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19.05.07 / Ost-Deutsch (15): Spitze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

Ost-Deutsch (15):
Spitze
von Wolf Oschlies

Anfang April stellte das serbische Fernsehen einen jungen Landsmann vor, in Berlin geboren und heimisch, zudem in einem deutschen Fußballverein als "poluspic" aktiv, als "Halbspitze". Welche Position das ist, weiß ich nicht, aber die "spic" habe ich gleich als deutsches Lehnwort erkannt, das auch in vielen osteuropäischen Sprachen lebt.

Obwohl es nicht "rein" deutsch ist: Die althochdeutsche "spizzi" war mit der lateinischen "spica" verwandt, der "Ähre" oder "Spitze": Ad spicam perducere fruges, heißt es bei Cicero: Die Früchte zur Spitze bringen, also zur vollen Reife. Die antike Vieldeutigkeit des Begriffs hat sich bis in unsere Zeit enorm erweitert: Der "Spitz" ist ein Hund, die "Spitze" ein scharfes Ende, ein vorderster Teil, eine Führungsposition, eine boshafte Bemerkung, ein Textilprodukt ("Brüsseler Spitzen"), Höchstgeschwindigkeit eines Autos und vieles mehr.

Was im Osten kaum anders ist, wie bei der letzten Fußball-WM zu beobachten: "Svi imaju dva spica", schrieben kroatische Zeitungen: Alle haben zwei Spitzen, alle Teams nämlich. Generell bezeichnet "spic(a)" bei Südslaven jene Zeiten, wo sich alles drängt: "spic vreminja na aerodromot" (makedonisch: Spitzenzeiten auf dem Flugplatz), "vlakove u spici" (kroatisch: Züge in Spitzenzeiten), "spica turistickog prometa" (serbisch: touristische Spitzensaison). Zudem ist "spica" alles Unübertreffliche, etwa für Fußballer, die von "evro spice" träumen, von "europäischen Spitzen".

Weiter nördlich ist es ähnlich, auch wenn die tschechische "spicka" sprachlich eine Verkleinerungsform ist. Inhaltlich nimmt ihr das kein Gewicht: "spicky strany" (Parteispitzen), "spicka v evropskem meritku" (Spitze im europäischen Maßstab), "spicky statni byrokracie" (Spitzen der Staatsbürokratie), Verkehrs-"spicka" um 15 Uhr, "spickovy videoklip" (Spitzen-Viedeoclip) etc.

In Süddeutschland bedeutet das Verb "spitzen" aufpassen, gespannt sein, womit der "Spitzel" sprachlich verwandt ist. Den gibt es auch bei unseren Nachbarn, so abwertend wie bei uns: "spicl" bei Tschechen, "spicelj" bei Serben und Kroaten etc. Dazu kommen unübersetzbare Adjektive, etwa kroatisch "spiclovski vapaj" (Spitzelgeschrei), und verständliche Substantive wie "spicleraj" - was man laut lesen soll, um es spitz zu kriegen.


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