26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.06.07 / Heimat der leeren Phrasen / Bei ARD und ZDF sitzt der Gebührenzahler bei Polit-Diskussionen im Abseits

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-07 vom 02. Juni 2007

Heimat der leeren Phrasen
Bei ARD und ZDF sitzt der Gebührenzahler bei Polit-Diskussionen im Abseits
von Hans Heckel

Norbert Lammert hat viel Prügel einstecken müssen für seine Idee, Politiker sollten sich zwei Jahre lang von Talkshows fernhalten. Die Politik mache sich "zu billig" durch das ständige Tingeln durch die derzeit schon rund 20 Diskussionssendungen, bemängelt der Bundestagspräsident. Experten wie der Bonner Politikwissenschaftler Gert Langguth halten den Vorschlag des CDU-Politikers indes schlicht für "unrealistisch". Talkshow-Dauergäste wie der Chef der Linksfraktion, Gregor Gysi, widersprechen Lammert entschieden. Der letzte SED-Vorsitzende meint, die Talkrunden seien "wichtig, um die Öffentlichkeit zu erreichen und zu überzeugen".

Daß die dauernden Politikerauftritte die Beliebtheit der Minister, Abgeordneten oder Oppositionschefs keineswegs verbessert haben, dafür sprechen die sinkenden Popularitätswerte des Berufsstandes Politiker ebenso wie das aus Leserbriefen und Zuschauerkommentaren herauszulesende sinkende Ansehen der Talkshows.

Einst galten die Gesprächsrunden als interessante und besonders informative Neuerung im TV-Angebot. Wo zuvor nur Einzelinterviews geführt oder stundenlange Parlamentsdebatten übertragen wurden, trafen die Protagonisten nun einmal frontal aufeinander, dabei Journalisten, die kritische Fragen stellten und heftig nachbohrten, wenn ein Talkgast zu schwafeln begann oder Ausflüchte suchte.

Das ist lange her: Die prominenteste Talkrunde "Sabine Christiansen" ist in den Augen des gelangweilten Publikums verkommen zur Abgabestelle altbekannter, weil schon endlos wiederholter Gemeinplätze.

Vertrauend auf die Eigenheiten des Mediums Fernsehen schielen die Politiker in den Shows vor allem darauf, einen sympathischen und kompetenten "Eindruck" zu hinterlassen. Dabei könnte es geradezu schädlich sein, wirklich auf die Äußerungen gegnerischer Teilnehmer einzugehen.

Viel wichtiger ist es, "Engagement" und "Gelassenheit" zu mimen und mit allen Mitteln sein eigenes Thema, seine eigenen gestanzten Parolen "unterzubringen".

Am Ende nimmt sich die Runde aus wie eine Ansammlung autonomer Rednerpulte, auf denen gehörlose Parteirhetoriker ihre Phrasen dreschen, sobald sie es mit oder ohne die Hilfe der Moderatorin geschafft haben, das Wort für ein paar Momente an sich zu ziehen.

So verkümmert die Debatte zu Wortsalven auf der Jagd nach banalen Effekten. Gewonnen hat, wer die wirksameren Schlagwörter durch den Raum schießt und dabei besonders gut aussieht.

Da wundert es kaum, daß ausgerechnet Gregor Gysi als einer der ersten aufgestanden ist, um die Talkshows gegen die Kritik des Bundestagspräsidenten in Schutz zu nehmen. Es ist das Erfolgsrezept der Linkspopulisten, nur die Ressentiments bestimmter Zielgruppen anzuheizen und sich mit verschwurbelten Floskeln herauszuwinden, sobald die Stichhaltigkeit ihrer Parolen überprüft werden soll. Nirgendwo sonst hätte Oskar Lafontaine seine skandalöse, gleichwohl gezielte Provokation gegen die Bundeswehr so wirkungsvoll herausbellen können wie in der Talkshow - zumal die vor Jahren noch hartnäckig nachfragende Sabine Christiansen ihn gewähren ließ, statt energisch nachzuhaken. Bei angemessen hartnäckiger Nachfrage wäre schnell herausgekommen, daß hinter Lafontaines Ausspruch nichts als billige Effekthascherei steckte. Der anschließenden öffentlichen Kritik vermochte der Linkspolitiker auch nur mit gedrechselten Ausreden zu begegnen und machte eine verdientermaßen armselige Figur dabei.

