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02.06.07 / Kein Dank vom Vaterland / Von der Bundeswehr im Stich gelassen: Kriegsversehrte Bundeswehr-Soldaten klagen an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-07 vom 02. Juni 2007

Kein Dank vom Vaterland
Von der Bundeswehr im Stich gelassen: Kriegsversehrte Bundeswehr-Soldaten klagen an
von Jörg Schmitz

Ihre Arbeit verdient unsere ganze Anerkennung. Unser Land ist stolz auf seine Aufbauhelfer und Soldaten." So Bundesaußenminister Steinmeier beim Truppenbesuch in Kundus nach den jüngsten Anschlägen vor wenigen Tagen. Major Christopher Plodowski und Frank Dornseif empfinden solche Worte wie Hohn. Von Dank keine Spur, kritisieren sie. Beide leiden bis heute unter den Folgen eines Anschlags in Afghanistan und fühlen sich von der Bundeswehr im Stich gelassen.

Rückblick: Kabul am 7. Juni 2003. Plodowski und Dornseif waren für mehrere Monate in Afghanistan stationiert. Der Bus, der sie zum Flughafen und gen Heimat bringen sollte, fuhr in ein mit 150 Kilogramm Sprengstoff beladenes Auto, wurde völlig zerfetzt.

Bei der Explosion starben vier Kameraden. Plodowski selbst wurde schwer verletzt. Frank Dornseif überlebte ohne sichtbare Verletzungen.

Der Major ist fast taub, sein Sehvermögen ist beeinträchtigt. An seinen Armen wurden zwei Arterien durchtrennt.

Vor allem aber leidet er an einer sogenannten "Posttraumatischen Belastungsstörung". Nachts quälen ihn Albträume, tagsüber ereilen ihn sogenannte "Flashbacks", das sind Erinnerungen, die ablaufen wie ein Film und ihn zurück versetzen in die quälenden Ereignisse des 7. Juni 2003: "Ganz entsetzliche Bilder: Viele meiner Jungs haben aus allen Körperöffnungen geblutet, überall Splitterverletzungen, losgerissene Gliedmaßen. Es war ein Bild wie in einem ein Horrorszenario."

Aus dem lebensfrohen Menschen Dornseif hat dieser Tag eine gefühllose Maschine gemacht, wie er selber sagt.

Der Anschlag ist täglich präsent - auch heute noch: Dann ist er wieder in dem Bus - hört die Schreie seiner Kameraden, spürt die Hitze, riecht sogar das verbrannte Fleisch.

Nur mit Medikamenten kann er heute sein Leben bewältigen, kann schlafen, seine Ängste beherrschen. Jetzt nach dem Einsatz fühlt er sich von seinem Arbeitgeber alleingelassen.

Die Bundeswehr sei damals wie heute mit ihnen überfordert, klagen beide. Eine aus ihrer Sicht adäquate psychologische Betreuung hätte nicht statt gefunden. Kollegen hätten ähnliche Erfahrungen gemacht. Und das, obwohl innerhalb der Bundeswehr seit 1996 an die 700 Soldaten und Soldatinnen aufgrund posttraumatischer Belastungsstörungen behandelt wurden.

Zwei Mal bereits versuchte Major Plodowski, seinen Dienst wieder aufzunehmen. Beide Male erlitt er psychische Zusammenbrüche. Das Gutachten eines Bundeswehrarztes bescheinigt ihm eine körperliche und psychische Schädigung von 70 Prozent und damit Dienstunfähigkeit. Die ihn behandelnde Psychologin meint, daß ihn selbst ein Dienst am Schreibtisch überfordern würde.

Doch die Bundeswehr erkennt diese Aussagen nicht an. Sie bestellt eigene Gutachter, die Plodowski nur eine Schädigung von 20 Prozent bescheinigen. Auf maximal 40 Prozent will man sich am Ende einlassen. Damit würde der Major, den bis zu 15 mal täglich "Flashbacks" ereilen, immer noch als eingeschränkt dienstfähig gelten. Mittlerweile klagt Plodowski vor dem Sozialgericht gegen die Bundesrepublik Deutschland. Auch andere Kameraden, die bei dem Anschlag von 2003 schwer verletzt wurden, kämpfen vor Gericht um ihre Ansprüche.

Dabei bemüht sich die Bundeswehr sogar, die Soldaten auf die Schrecken des Krieges vorzubereiten. Auf dem Übungsplatz im fränkischen Wildflecken etwa simulieren die Truppen eine Gasexplosion in einem afghanischen Dorf. Die Bundeswehr wird zu Hilfe gerufen. Geschrei, Hektik, Chaos - Streß für die Soldaten. Alles soll möglichst echt wirken. IED - die militärische Abkürzung für einen Sprengstoffanschlag - liegt wie eine ständige Bedrohung über der Übung.

Der Tod dreier deutscher Soldaten in Kundus stößt - mal wieder - eine Diskussion über die Verantwortung Deutschlands in der Welt an. Weniger Beachtung hingegen findet die Verantwortung Deutschlands für seine im Einsatz verwundeten Soldaten.

Foto: Die Überlebenden: Schon 2003 gab es tödlich endende Anschläge auf Bundeswehrsoldaten. Doch für jene, die das Glück hatten, zu überleben, hat sich ihr Leben häufig für immer verändert.


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