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12.05.07 / Jesus und seine Jünger / Wissenschaftliche Evangelien-Analyse von Joseph Ratzinger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-07 vom 12. Mai 2007

Jesus und seine Jünger
Wissenschaftliche Evangelien-Analyse von Joseph Ratzinger

Das Buch war noch nicht ganz auf dem Markt, da führte es schon die Bestseller-Listen an. "Jesus von Nazareth" ist allerdings alles andere als massentaugliche Lektüre, doch trotzdem wird das Buch massenhaft gekauft. Der Grund dürfte der Autor sein: Es ist Papst Benedikt XVI. Jedenfalls als Co-Autor, Hauptautor ist Joseph Ratzinger. Daß hier ein und dieselbe Person mit zwei Namen genannt wird, geschieht mit Absicht, der Papst hat seinen bürgerlichen Namen zuerst genannt, da er mit diesem Buch zu einer Diskussion aufrufen möchte, die mit einem Bürgerlichen doch deutlich besser zu führen ist als mit dem Stellvertreter Gottes auf Erden.

Wer aber hofft, daß Joseph Ratzinger ihm in der Publikation den Menschen Jesus und seine Lebensgeschichte näherbringt, der wird enttäuscht. Berührendes gibt es in "Jesus von Nazareth" kaum - jedenfalls nicht über Jesus. Dafür berührt der deutsche Papst mit seiner Art und Weise, anhand der Evangelien und theologischer Forschung zu erschließen, wer Jesus von Nazareth war. Und obwohl "Jesus von Nazareth" eine theologisch-wissenschaftliche Analyse ist, gelingt es Ratziger, durchaus milde und menschlich die verschiedenen Interpretationen anzuführen und seine Favoriten zu benennen, ohne sie festzuschreiben.

"Das Wort vom Lamm Gottes interpretiert, wenn wir so sagen dürfen, den kreuztheologischen Charakter von Jesu Taufe, von seinem Hinabsteigen in die Tiefe des Todes. Alle vier Evangelien berichten in unterschiedlicher Weise, daß bei Heraufsteigen Jesu aus dem Wasser der Himmel ,aufriß' (Mk), sich öffnete (MT und Lk) ..."

Wer mit der wissenschaftlichen Sprache und Ausdrücken wie "Exegese" Probleme hat, der wird allerdings keine Freude an Ratzingers neuem Buch haben. Genauso wie jene, die nicht wissen, was genau die Bergpredigt ist, was für Gleichnisse es gibt und was die Seligpreisung ist. Der Autor geht davon aus, daß seine Leser sich mit der Grundmaterie absolut auskennen, und so geht er gar nicht auf die Basis ein, sondern vertieft sich sofort in die Textanalyse.

Bei vielen Abschnitten wird allerdings deutlich, daß der als Hardliner verschriene Papst durchaus liberale Ansätze hat: "Wird jemand deshalb selig und von Gott als recht erkannt werden, weil er den Pflichten der Blutrache gewissenhaft nachgekommen ist? ... Oder weil er rituelle Waschungen und sonstige Observanzen eingehalten hat? ... Nein, Gott verlangt das Gegenteil: das innere Wachwerden für seinen stillen Zuspruch, der Zuspruch, der in uns da ist und uns aus den bloßen Gewohnheiten herausreißt auf den Weg zur Wahrheit; Menschen, die ,hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit' - das ist der Weg, der jedem offensteht; es ist der Weg, der bei Jesus Christus endet."

Auch geht Ratzinger auf die Jünger ein und erwähnt, daß der Evangelist Lukas die Bedeutung der Frauen im Kreise der Glaubensgemeinschaft um Jesus hervorgehoben hat.

Inwieweit Ratzinger mit "Jesus von Nazareth" jetzt den theologischen Blick auf Jesus verändert, wird sich allerdings erst mit der Zeit zeigen, der interessierte Leser zumindest hat einen entspannten aber zugleich entscheidungsfreudigen Papst kennengelernt. Bel

Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: "Jesus von Nazareth", Herder, Freiburg 2007, geb., 446 Seiten, 24 Euro, Best.-Nr. 6164


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