Die Talkshows haben, so wie sie sind, zweifellos dazu beigetragen, daß sich mittlerweile die politische Debatte nur noch in Phrasen zu erschöpfen scheint. Jüngste Beispiele sind das vorgeschlagene Betreuungsgeld, auf das in schlimmster Talkshowmanier umgehend mit dumpfen Parolen wie "Herdprämie" eingeprügelt wurde, oder der künstlich erzeugte Skandal um sogenannte Geruchsproben zur Ermittlung von Straftätern. Der eigentliche Sachverhalt spielte in den Attacken gegen beides keine Rolle. In der Hoffnung, auf die eigene Klientel Eindruck zu machen, schmissen sich etliche Protagonisten, ohne nachzudenken oder die Sache wenigstens offen zu diskutieren, in Empörungspose.

Das Ergebnis einer solchen Unkultur ist letztlich Erstarrung, in der zwar pausenlos alle möglichen Themen durch die Medien jagen, aber kaum noch etwas wirklich erörtert wird. Am Ende bleibt der Eindruck der Erstarrung, des immer gleichen, künstlich erregten Palavers von Politikern, die in der Sache so gut wie nichts mehr bewegen.

Darum ging es Norbert Lammert, seine Sorge ist berechtigt. Der wachsende Verdruß über die Politik und das schwindende Ansehen der Talkshow gehen nicht bloß Hand in Hand, sie befördern sich gegenseitig.

Als Parlamentspräsident bedauert der CDU-Politiker, daß die öffentliche Debatte in den Shows nicht allein an Qualität verliere, sondern auch, daß der Bundestag als Diskussionsforum kaum noch eine Rolle spiele, seitdem seine Mitglieder viel lieber die TV-Runden nutzen, um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Da allerdings sollten sich Lammert als Chef des Hohen Hauses doch Möglichkeiten bieten, die Debatten unter der Reichstagskuppel wieder so interessant zu machen, daß das Volk sie auch hören möchte. Denn natürlich hat Politikwissenschaftler Langguth recht, wenn er die zweijährige, freiwillige Talkrunden-Abstinenz der Politiker als frommen Wunsch bezeichnet.

Wenn Lammert den Shows mit ihrer öden Effekthascherei das Wasser abgraben will, sitzt er an der richtigen Stelle. Mal sehen, was er daraus macht.

Foto: Werbung für die eigene Linie: Schlagwörter der Politiker werden kaum hinterfragt.

 

Zeitzeugen

Gerhard Löwenthal - Der von 1922 bis 2002 lebende Moderator des "ZDF-Magazins" begrüßte als NS-verfolgter Jude zuerst die Rote Armee als Befreier. Unter dem Eindruck eigener Erfahrungen in der SBZ wurde er dann jedoch zu einem der profiliertesten DDR-Kritiker.

Werner Höfer - Den 1913 in Kaisersesch geborenen Journalisten machte der von ihm moderierte "Internationale Frühschoppen" landesweit bekannt. Das Ende seiner Karriere kam, als 1987 der "Spiegel" auf einen unter seinem Namen 1943 erschienenen Zeitungsartikel hinwies, der die Hinrichtung eines Künstlers aus politischen Gründen rechtfertigt. Ein Vierteljahrhundert vor dem "Spiegel" hatte das bereits der SED-Chefpropagandist Albert Norden getan, aber da war das kein Problem gewesen. Höfer starb 1997 in Köln.

Karl-Eduard von Schnitzler - Die journalistische Karriere des 1918 in Berlin geborenen Kommunisten begann als Kriegsgefangener beim BBC. Nach dem Krieg wechselte er zum Nordwestdeutschen Rundfunk, wo er es schnell bis zum amtierenden Intendanten brachte. Hier eckte der Linke jedoch schließlich an, und er wechselte in die SBZ, wo er schließlich Chefkommentator des DDR-Fernsehens wurde. Ab 1960 moderierte er das Politmagazin "Der Schwarze Kanal". Dem setzte die Wende ein Ende. Er starb 2001 in Zeuthen an den Folgen einer Lungenentzündung.

Friedrich Nowottny - Der 1929 in Hindenburg geborene Oberschlesier leitete ab 1973 das Fernsehstudio Bonn des WDR. Insgesamt 1000mal moderierte er als Studioleiter den "Bericht aus Bonn". 1985 wechselte er innerhalb des WDR auf den Intendantensessel. 1995 ging er in den Ruhestand.

Ernst Dieter Lueg - Der 2000 in Bonn verstorbene Fernsehmann mit Kultqualitäten kam 1930 in Essen zur Welt. Von 1985 bis zu seiner Pensionierung war er in der Nachfolge Nowottnys Leiter des WDR-Studios Bonn. Legendär wurde sein Interview mit Herbert Wehner, in dem dieser knapp antwortete: "Sie wissen nichts, und ich weiß auch nichts." und Lueg mit "Herr Lüg" ansprach, worauf der so Beleidigte mit der Anrede "Herr Wöhner" konterte.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren