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19.05.07 / Ist links gleich dumm?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

"Moment mal!"
Ist links gleich dumm?
von Klaus Rainer Röhl

Ist links gleich dumm? Schon vor einer Woche ist der französische Präsident gewählt worden. Mit 53 Prozent Mehrheit. Dennoch ist das Lamento der gesamten französischen Linken auch eine Woche nach der Wahl immer noch groß. War er nicht der Kandidat, der angekündigt hatte, rücksichtslos den Kampf gegen die vorwiegend marokkanischen Randalierer, Drogendealer und Kleinkriminellen aufzunehmen, sie vielleicht sogar, falls sie illegal im Land sind und noch keinen französischen Paß haben sollten, abzuschieben?

Die Linke reagierte mit Massenprotesten, die jugendlichen Randalierer mit Benzinbomben. So brannten in Paris und anderen französischen Großstädten 1600 Autos aus, meist Kleinwagen aus ihren eigenen Randbezirken, auch mal ein Polizeiwagen. Sarkozy fuhr seelenruhig in Urlaub, was ihm die linke Presse noch mehr übelnahm, die Polizei setzte 200 Randalierer fest. Die französische Linke blieb entsetzt oder tat zumindest so.

Unsere linksliberalen Medien auch. In Deutschland pflegte man dieses etwas schadenfrohe "Siehste-Gefühl". Warum habt ihr auch Sarkozy gewählt, das mußte ja endlose Krawalle mit Benzinbomben geben! Das liegt auf gleicher Ebene wie "Siehste, jetzt gibt es tote Soldaten in Afghanistan, das mußte ja so kommen, warum mußten wir dort die Taliban vertreiben?" Unsere linksliberalen Leitmedien waren sehr unzufrieden mit dem neuen französischen Präsidenten. Daß er von einer Mehrheit demokratisch gewählt ist, daß für dieses Recht der Franzosen, den Präsidenten selber zu wählen, Ströme von Tinte und später auch Blut geflossen sind, kümmert die linken Medien nicht. Sie hätten lieber Ségolène gehabt. Sie verachten die Wähler. Sie haben sich in ihren Augen sozusagen nicht bewährt.

Warum erzähle ich das? Weil mir gerade ein Brief aus meiner heroischen, sozialistischen Jugend eingefallen ist: Er kam von Kurt Hiller, die meisten werden den Namen nicht kennen, aber Kurt Hiller war in der Weimarer Republik einer der wichtigsten Linksintellektuellen, Mitstreiter von Tucholsky und Ossietzky. Das war nun 1956 und es waren gerade Bundestagswahlen. Da schrieb mir unser streitbarer und so unnachahmlich scharf und brillant formulierender Autor und Gründer des "Neusozialistischen Bundes" (fünf Mitglieder), der Gedanke sei ihm unerträglich, daß er nur die gleiche Anzahl Stimmen wie seine Hamburger Reinemachefrau hätte. Das war seine Auffassung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, kein Witz. Unsere linken Leitmedien sind nicht nur unzufrieden mit dem französischen Staatspräsidenten, sondern noch mehr mit unserem eigenen Präsidenten, Horst Köhler. Der hatte in der letzten Woche das "Gnadengesuch" des zu fünfmal lebenslanger Haft verurteilten RAF-Mörders Christian Klar abgelehnt. Er sei dem Druck der "Rechten" erlegen, erklärte die angesehene "Süddeutsche Zeitung" in einem langen Leitartikel und nannte den Bundespräsidenten Horst Köhler einen "Volkskanzler", offenbar die schlimmste Beschimpfung, den unsere linksliberale Leitkultur erfinden konnte: Sie Volkspräsident, Sie!

Der Kommentator der "Süddeutschen Zeitung", Hans Werner Kilz, erklärt bekümmert, daß er und alle, die dem Präsidenten wirklich helfen wollten, jetzt aus Verblüffung schweigen, auch aus Zorn. Der Präsident hätte, weil er den Rat der "Süddeutschen" nicht richtig beachtet, wieder einmal alles verpatzt und nun seien die "Besiegten zu besichtigen" (die "taz" nennt sie am gleichen Tag noch etwas ehrlicher gleich "Kämpfer"), "der Terrorist Christian Klar, der seit 24 Jahren sitzt und offenbar nicht bereut, muß mindestens 20 Monate, die ihm der Präsident gnädig hätte schenken können, absitzen". Moment mal! Das hört sich so an, als wenn Klar wegen Terrorismus einsitzt und nicht wegen erwiesenen neunfachen Mordes und elffachen Mordversuchs.

"Journalismus ist Agitation mit Tatsachen", wer hatte das einmal gefordert? Doch der mediale Vordenker Kilz geht noch weiter in der eigenwilligen Interpretation der Tatsachen: "Wenn Edmund Stoiber behauptet, der Präsident habe so handeln müssen, weil die Mehrheit des Volkes gegen eine Begnadigung sei, dann irrt er. Der Bundespräsident wird nicht vom Volk gewählt, sondern von gewählten Repräsentanten, denen das Volk vorübergehend seine Souveränität geliehen hat."

