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26.05.07 / Szenen einer Scheidung / Was folgt auf das Chrysler-Debakel?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-07 vom 26. Mai 2007

Szenen einer Scheidung
Was folgt auf das Chrysler-Debakel?
von Ansgar Lange

Jetzt fühlen sich alle wie Sieger. Nach der Scheidung von Daimler und Chrysler betonen beide Seiten, wie gut die Trennung tue. Radek Jelinek, Geschäftsführer von Chrysler-Deutschland, übte sich schon mal in Zweckoptimismus. Sein Konzern werde jetzt noch besser und schneller. "Die Zahl der Händler, die Chrysler, Jeep und Dodge im Angebot haben und auch die Modellpalette solle wachsen, nicht schrumpfen". Da ließ sich Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche nicht lumpen und erklärte im großen Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Daimler ist so stark wie nie zuvor". In schönstem Manager-Kauderwelsch konnte er aber auch der erst 1998 geschlossenen Ehe mit der US-Autofirma etwas Gutes abgewinnen: "Insgesamt sind wir ein offeneres Unternehmen geworden, nicht nur schwäbisch, sondern auch ein Unternehmen, das im Kopf weltweit aufgestellt ist". Die Fusion hat demnach zumindest irgend etwas in den Köpfen der Beteiligten angerichtet.

Kurz zu den Fakten: Daimler verkauft Chrysler zu 80 Prozent an den Finanzinvestor Cerberus und behält 20 Prozent. In Zukunft wird die Daimler AG nicht mehr vier Millionen Autos verkaufen, sondern kommt nur noch auf 1,3 Millionen. Der Umsatz wird ohne das amerikanische Anhängsel um ein Drittel sinken.

Die entscheidende Frage stellte das "Handelsblatt": Wohin führt es, wenn Höllenhunde ein Himmelfahrtskommando übernehmen? Cerberus (Kerberos) hat in der griechischen Mythologie bekanntlich den undankbaren Job, den Eingang zur Hölle zu bewachen. Medienberichten zufolge ist der Deal mit einem Milliarden-Risiko für Daimler versehen, da die Stuttgarter eine Garantie für Chrysler-Pensionen abgaben. Zunächst hatte Zetsche bestritten, daß es zu finanziellen Nachforderungen kommen könnte. Geht der marode US-Autobauer jedoch innerhalb der nächsten fünf Jahre Pleite, muß Daimler noch mal tüchtig draufzahlen. Von einer Milliarde US-Dollar Garantie für Chrysler-Pensionen ist die Rede.

Wenn man zynisch rechnet, sind das nur Peanuts. Schließlich hat der Konzern von 1985 bis heute mehr als 60 Milliarden Euro verbrannt. Das "Manager-Magazin" widmete vor kurzem den über 20 Jahren Mißmanagement bei Daimler sogar eine Titelgeschichte und listete die Versäumnisse der Vergangenheit auf. Edzard Reuter, der zwischen 1987 und 1995 an der Konzernspitze stand, und Jürgen Schrempp, Regent von 1995 bis 2005, liefern sich in dieser Geschichte einen erbitterten Wettstreit um den begehrten Titel, wer der größte Kapitalvernichter in der stolzen Historie des Traditionsunternehmens ist. Nachfolger Zetsche, seit 2006 an der Spitze, will den Konzern verschlanken und dadurch wieder fit machen.

In erster Linie will er die Premiummarke Mercedes zu neuem Leben erwecken. Das Ansehen der Marke ist laut der jüngsten Imageanalyse der Fachzeitschrift "Auto, Motor und Sport" in den vergangenen fünf Jahren von 84 Prozent auf 67 Prozent abgerutscht. Der Stern aus Stuttgart verliert an Glanz. Um zumindest die Zahlen wieder ins Lot zu bekommen, mußten rund 10000 Mitarbeiter unter Zahlung von teilweise üppigen Abfindungen gehen. Doch bei der Umsatzrendite haben Toyota, BMW und Renault Daimler-Chrysler längst abgehängt.

Daß es sich beim Daimler-Desaster um Managementversagen auf der ganzen Linie handelt, daran zweifelt kaum jemand. Doch Mister "Profit, Profit, Profit" Jürgen Schrempp geht nicht in Sack und Asche. Der Online-Dienst der "Süddeutschen Zeitung" hat in Aktionärsschützerkreisen erfahren, daß der Autokonzern sogar weiterhin die Vorzimmerdame des Ruheständlers bezahlt. Lydia Schrempp ist nämlich nicht nur die Gattin des gescheiterten Architekten der Welt AG, sondern auch immer noch seine Sekretärin. Daimler-Chrysler hat nie dementiert, daß sie in dieser Funktion mindestens 200000 Euro im Jahr verdient hat (und verdient?). Üblich sind 70000 bis 100000 Euro für eine Vorstandssekretärin in einem großen Dax-Unternehmen.

Als Lehre bleibt, daß Leute wie Reuter und Schrempp sowie der vormalige Chrysler-Sanierer und jetzige Chrysler-Verkäufer Zetsche eben keine Unternehmer sind, sondern Manager. Und das Wesen eines Managers ist das eines Angestellten, da er kein eigenkapitalbasiertes Risiko trägt. Der Unternehmer hingegen muß mit seinem eigenen Vermögen für sein Handeln haften. In Deutschland gibt es kein wirksames Korrektiv, um eklatantes Fehlverhalten der Führungskräfte zu ahnden. Die Abfindungen sind meist schon vertraglich festgelegt. Kein Super-Star aus der Vorstandsetage eines börsennotierten Unternehmens steht vor dem finanziellen Ruin, wenn er den Karren an die Wand gefahren hat. Kinder fassen die Herdplatte nicht mehr an, wenn sie sich einmal die Finger verbrannt haben. Auf einen geschaßten Vorstand warten ein goldener Handschlag und "Tschüsikowski" (so der "Stern") oder eben der nächste Vorstandsposten. Und wenn alles ganz dumm läuft, nehmen die "Heuschrecken" auch noch Daimler ins Visier. Werden die Mitarbeiter auch noch in zehn Jahren voller Stolz sagen können, daß sie beim Daimler schaffen? Aber Stuttgart ist ja bekanntlich für Überraschungen gut, so zuletzt in der Bundesliga.


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