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26.05.07 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-07 vom 26. Mai 2007

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

die Hoffnung stirbt zuletzt, so sagt man, und daß sie für uns Vertriebene noch lange nicht sterben darf, beweist wieder einmal der Kirchliche Suchdienst HOK in seiner Bilanz für das Jahr 2006. Das klingt sehr nüchtern wie die darin enthaltenen Fakten - 15000 Auskünfte, 4500 Erfolge -, aber jede Zahl beinhaltet auch menschliche Schicksale, jahrzehntelanges Suchen, Ungewißheit und immer ein glimmendes Fünkchen Hoffnung, das weitergetragen wird. Die große Zahl der Auskünfte bestätigt den großen Bedarf an Hilfeleistungen für Vertriebene und Spätaussiedler und deren Nachkommen, für die das Thema Vertreibung durchaus nicht der "Schnee von gestern" ist, wie das steigende Interesse nach Informationen über die Herkunft der Familie und ihren vermißten Angehörigen beweist. Hier, im klassischen Suchdienst, liegt auch das wichtigste Aufgabengebiet dieser Institution, mit der wir als Ostpreußische Familie gut zusammenarbeiten. Zugleich das emotional bewegendste, wenn der Verbleib von vermißten Personen aufgeklärt oder Familien wieder zusammengeführt wurden, wie das in Hunderten von Fällen geschehen konnte. Kontakte zu verschollen geglaubten Freunden, Nachbarn, Kameraden und Kollegen wurden wieder hergestellt, und in manchen Fällen galt die Suche auch der großen Liebe von damals. Als umfangreichstes Aufgabengebiet bezeichnet der Kirchliche Suchdienst die Auskunftserteilung in amtlichen Angelegenheiten. Hier wurden im vergangenen Jahr über 10000 Vorgänge bearbeitet. Es wurden Informationen zu Staatsangehörigkeitsverfahren geliefert wie auch Hilfe zur Klärung von Personenstandsdaten bei fehlenden Urkunden geleistet. Durch die laufend aktualisierten Suchdienstunterlagen von über 20 Millionen Personen sind das Hilfsangebot wie die Erfolgschancen groß. "Es gehört zu unseren vordringlichsten Aufgaben, die Fortschreibung, Ergänzung und Aktualisierung der Datenbestände zu gewährleisten und den einzigartigen und unwiederbringlichen Datenbestand zu suchen und zu bewahren", sagt der Geschäftsführer des Kirchlichen Suchdienstes René Michael Massier. Die fast lückenlosen Unterlagen über Personen und Strukturen der früheren deutschen Vertreibungsgebiete garantieren so auch in Zukunft kompetente und effiziente Hilfe für alle, die den Kirchlichen Suchdienst in Anspruch nehmen. Ermöglicht wird sie dank der finanziellen und fachlichen Unterstützung durch das Bundesministerium des Innern, wie HOK betont. (Kirchlicher Suchdienst HOK, Lessingstraße 3 in 80336 München, Telefon 0 89 / 54 49 72 01, Fax 0 89 / 54 49 72 07, E-Mail: ksd@kirchlicher-suchdienst.de, www.kirchlicher-suchdienst.de.)

Was der Kirchliche Suchdienst feststellt, können wir nur bestätigen, obgleich die Ostpreußische Familie keine Institution, kein offizieller Suchdienst, keine behördliche Auskunftsstelle ist, sondern lediglich eine - wenn auch einzigartige - Zeitungsrubrik ist, zu deren Erfolge allein unsere - und hier muß ich auch sagen: einzigartigen - Leserinnen und Leser beitragen. Aber unser selbst gewähltes Aufgabengebiet ist ja breit gefächert, es soll auch scheinbar kleine Wünsche erfüllen, Fragen veröffentlichen, für die es sonst kein Forum gibt, und vor allen Dingen Menschen zueinander führen oder durch persönliche Erlebnisse und Begegnungen zur Aufklärung mancher bisher ungelösten Suchfrage beitragen. Das bestätigen unsere Erfolge, über die es wieder Erfreuliches zu berichten gibt.

