksbegehrens einleiten, für das die Initiative dann in nur vier Monaten mindestens 170000 Berliner Unterschriften sammeln muß.

Nach Abschluß dieser zweiten Stufe würde das Abgeordnetenhaus erneut über den Antrag zur Offenhaltung des Flugbetriebs in Tempelhof zu entscheiden haben. Gäbe es dort wieder keine Zustimmung, müßte ein Wahltag für den Akt eines "Volksentscheids" bestimmt werden. Für einen Erfolg müßten über 50 Prozent der Teilnehmer mit Ja stimmen, wobei die Summe dieser Ja-Stimmen mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten repräsentieren müßte, nach derzeitigem Stand über 600000 Berliner. Das Ergebnis wäre indes wieder nur ein Appell wie ein Antrag im Abgeordnetenhaus, den das Parlament erneut ablehnen könnte.

Unzulässig wäre das Begehren, wenn es sich gegen eine rechtlich bindende Entscheidung richtete, die auf politischer Ebene gar nicht mehr zu beeinflussen wäre. In einer vertraulichen Vorlage der Senatsinnenverwaltung, die der "Berliner Morgenpost" vorliegt, soll das Volksbegehren jedoch bereits für zulässig erklärt worden sein. Mit anderen Worten: Rechtlich ist zu Tempelhof noch alles offen und liegt letztlich in den Händen des Parlaments.

Damit wird den früheren Einlassungen von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) widersprochen, die bislang immer behauptet hatte, der Schließungsbescheid sei ein rechtlich bindender Vertrag zwischen dem Senat und der "privatrechtlich organisierten" Flughafengesellschaft, an dem schon aus formalen Gründen nicht mehr zu rütteln sei - offenbar eine Ausrede, um der politischen Entscheidung auszuweichen.

Das Vorschieben eines "bindenden Vertrages", der einen Weiterbetrieb unmöglich machte, wirkte von Anfang an abstrus. Klaus Wowereit ist als Regierender Bürgermeister nämlich auch Aufsichtsrats-Vorsitzender der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH. Er hat den Vertrag also mit sich selbst abgeschlossen. So kam es zu der - wie die ICAT sagt - "höchst merkwürdig(en)" Situation, "daß ein einzelner Mensch über Wohl und Wehe eines Internationalen Verkehrsflughafens entscheiden kann". Komplettiert wird die absurde Situation lediglich noch durch den Umstand, daß der vehementeste Tempelhof-Gegner, Wowereit, selbst aus Tempelhof stammt!

Obwohl Wowereit und sein rot-roter Senat mit ihrer sturen Ablehnung mittlerweile mutterseelenallein stehen, lassen sie sich in ihrer - auch wirtschaftspolitisch - nicht nachvollziehbaren Blockadepolitik nicht beirren. Während Wowereit den Flugverkehr in Tempelhof bereits zum Herbst 2008 schließen will, beraubt er sich schon heute seiner argumentativen Lufthoheit. Denn fast 75 Prozent aller Berliner votieren nach einer Umfrage für eine Weiterführung des Flugbetriebs in Tempelhof (PAZ 14/07), darunter selbst eine Mehrheit unter den Wählern von SPD und Linkspartei!

Geradezu skandalös erscheinen vor diesem Hintergrund die jüngsten Umtriebe der Stadtenwicklungssenatorin Junge-Reyer. Die SPD-Politikerin hat ein "Entwidmungsverfahren" für den Flughafen Tempelhof eingeleitet. Damit will sie das auf dem Weg befindliche Volksbegehren auf dem Verwaltungswege aushebeln, ein perfider Versuch.

Derweil bekommt die ICAT Rückendeckung auch von ganz anderer Seite. So weist in einer Pressemitteilung vom 2. Mai der Bürgerverein Brandenburg-Berlin e.V. (BVBB), der sich gegen den Großflughafen Schönefeld gegründet hatte, "die Unterstellungen von Wowereit und Platzeck entschieden zurück". Die SPD-Länderchefs von Berlin und Brandenburg hatten in der Öffentlichkeit gedroht, daß die BBI-Gegner (sprich: BVBB) gegen den BBI klagten, wenn Tempelhof weiterbetrieben würde.

Die BVBB versichert dagegen, allenfalls wegen der ungeklärten Frage der Nachtflüge auf dem künftigen Großflughafen BBI südöstlich von Berlin nochmals gegen das Großvorhaben zu klagen. Ihr Fazit ist knapp: "Wer vier Start- und Landebahnen in Tegel und Tempelhof aufgibt, um auf zwei Start- und Landebahnen den Flugbetrieb mit Milliardenkosten und Steuergeldern einzuschränken, hat von der Betreibung zukunftsorientierter Flughäfen nichts verstanden." Auf dem nach Plänen des rot-roten Senats dann einzigen Flughafen Berlins würden so von 22 bis 6 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt.

Foto: Kann das neue Luftkreuz den Zentralflughafen ersetzen? Der Geschäftsführer des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) Rainer Schwarz, Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und BBI-Geschäftsführer Thomas Weyer (v. l. n. r.) setzten vergangenen Herbst den ersten Spatenstich für den neuen Großflughafen in Schönefeld.


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