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26.05.07 / Machtpoker auf dem Gipfel / G8-Treffen in Heiligendamm wird zur Belastungsprobe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-07 vom 26. Mai 2007

Machtpoker auf dem Gipfel
G8-Treffen in Heiligendamm wird zur Belastungsprobe
von Klaus D. Voss

Die Uhr läuft gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Als außenpolitische Leistungsziele hatte sie sich für dieses zentrale Jahr ihrer Kanzlerschaft die Stärkung der Europäischen Union gesetzt und die Regie auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm. Daß nicht viel daraus werden kann, liegt nicht an der Kanzlerin: Sie wird zum Opfer der großen Themen- und Methodenverschiebung in der Außenpolitik.

In vier Wochen muß Merkel den Marschallstab der EU an Portugal weitergeben, ohne daß sie ihre Ziele annähernd erreicht hätte: Gerade die Größe der Union mit nunmehr 27 Mitgliedsstaaten und fast 500 Millionen Einwohnern wird der EU zum Verhängnis - die Masse wird zum Ballast. Ohne praktikable und von den Bürgern akzeptierte Verfassung ist die Union nicht mehr hinreichend handlungsfähig. Zugleich muß Merkel die Lehren aus dem Gipfel von Samara ziehen.

Bislang hatte man sich mit Zielverabredungen und festen Terminplänen in Europa gegenseitig so unter Handlungsdruck setzen können, daß zum Schluß "Einigungsbedarf" entstanden war. Aber die Zeiten, in denen glatte Diplomatie mit abgestimmten Erklärungen gepflegt wurde, sind jetzt endgültig vorbei. Die Dialoge zwischen Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin könnte man als "Gespräche ohne Tabus" beschreiben, wenn noch die vorsichtige Sprache der Diplomaten gebraucht würde.

Aber es geht unverhohlen um Machtpositionen, und so klingt es jetzt auch. Rußland, in ewiger Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten, will nicht akzeptieren, wie weitgehend unangefochten Washington seine Machtziele durchsetzen kann: Moskau konstruiert ein neues Machtdreieck mit China und Indien.

Europa mit seinen Vorbehalten und demokratischen Traditionen steht nicht mehr im Zentrum der russischen Orientierung, was auch atmosphärische Auswirkungen hatte: In Samara antwortete Putin auf Vorhaltungen wegen der Menschenrechtslage in seinem Land mit der gleichen Kaltschnäuzigkeit, die sich chinesische Potentaten angewöhnt haben.

Schon auf der jüngsten Sicherheitskonferenz in München hatte Putin Schockwellen ausgelöst und bewußt für einen Augenblick Erinnerungen an die Zeiten des Kalten Krieges aufkommen lassen. Von einem Kalten Krieg kann zwar bei genauem Nachrechnen keine Rede sein - die Wirtschaftskomplexe in Europa und Rußland sind inzwischen viel zu stark verflochten, als daß man sich vor den Waffenarsenalen fürchten müßte - aber die Methode wirkte und sie wirkt: Es ist die Schwachstelle der offenen, demokratischen Gesellschaften, daß sie sich leicht in Erregung versetzen lassen.

Der G8-Gipfel ist für demonstrative Überraschungen wie geschaffen - vor allem, wenn die Teilnehmer ohne Rücksicht aufeinander agieren: Mit den USA und Rußland sind zwei machtbewußte Nationen am Tisch, mit Großbritannien und der neuen französischen Staatsführung unter Nikolas Sarkozy zwei weitere Staaten, die Eigeninteressen vor alles andere stellen - Merkel muß die Frage beantworten, wie Deutschland sich behaupten will. Heiligendamm wird kein gemütlicher Platz für die Gipfelchefin, weder drinnen noch draußen (Siehe auch Berichte auf den Seiten 4 und 7).


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