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26.05.07 / Mitleid mit Ulbricht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-07 vom 26. Mai 2007

Mitleid mit Ulbricht
von Harald Fourier

In Kleinmachnow haben sie gerade eines der letzten Wilhelm-Pieck-Denkmäler beseitigt. Ausgerechnet in Kleinmachnow, wo Wolfgang Leonhard, das letzte noch lebende Mitglied der "Gruppe Ulbricht", vor 62 Jahren seinen letzten "Parteijob" antrat: als Lehrer an einer SED-Kaderschule. Seine Enthüllungsgeschichte nach der Flucht in den Westen 1949, "Die Revolution entläßt ihre Kinder", ist legendär.

Leonhard hat das Buch jetzt noch einmal geschrieben. In "Meine Geschichte der DDR" berichtet er wie im Zeitraffer von seinen Erlebnissen in der Sowjetunion und der Zone. Das Schlüsselerlebnis Leonhards hätte die Inhaftierung seiner Mutter 1936 werden können. Der überzeugten Kommunistin wurde von Stalins Schergen der "szenetypische" Trotzkismus-Vorwurf gemacht, sie wanderte zwölf Jahre in den Gulag. Ihr 15jähriger Sohn jedoch hielt Stalin die Stange, was alleine schon Beweis dafür ist, wie sehr der Kommunismus die Hirne der Menschen deformiert.

Leonhard wünscht(e) sich einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz", bekundet in seinem Buch gar Mitleid mit Walter Ulbricht, der 1971 von Honecker auf brutale Weise entmachtet worden ist. Die schnelle deutsche Vereinigung hätte es nach seinem Willen auch nicht geben dürfen. Überhaupt Helmut Kohl: Nicht er habe die Wahl 1990 gewonnen, sondern die "Stifte, T-Shirts und Feuerzeuge", die die CDU als Wahlkampfgeschenke eingesetzt habe, findet Leonhard. Er muß damals auf dem Mond gewesen sein, anders läßt sich diese Fehleinschätzung nicht erklären. Aber Leonhard ist ja auch kein Helmut-Kohl- Experte, sondern einer für Kommunismus. So stolpert der Leser bisweilen von Kopfschütteln zu Kopfschütteln.

Trotzdem ist es ein gutes Buch, weil es den Blick ins Innenleben eines Ex-Kommunisten öffnet, der als einer von ganz wenigen die Schwächen des Systems erkannt hat. Leonhard hat ja auch Markus Wolf von der Stasi und andere frühere Weggefährten aufgesucht und befragt. Die meisten von ihnen waren verdammt uneinsichtig und haben ihr Handeln verteidigt. Je mehr Zeit nach der 89er Revolution verstrich, desto hartnäckiger vergruben sie sich in ihrem roten Wahn.

Indes: Selbst im Urteil der "normalen" Deutschen verblassen ja die Schrecken der SED-Herrschaft zusehends. Hier hat die Zeit nicht alle Wunden geheilt, sondern das Elend vergessen gemacht. Das ist es, was 1990 schiefgelaufen ist. Die schmerzliche Erinnerung versank hinter dem Jubel der einen über den Mauerfall und der frechen Leugnung der Verbrechen durch die anderen. Daran ändert jetzt auch nichts, daß ein Gedenkstein verschwindet.


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