29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.05.07 / Berlin will Oldtimer aussperren / Ganze Innenstadt wird "Umweltzone": Historischer Autokorso soll Politiker zur Vernunft bringen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-07 vom 12. Mai 2007

Berlin will Oldtimer aussperren
Ganze Innenstadt wird "Umweltzone": Historischer Autokorso soll Politiker zur Vernunft bringen
von Peter Westphal

Im Jahre 1899 erlebte Paul Linckes Operette "Frau Luna" ihre umjubelte Uraufführung und das daraus stammende Lied von der "Berliner Luft" (mit dem Duft, wo nur selten was verpufft) ging um die Welt, oder wenigstens durch Europa. 100 Jahre später kam von dort, genauer: von den Schreibtischen der EU-Bürokratie, die Feinstaub-Richtlinie der EU vom 22. April 1999.

Im Frühjahr 2006 hat das Bundesumweltministerium die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt und die Kennzeichnung von Fahrzeugen mit Schadstoff-Plaketten beschlossen.

Mit Hilfe der Verordnung soll der Kraftfahrzeugverkehr in sogenannten "Umweltzonen" dauerhaft für bestimmte Fahrzeuge verboten werden, wobei die Ausweisung der "Umweltzonen" den Ländern und Kommunen obliegt. Sollte die Feinstaubbelastung in den Zonen an mehr als 35 Tagen im Jahr über den zulässigen Grenzwerten liegen, sind die Städte verdonnert, sogenannte Luftreinhaltungspläne vorzulegen.

So weit soll es in Berlin nicht kommen. Also hat der Senat gleich die gesamte Region innerhalb des weiträumigen S-Bahnrings, zur "Umweltzone" erklärt. Damit ist künftig etwa jeder siebte Fahrzeughalter von einem Fahrverbot betroffen.

In unzähligen Fällen ergäben sich so inmitten einer Straße groteske, unsichtbare Grenzziehungen. Autofahrer, die mit dem Wagen aus ihrer Heimatstadt wieder zu ihrer Wohnung nach Berlin-Mitte fahren, müßten ihr Auto womöglich statt vor der Haustür eine halbe Stunde zuvor am Rand der Innenstadt parken.

Eine besondere Situation entsteht für die in Berlin ansässigen zirka 4000 bis 6000 Besitzer von historischen Autos. Sie dürften ihre Gefährte ab nächstem Jahr nur noch 700 Kilometer über das ganze Jahr verteilt innerhalb der Umweltzone bewegen. Ein Fahrtenbuch wird die Strecken genau dokumentieren. Zum 1. Januar 2010 werden die Grenzwerte noch einmal verschärft und die Gesamtfahrstrecke pro Jahr auf 500 Kilometer verkürzt. Ungeklärt ist indes nicht nur, wie der Gesetzgeber mit älteren Fahrzeugen ohne Kilometerzähler umgehen will, sondern auch, was mit Fahrzeugen auswärtiger Besitzer geschehen soll.

Verschiedene deutsche Städte wollten bereits dieses Jahr Umweltzonen einführen. Wegen vielfacher Probleme und angesichts heftiger Proteste haben sie das Vorhaben ebenfalls auf Anfang 2008 verschieben müssen. Inzwischen hat die den Städten und Kommunen eingeräumte Möglichkeit, regionale Ausnahmeregeln zu erteilen, zu einem unüberschaubaren Chaos geführt. Wegen des sich abzeichnenden Flickenteppichs von Regelwerken hat die FDP im Bundestag Anfang März einen Antrag eingebracht, der zumindest Oldtimer generell von Fahrverboten ausnehmen will. Aktiv geworden ist inzwischen auch die CDU/CSU-Fraktion. Sie hat, angeführt vom Abgeordneten Jens Köppen, einen weitergehenden Antrag eingereicht, der neben generellen Ausnahmen für historische Wagen und Benziner auch eine zeitlich befristete Übergangsregelung für Anwohner und betroffene Unternehmen vorsieht.

Um dem Innenstadt-Fahrverbot für ältere Autos entgegenzutreten, hatten bundesweit mehr als 7500 Oldtimer-Besitzer am 15. April in verschiedenen deutschen Großstädten Sternfahrten unternommen. Ihr Ziel ist es, Ausnahmen für ihre immerhin als Kulturgut steuerlich begünstigten Wagen von den Städtesperrungen und Schadstoffplaketten zu erreichen. Auf einer Pressekonferenz im exklusiven Meilenwerk, dem auf Oldtimer-Kultur ausgerichteten ehemaligen zentralen Straßenbahndepot Berlin, hatte die Initiative Mobiles Kulturgut Berlin e.V. am 10. Mai zu einer Pressekonferenz geladen, im Blick den bundesweiten Aktionstag gegen Fahrverbote an diesem Sonnabend. Dann nämlich soll sich "eine Lawine historischen Blechs" vor der Deutschlandhalle am Messedamm aufbauen, die in einem Korso zum Schloßplatz rollen soll, wo die Abschlußkundgebung stattfindet. Die Veranstalter erwarteten bei Redaktionsschluß bis zu 1500 historische Karossen.

Der Berliner Luft wird das kaum etwas anhaben können: In den vergangenen 15 Jahren ist die Feinstaubbelastung in Deutschland ohnehin um 85 Prozent zurückgegangen. Bis Brüssel aber hat sich das wohl noch nicht rumgesprochen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren