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19.05.07 / Sagen und Legenden / Am Ufer der Angerapp, am Fuße des Berges Kamsvikus ist es zur Nachtzeit nicht geheuer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

Sagen und Legenden
Am Ufer der Angerapp, am Fuße des Berges Kamsvikus ist es zur Nachtzeit nicht geheuer

Es ist ja bekannt, daß über viele Schlösser und Burgen geheimnisvolle Legenden kreisen. Nicht weit von Insterburg erhebt sich am rechten Ufer der Angerapp ein Berg: der Kamsvikus hieß. Auf seiner Höhe sind noch Überbleibsel einer einstigen Bewehrung zu entdecken. Hier soll vor langer, langer Zeit eine Burg gestanden haben, deren letzter Besitzer Kamsvikus hieß. Von ihm weiß die Sage zu vermelden, daß er ein überaus harter, wüster und grausamer Herr war. Er knechtete und mißhandelte seine Untertanen, er saugte dem Land den letzten Blutstropfen aus und führte selbst ein überschwengliches, lasterhaftes Leben. Darin soll aber seine Frau ihn noch bei weitem übertroffen haben. Einst ließ sie von Spießgesellen ihren eigenen Mann überwältigen und lebendigen Leibes in den Gewölben der Burg einmauern. Nun, als Alleinherrin trieb sie es ärger als zuvor. Die wüsten Gelage und Feste auf der Burg nahmen kein Ende, während ringsumher die graue Not in den ärmlichen Hütten ein ständiger Gast war. Endlich sollen sich die Götter des geknechteten Volkes erbarmt haben. Im Zorn zerschlugen sie die Burg, begruben die Fronherrin samt ihrer übermütigen, lasterhaften Gesellschaft unter den Trümmern. Seither ist es an diesem Ort zur Nachtzeit nicht recht geheuer. Denn die Schloßherrin ward verdammt, in alle Ewigkeit in Gestalt einer schwarzen Kuh umherzugehen; sie wird von einer pechschwarzen, glutäugigen Katze in wilder Jagd im Dickicht umhergetrieben und ihr klagendes Muhen läßt dem nächtlichen Wanderer das Blut in den Adern erstarren. Die Katze aber ist kein anderer als der Kamsvikus; denn auch ihm ist die ewige Ruhe versagt geblieben. Am Fuß des Berges befindet sich ein 25 Fuß langer und 24 breiter Stein. Das Volk will wissen, daß dieser Stein die Grabstätte des Sohnes der Kamskikus bezeichnet. Von ihm erzählt man sich, daß er ein Herz für die geknechteten Untertanen hatte und, wo er konnte, zu lindern suchte, was die Grausamkeit der Eltern verschuldete. Als ihn der Vater dereinst ertappte, wie er Brot an die Hungernden austeilte, erschlug er ihn im blinden Zorn. Aus Dankbarkeit hat ihm das Volk ein Denkmal errichtet: ein geschmiedetes Kreuz. Ein solches Kreuz wird noch heute in der Kirche von Insterburg aufbewahrt. Man hat es einst bei Bauarbeiten gefunden und glaubt, daß es sich um jenes Denkmal der Barmherzigkeit handelt. Vom Edelmut dieses Jünglings und seinem Tod wissen noch manche litauischen und deutschen Volkslieder zu berichten. Soviel von uralten Zeiten und ihren Legenden, die auch in jetziger Zeit viele Baudenkmäler erscheinen lassen. EB


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