So Frau Susi Dahlke-von Terzi, die auf eine ihrer "immer brodelnden" Fragen wieder eine erfreuliche Reaktion verzeichnen konnte. Sie suchte nach Mitflüchtlingen auf der Fahrt von Pillau nach Gotenhafen per U-Boot, beziehungsweise von Gotenhafen nach Swinemünde mit dem MS "Lappland" im Februar 1945. Auf einer Postkarte teilte ihr ein Leser aus Glinde mit, daß auch er damals als 13jähriger gemeinsam mit seinen Angehörigen auf der "Lappland" gewesen war. Als Frau Dahlke-von Terzi ihn anrief, wurde es ein langes, überaus informatives Gespräch - wie unter alten Bekannten aus dem heimatlichen Königsberg! Er konnte ihr verschiedene Ereignisse bestätigen, die ihr jüngster Bruder noch gut in Erinnerung hatte. So die lange Fahrtdauer und den Fliegerangriff auf Swinemünde, als die Flüchtlinge sich noch auf dem sich einnebelnden Schiff befanden. Allerdings schien seine Familie etwas mehr Glück mit der Platzwahl an Bord gehabt zu haben, denn Herr W. erinnerte sich sogar an eine warme Mahlzeit, die er bekommen habe. Ihre Brüder dagegen berichteten, daß sie in einer Ladeluke zumeist stehend die Fahrtzeit verbringen mußten und nichts zu essen hatten. Erst in Swinemünde konnten zwei der Brüder für alle Angehörigen einen Laib Brot ergattern. Das war dann wohl auch der Grund, daß sie nicht wie ihr Gesprächspartner mit der Bahn nach Dänemark gebracht wurden, sondern auf einem Güterzug nach Bremen gelangten. Gehungert haben sie auch noch weiter, wie Frau Dahlke-von Terzi schreibt: "Obwohl wir in dem Dorf beim größten Bauern untergebracht wurden, bekamen wir keinerlei Verpflegung. Eine Kleinbäuerin, bei der mein Bruder Wolfgang gegen Kost arbeitete, war die Einzige aus dem Dorf, die meiner Mutter und ihren drei Jungen ein wenig Milch und etwas zum Essen überließ. Dieses menschliche Verhalten in dieser für die meisten Flüchtlinge so schweren Zeit führte zu einer lang anhaltenden Freundschaft der beiden Familien und setzte sich auch unter den Nachkommen fort!" Ja, da werden wieder Erinnerungen wach, und wohl nicht nur bei mir! Ich kann mich jedenfalls noch gut an die Zeit in unserm Flüchtlingsquartier in einem Heideflecken erinnern und daran, wie ich einmal nach mehrstündigem Anstehen nach ein bißchen Wurstsupp - ohne jegliche Einlage und mehr Wasser als Brühe - mit leerer Kanne heulend fortgehen mußte. Das sah einer der Glücklichen, die etwas abbekommen hatten, und teilte mit mir seine Brühe! Es war ein Obergerichtsrat aus Danzig ...

Noch einmal zur Flucht über See: Auch Herr Harry Piotrowski aus Hummeltal hat Erfolg mit seiner Suche nach Schicksalsgefährten, die wie er Ende Januar / Anfang Februar 1945 mit der "Potsdam" von Gotenhafen nach Saßnitz flüchteten. Ich hatte bei der Veröffentlichung seines Wunsches in Folge 12 geschrieben: "Da es ein großes Schiff war, dürfte seine Frage nicht ins Leere gehen!" Ist sie auch nicht, wie Herrn Piotrowskis Dankesbrief beweist, in dem er mitteilt, daß sich etliche Landsleute gemeldet haben, die ihm wertvolle Hinweise geben konnten. Darunter auch eine Leserin aus Berlin, die genau den von ihm geschilderten Weg genommen hat. Herr Piotrowski möchte mir gerne seinen Dank persönlich übermitteln - in einem Jahr beim Deutschlandtreffen in Berlin. Da er mir für meine "segensreiche Arbeit" viel Kraft, Glück und Gesundheit wünscht, darf ich ja hoffen!

Und noch ein Brief, über den ich mich sehr gefreut habe. Geschrieben von Frau Alexandra Maria Schubert, die sich wegen der in ihrem Besitz befindlichen Bilder ihres Onkels, des Kunstmalers Hans Kramer, an uns gewandt hatte, da sie sehr schöne Motive aus unserer Heimat zeigen. Sie erweckten in unserm Familienkreis reges Interesse, so daß sich einige heute im Besitz von Leserinnen und Lesern befinden. Und dabei geschah etwas, was ich erhofft hatte, nämlich daß eines der Porträts in die Hände der Familie des oder der Abgebildeten kommt. So geschehen mit dem Bild, das den Fischer Hermann Gulbis aus Pillkoppen zeigt, das sich nun bei dessen Großnichte befindet. Durch deren Erinnerungen gewinnt die Figur des Fischers, der bis zum letzten Atemzug Heimat und Haff treu blieb, an Leben. Die große ehrfurchtgebietende Gestalt trotzte auch den Russen, sie ließen die Flüchtlinge aus Pillkoppen fast unbehelligt. Das Heimweh nach der Nehrung war aber so stark, daß der 75jährige Hermann Gulbis aus dem russischen Lager in Schloßberg zu Fuß heimwärts ging, seine Frau auf dem Handwagen hinter sich herziehend. In Pillkoppen fischte er mit älteren Russen auf einem Keitelkahn, auf dem er dann noch in jenem Jahr verstarb. Sein starkes Herz war mitten beim Fischen stehengeblieben. Seine Großnichte und ihre Mutter, die nach Rossitten zurückgekehrt waren, konnten sein Grab besuchen und das Vaterunser beten. Die Großnichte besitzt kein Foto von dem Mann, den sie als Kind sehr geliebt hatte, weil er so phantasievolle Geschichten erzählen konnte, ein kurischer Münchhausen. Sie ist froh und dankbar, daß sie die Porträt-Zeichnung erwerben konnte, die für sie aussagekräftiger ist als jedes Foto. Und für uns ist es wunderbar, daß dieses Bild nun eine Legende hat. Ja, solche Geschichten schreibt eben nur unsere Ostpreußische Familie.

Und auch in der Ahnenforschung tut sich was.. Kurz und knapp teilte mir Frau Anna-Luise Lucke aus Lüneburg mit, daß sie Herrn Detlef Graf von Schlieben bei der Suche nach dessen mütterlichen Vorfahren helfen konnte. Sein Urgroßvater Carl Julius Streichert, Kürschnermeister in Tilsit, war nämlich auch der Urgroßvater von Frau Lucke. Folglich haben sie auch in dessen Vater, Johann Gottlieb Streichert, einen gemeinsamen Ururgroßvater. Besser geht es doch nicht! Vielen Dank, liebe Frau Lucke, für die schnelle und erfreuliche Information.

Nur kurz bedankt sich Herr Clemens Grimm, der ein Ermländer-Gestüt in Nöda aufbaut, für die zahlreichen Hilfsangebote und die erfolgte Unterstützung seines Vorhabens aus unserem Familienkreis und teilt mit: Es geht gut voran! - Na, da werden wir bald mehr hören. Denn den eigentlichen Zweck seines Briefes belegen die beigelegten Fotos von einer Grabstätte aus dem südlichen Ostpreußen. Herr Grimm schreibt dazu: "Bei meiner letzten Ostpreußenreise kurz vor Ostern fand ich eine verlassene, zerstörte Hofstelle im Kreis Allenstein, genauer: zwischen Groß Kleeberg und Bogdainen. Dort, mitten zwischen den Trümmern des ehemaligen Wohnhauses, befindet sich eine noch gepflegte Grabstätte. Ich hoffe, daß durch eine Veröffentlichung im Ostpreußenblatt geholfen werden kann, Schicksale zu klären." Vielleicht wissen die Angehörigen der hier Begrabenen nicht, daß das Grab - von wem? - gepflegt wird. Zweifellos von polnischer Hand, wie das kleine "r" beweist, das auf deutschen Kreuzen und Grabsteinen nicht zu finden ist. Ein rätselhaftes Grab zwischen Trümmern und Wildwuchs - wer weiß mehr darüber? Für genauere Nachfragen ist Herr Grimm unter der Telefonnummer (01 74) 3 36 26 00 zu erreichen.

Wie unsere Leserinnen und Leser sich engagieren, beweist ein kleines Beispiel. Da hatte vor fast anderthalb Jahren Alfred Schmidt aus Mosbach nach seinen Vorfahren aus Riga geforscht. Es ging um den Namen Runze / Runce. Frau Lieselotte Finckenstein, Gießen, hatte ihm damals schon geantwortet, nun entdeckte sie im Zentralarchiv für Familienforschung in Leipzig zufällig einen Namen, der auf diese Familie hinweisen könnte. Im Taufregister der Jesus-Kirche in Riga ist anno 1703 als Pate ein Jacob Runtz eingetragen. Unterschiedliche Schreibweisen eines Namens hat es damals immer gegeben, erst ab 1800 kristallisierten sich die heutigen Namen heraus. Lieber Herr Schmidt, falls Sie noch immer suchen, lasse ich Ihnen gerne die Kopie zugehen, die Frau Finckenstein angefertigt und mir zugesandt hat.

Ja, das ist doch wirklich eine erfreuliche Familienseite und paßt so ganz zu dem - schon fast sommerlichen - Pfingstfest, für das ich Euch, lewe Landslied, ein paar frohe Stunden unter einem heiteren Sonnenhimmel wünsche. Utgefegt on Sand gestreit - das gilt ja nicht mehr, auch auf die Kalmusstrempel, deren herber Duft früher Flur und Stuben durchzog, müssen wir verzichten. Aber vielleicht strömt er Euch doch in die Nase, wenn Ihr diesen Vers aus dem Memel-Gedicht von Charlotte Keyser lest:

Anne Mämel, anne Mämel,
ös e Dümpel so kleen,
doa wächsd joa de Kalmus,
on de riekt joa so scheen.
Un dem hol wi to Pingste
on schnied em en Stöck
Un bestreie de Trepp
on de Stoawdeele dick.

Eure Ruth Geede

Foto: Grabstätte von Anna Koitka und Maria Rehaag auf einer zerstörten Hofstelle zwischen Groß Kleeberg und Bogdainen: Wer Näheres über dieses Grab sagen kann, wende sich an Clemens Grimm, Telefon (01 74) 3 36 26 00.


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