Doch Kilz hat ein gutes Beispiel bei der Hand, warum das Volk nicht immer entscheiden dürfe, und das ist - da läßt er die Katze aus dem Sack - die Ausländerfrage, die illegalen Zuwanderer und das durch die Hintertür eingeführte Bleiberecht. "Die gewählten Volksvertreter erlauben sich eine liberalere Haltung als das Volk. In diesem Sinne ist die CSU also eine echte Volkspartei, sie spricht mit der Vox populi." Aber Vox populi, da zitiert Kitz ausgerechnet den Dauergegner der "Süddeutschen", Franz Josef Strauß, hieße ja Vox Rindvieh! Halten wir fest, daß die Begriffe Volkspartei und Volkspräsident hier als Schimpfworte in klar herabsetzender Absicht gebraucht werden. Es sieht so aus, als wenn deutsche und französische Intellektuelle etwas gegen ihren Souverän haben: das Volk. Dauernd steht es bei ihnen im Verdacht, irgend etwas falsch gemacht zu haben.

Ganz ähnlich wie bei den Regierenden der alten DDR, die es mit großem Argwohn betrachteten und kritisierten. Bis unserem größten antikommunistischen Dichter Bertolt Brecht die Geduld riß und er schrieb, wenn die Regierung so unzufrieden mit dem Volk sei, warum sie dann nicht einfach das Volk auswechselten und ein anderes wählten!

Direkt neben dem Leitartikel gegen den Volkspräsidenten steht gleich das nächste Thema, eine Karikatur: Eine durch eine Walze mit der Aufschrift "Polizei" plattgemachte Landschaft, abgeschirmt durch eine Art Mauer mit Stacheldraht drauf. Der Zeichner mag dabei wechselweise an ein KZ oder an Stammheim gedacht haben, es läuft bei ihm auf das gleiche hinaus, im Hintergrund sieht man das Tagungshotel von Heiligendamm. Vorne sind ein paar Maulwurfshaufen zu sehen und davor ein kleiner Rollstuhlfahrer, Schäuble, der die Maulwürfe argwöhnisch, übertrieben vorsichtig, soll der Betrachter denken, beobachtet.

Moment mal! Übertreiben wir, wenn wir behaupten, daß die "Süddeutsche Zeitung" ein Leitmedium ist? Ich will es mal so sagen: Was am Sonnabend in der "Süddeutschen" steht, wird, zusammen mit der wöchentlichen Enthüllungsstory und der Titelgeschichte des "Spiegel", am nächsten Dienstag in der Provinz veröffentlicht, meist, entsprechend der kleineren Bezüge der Journalisten in Köln und Freiburg, ein bißchen schlechter geschrieben, die Botschaft aber getreulich abgekupfert: Es gibt selten Irritationen, notfalls helfen "Monitor" und "Panorama" noch mit weiteren Enthüllungsstorys den angeschlagenen Themen nach. Es sind fast immer Trends von durchschaubar plumper Art, gestützt auf angeblich neue Berichte von Wissenschaftlern oder Zusatz-Enthüllungen zum jeweiligen Trend mit Vorwürfen gegen die Regierung oder die Wirtschaft. (Beispiel: Vogelgrippe. Schuld: Regierung durch mangelnde Vorsorge oder raffgierige Entenhalter aus Gewinnstreben, grob zusammengefaßt = Kapitalismus ist schuld, Kapitalismus muß putt, Regierung muß weg.

Journalismus ist Agitation mit Tatsachen. Jetzt sagen wir mal, von wem die Lehre stammt: von Lenin. Und das steht dann am Dienstag in der deutschen Presse. Mehr oder weniger flächendeck-end. Ausnahmen kommen vor, sind aber selten. Einige wenige größere Blätter wie die ,,Rheinische Post" oder der "Tagesspiegel" in Berlin halten sich, so gut es geht, heraus.

Am Ende die Überlegung, was eigentlich das Linke an den linken und linksliberalen Leitmedien ist. Bei der gezeigten Massenverachtung, der eher elitären Einstellung, die die Meinungsführer der Gesellschaft schon immer hatten, links reden, aber rechts leben, können sie keine richtigen Sozialisten sein. Das nun doch nicht.

Was war es dann? Sind sie grundsätzlich pessimistisch, schlecht gelaunt, miesepetrig, vermeckert gegen alles übrige, unzufrieden mit ihrer Rolle, wären lieber Chefarzt oder Staranwalt geworden? War es das? Oder war es, da war doch noch was, eine vage, sentimentale Jugenderinnerung an "Panzerkreuzer Potemkin" von Eisenstein, Hemingways "In einem anderen Land", Spanien, Schellackplatten von Ernst Busch - Sowjetkommunismus und das stolze kommunistische, Ernst Thälmann zugeschriebene Wort: Stalin bricht Hitler das Genick!

War es das? Oder ist es bloß Eitelkeit und als deren Folge eine tiefe Verachtung der kleinen Leute, die nie die derben Witze der "taz" ("Ensslin, reimt sich geil auf Benzin!") und nie die feinen Anspielungen in der "Süddeutschen" verstehen würden, die man eben abschmecken und sich auf der Zunge zergehen lassen muß, war es nur eine partielle Verdrängung, Vergeßlichkeit, Denkfaulheit, Inkonsequenz und Trägheit? Eine fast alzheimerartige Vergeßlichkeit dreißiger Jahre, den zahlreichen eigenen Festreden vor dem Fall der Mauer und den fatalen Verbrüderungen mit der SED?

Mit anderen Worten, ist links wie die "taz" oder linksliberal wie die "Süddeutsche" gar nicht bösartig oder volksverhetzend, sondern nur ein bißchen dumm?

Foto: Alles verpatzt? Die Linke nimmt Bundespräsident Horst Köhler die Gnaden-Entscheidung gegen Christian Klar übel.


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