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19.05.07 / Buntes Andalusien / Spanische Märchen zwischen Mauren und Christen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

Buntes Andalusien
Spanische Märchen zwischen Mauren und Christen

"Spanische Märchen" heißt die Sonderausgabe von "Der verzauberte Feigenbaum" des inzwischen leider verstorbenen Frederik Hetmann. Die spanischen Märchen stammen allerdings sämtlich aus Andalusien. Andalucía - schon in diesem Namen schwingt das leuchtende Licht dieser Landschaft mit, durch die wir unsere Märchenhelden begleiten dürfen. Das Spannende an dieser spanischen Region ist seine historisch kulturelle Mischung. In diesem Märchenbuch finden sich Märchen an der Schnittstelle zweier Kulturen, aus der Zeit der Mauren und der frühen christlichen Eroberer. Es geht um eine Zeit der Konkurrenz zwischen einem kulturell, geistig und wissenschaftlich hoch entwickelten Islam mit ausgefeilter Architektur und ebensolchen Sitten und dem kämpferischen, ungezügelt frischen, noch recht unzivilisierten Christentum mit seinen trutzigen Burgen und ritterlichen Tugenden. Die Märchen handeln von der Liebe zwischen den Menschen dieser Kulturen, ebenso vom Eingesperrt-Sein und der Befreiung daraus und anderen Schicksalsschlägen und deren Lösung, wie sie auch immer aussehen mag.

Dem Leser bietet sich so eine bunte andalusische Mischung, inklusive der Beschreibung wichtiger Städte und schöner Bauwerke dieser Region.

So wechseln sich im Genre der Volksmärchen gehaltene Erzählungen mit solchen in blumigerer Sprache und dem Hauch der arabischen Welt ab. An den Anfang sind die einfachen Märchen gestellt, sie erinnern in Stil und Aufmachung an bekannte Geschichten und sind leicht zu lesen. Eine Steigerung, was Sprachstil und auch geschichtliche Hintergründe betrifft, erlebt der Leser in den dann folgenden Erzählungen. Den Abschuß bildet "Die Sage vom Prinzen Achmed al Kamal, dem Liebespilger", der auch die jüdische Kultur als dritte Religion mit einfließen läßt.

Die Verarbeitung des Themas der Liebe zwischen den verschiedenen Gläubigen fand in der Literatur bei Lion Feuchtwangers "Die Jüdin von Toledo" eine ähnliche Variante. Hier in diesem Märchen erinnert die Eule an einen jüdischen Gelehrten, der zurückgezogen lebt und sich der Philosophie und den Studien widmet. Sie hat Verwandte im ganzen Land zur Beherbergung und kennt sich in der Kabbala, dem Buch der jüdischen Geheimlehre und Mystik, aus, obwohl der Vogel vorgibt, treuer Moslem zu sein - möglicherweise finden wir hier eine Anspielung auf Konvertiten, die doch ihrem eigentlichen Glauben treu blieben. Der Papagei spielt die Rolle des höfischen Galans, der sich keiner Glaubensrichtung unterwirft und auch die "Liebe" belacht. Die Moral dieser Geschichte ist, daß die günstigste Entwicklung der Dinge dann gegeben ist, wenn alle drei Kulturen in Frieden und Eintracht zusammenleben, auch wenn verschiedene Reibungspunkte dabei entstehen.

Das Nachwort und das Interview mit der Märchenerzählerin Sigrid Früh bestärken jeden Leser, sich mit Märchen zu beschäftigen und dieses Gut auch weiterzugeben an die nächste Generation.

Über Liebe als höchstes Ziel den heutigen Scheidungsraten zum Trotz zu sprechen, können sich Märchen leisten und dabei sprechen sie nur die Sehnsucht aller deutlich aus. Sie geben damit eine Richtung vor - und dies gibt jungen und anderen Menschen in der heute so Werte verlierenden Welt Halt und Mut, bestimmte Lebensziele gegen den Zeitgeist anzustreben. Belohnt werden im Märchen Mut und Standhaftigkeit, bestraft werden Zaudern und Unstetigkeit. Claudia Lazar

Frederik Hetmann (Hrsg.): "Spanische Märchen", Königs Furt Verlag, Krummwisch 2007, 192 Seiten, 4,95 Euro, Best.-Nr. 6171


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