24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.05.07 / Ums Überleben / Flucht aus Deutsch-Eylau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-07 vom 12. Mai 2007

Ums Überleben
Flucht aus Deutsch-Eylau

In "Entkommen" berichtet Lutz Radtke nicht nur von seiner glücklichen Kindheit in der ostpreußischen Kleinstadt Deutsch-Eylau, sondern schildert auch die Zeit der Flucht aus seiner ostpreußischen Heimat vor der sowjetischen Armee im Zweiten Weltkrieg.

Viele Schwarzweißabbildungen veranschaulichen die idyllischen Beschreibungen der Heimatstadt des Autors, in dem das Strandbad eine ganz besondere Attraktion für die Bürger darstellte.

"Dazu ein Strandbad, 1927 unter der Regie meines Vaters Max Radtke gebaut, das, wie man behauptete, das schönste und größte in ganz Ostpreußen gewesen sein soll. Jedes Jahr wurde weißer Dünensand vom Frischen Haff mit einem Oberländer Kahn gebracht und aufgeschüttet."

Weit weniger idyllisch sind die Berichte Lutz Radtkes über die Flucht aus Deutsch-Eylau und die Schreckensszenarien, die er zum Beispiel bei der Beschreibung des von der Roten Armee überfallenen Ortes Nemmersdorf heraufbeschwört.

"Klirrende Kälte. Der Wind trieb Schneeflocken vor sich her, die sich ein Plätzchen auf Dächern, Zäunen und Straßen suchten. Die kleine Stadt lag friedlich und still unter einer weißen Decke. ,Lutz, schnell, aufstehen!' Die Stimme meiner Mutter klang anders als sonst. Sie hatte mich aus tiefem Schlaf geweckt, und ich fand nur langsam in die Wirklichkeit. ,Schnell, beeil dich. Du mußt dich anziehen!' ,Warum? Was ist?' ,Die Sirene. Hörst du nicht die Sirene?' ... Unser Ziel in dieser Nacht war Groß Tuchen. Das waren vielleicht 100 Kilometer Langsamkeit auf Nebenstraßen. Zum Teil schneeverweht ... Wir hatten Groß Tuchen erreicht, die erste Etappe auf der Flucht durch Hinterpommern war geschafft ... Wir standen vor der Dorfschule. Drinnen schlugen uns Schwaden dicker, verbrauchter Luft entgegen. Halbbekleidete Menschen. Zerzauste Haare. Bleiche Gesichter. In einer Ecke ein Herd, auf dem gerade Kaffee gekocht wurde. Und darüber Kleidungsstücke, die augenscheinlich getrocknet werden sollten. Nein, schön war das alles nicht. Aber war das wichtig?"

Mit viel Herzblut schildert Lutz Radtke in "Entkommen" seine ganz persönlichen Erinnerungen an die angstvolle Flucht und das erleichterte Aufatmen, als die Familie in Bremen zwar auf kein zweites "Zuhause", aber auf Sicherheit stieß, sowie seinen beruflichen Aufstieg nach Kriegsende in den Vorstand eines bekannten Reifenherstellers.

Auch das Wiedersehen mit seiner Heimat und seinem Elternhaus im heute polnischen Ilawa enthält Radtke dem Leser nicht vor. Und auch hier geben die Schwarzweißabbildungen dem Erzählten eine ganz individuelle Note. A. Ney

Lutz Radtke: "Entkommen - Mein Weg durch Chaos, Krieg und Kälte", Ares Verlag, Graz 2007, geb., 166 Seiten, 19,90 Euro, Best.-Nr. 6099


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren