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19.05.07 / Nur Lügenbaron / Die Welt der Maniker

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

Nur Lügenbaron
Die Welt der Maniker

Maniker? Was zeichnet eigentlich den Menschentypus der "Maniker" aus? Ihr zügelloses Wesen? Ihre Fähigkeit, jedes Gefühl und jede Laune grenz- und gewissenlos auszuleben? Sibylle Mulot gibt dem Leser in ihrem Roman "Die Unwiderstehlichen" einen Eindruck von diesem extrem komplizierten Menschenschlag.

",Manie ist definitionsgemäß die Aufkündigung jedes Kompromisses. Sie hat mit Dammbruch zu tun, mit dem Bruch der Konventionen ... Solche Menschen lassen ihre bürgerlichen Hemmungen fallen ... und sie bekennen sich nun zu aussichtsloser Liebe, mystischer Religiosität, künstlerischem Trieb, zu Askese, sexueller Ausschweifung, Menschenliebe oder Rechthaberei.'"

So berichtet Sibylle Mulot unter anderen von dem manischen Professor Dr. Asch, der den berühmten Reiseschriftsteller Gedeon auf dessen eigene Kosten nach Mali, Westafrika, einfliegen läßt, und ihm dort einen hochwertigen internationalen Ethnologenkongreß verspricht, der sich am Ende als Vortrag in einem Hinterzimmer vor einem Studentenplenum entpuppt.

"Ich schlug vor, wir sollten am Mali Media Haus vorbeifahren, damit ich den Ort meines Vortrages schon einmal betrachten könne ... Das Stadtzentrum von Bamako fand ich sehr schön. Ich liebe dieses Sightseeing: schaurig beleuchtete Riesendenkmäler, Marktgebäude, Kathedrale, Moschee. Und Kolonialvillen ... Wir stiegen aus, lehnten uns gegen das Taxi und weideten uns eine zeitlang an ihrem Anblick, bis Dr. Asch sagte: ,Ja, leider, haben wir diese Villa seinerzeit nicht bekommen.' ... Auf meine entgeisterte Frage, wo der Kongreß denn dann stattfinde, drehte er sich zu mir um: ,Kongreß? Welcher Kongreß?' Ich war zutiefst irritiert."

Bei Herrn K. hingegen bleibt es nicht bei bloßer Irritation. ",Trotzdem ist die Wut ganz ungeheuer, wenn man plötzlich begreift, daß man es mit einem dieser heiligen Narren zu tun hat, die man nicht zur Verantwortung ziehen kann. Die Wut ist unbeschreiblich! Man muß zusehen, wie ein Erwachsener plötzlich wieder zum ungezogenen Kind wird und damit durchkommt, obwohl wir anderen alle es nicht tun.'"

Die junge Xenia hingegen, kann sich über diese Lügenbarone oder netter, Opfer ihrer eigenen Phantasien, diese Genies, Exzentriker und Sonderlinge nicht annähernd so aufregen, sondern nimmt sogar, zum Erstaunen des Lesers, nach ihrem erfahrungsreichen Praktikum bei der zuständigen Beratungsstelle eine bezahlte Stelle an ... Und läßt sich sogar von ihrem Patienten Paul heillos um den Finger wickeln.

Interessant, lehrreich und informativ berichtet Sibylle Mulot von den Menschen, die hemmungslos all die absonderlichen Ideen, die auch uns "normalen" Bürgern hier und da mal durch den Kopf schießen, bedenken- und reuelos ausführen. A. Ney

Sibylle Mulot: "Die Unwiderstehlichen", Diogenes, Zürich 2007, geb., 149 Seiten, 17,90 Euro, Best.-Nr. 6188


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