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19.05.07 / Lohndrückerei dank Stütze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

Lohndrückerei dank Stütze
von Harald Fourier

In einer Pankower Kneipe habe ich Stefanie kennengelernt. Sie kellnert dort. "Aber eigentlich bin ich Hartz-IV-Empfängerin", eröffnete sie mir, als wir uns schon etwas besser kannten.

Sie bekommt vom Staat die Miete, die 345 Euro "Taschengeld" und ist krankenversichert. Dann kann sie sich noch ein paar Euro am Tresen dazuverdienen. Dafür muß sie aber ganz schön schuften: An fünf Tagen pro Woche arbeitet sie von 20 Uhr, bis der letzte Gast gegangen ist. Und das ist sehr oft erst weit nach Mitternacht der Fall. Im Grunde beträgt ihre Arbeitszeit mindestens soviel wie die einer Halbtagskraft, ohne daß sie ein entsprechendes Gehalt bekäme. Der Stundenlohn liegt bei einem Euro oder zwei.

Warum macht sie das? Stefanie ist eine einfach gestrickte Person. Sie ist nicht besonders ehrgeizig (charmanter formuliert: Sie ist nicht karrieregeil). Für sie zählt nur, daß sie am Monatsende so über die Runden kommt. Da ist es ihr egal, ob das Geld vom Staat oder von ihrem Arbeitgeber kommt.

Der Kneipenwirt dagegen hat bereits in seine Kostenplanung fest einkalkuliert, daß sie ja Hartz-IV-Empfängerin ist, und zahlt ihr aus eigener Börse nur ein besseres Taschengeld, weil sie nicht mehr verlangt. Und wenn sie es täte, dann würde er schnell eine andere Kraft finden, die zu den miesen Bedingungen arbeitet. Jemand anderes als eine Hartz-IV-Empfängerin stellt er gar nicht erst ein!

Seit vergangene Woche aufgeflogen ist, daß im Reichstag Putzfrauen unter Tarif bezahlt werden, ist die Empörung groß. "Lohndumping unter den Schwingen des Bundesadlers - und unsere Abgeordneten schauen weg." So in etwa lautet der Vorwurf an die Politiker.

Aber das ist eine zu einfache Sichtweise. Es gibt längst reihenweise Arbeitgeber, die es sich leisten können, einfache Arbeitskräfte mit einem Hungerlohn abzuspeisen, weil die Arbeitnehmer das mit sich machen lassen. 80000 geringfügig Beschäftigte kassieren allein in Berlin zusätzlich Geld vom Arbeitsamt, da sie von ihrem eigentlichen Verdienst allein nicht leben könnten.

Damit trägt der Sozialstaat indirekt zur Senkung der ohnehin niedrigen Löhne in diesem Bereich bei. Besonders umstritten ist in diesem Zusammenhang die Forderung nach einem Mindestlohn, mit dem, so die Kritiker, mal wieder die Symptome und nicht die Ursache für Hungerlöhne bekämpft werden sollen.

Es steht zu befürchten, daß es immer Leute wie Stefanie geben wird, die sich unter Wert verkaufen, und Geschäftemacher, die jede noch so gut gemeinte Regelung unterlaufen. Denn gut gemeint ist eben nicht gut.


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