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02.06.07 / Reformen sind eine gute Tradition

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-07 vom 02. Juni 2007

"Auf ein Wort"
Reformen sind eine gute Tradition
von Jörg Schönbohm

Die Reform als Dauerzustand: Seit über einem Jahrzehnt beherrscht die Reformrhetorik die deutsche Politik - ein Ende scheint nicht absehbar. In den letzten Jahren der Regierung Kohl prangerte die sozialdemokratische Opposition fortwährend den "Reformstau" der Regierung an. Unerwähnt ließ sie, daß wichtige Gesetze zur Steuersenkung und -vereinfachung am Veto des SPD-dominierten Bundesrates scheiterten. Ebenso erging es Vorhaben zur jedenfalls teilweisen Reperatur des Rentensystems einschließlich eines demographischen Faktors, den Gerhard Schröder im Vorwahlkampf gar als "unanständig" diffamierte - um ihn im Jahr nach dem Regierungswechsel in ähnlicher Form selbst einzuführen. Rot-Grün heftete sich in der Folgezeit selbst das Prädikat "Reformkoalition" an die Brust und bescherte unserem Land "Reform"-Meilensteine wie die als "Ökosteuer" glorifizierte Erhöhung der Mineralölsteuer, die Homoehe und die ausufernde doppelte Staatsbürgerschaft.

Erst in der zweiten Legislaturperiode brachte Gerhard Schröder unter dem großspurigen Titel "Agenda 2010" eine Reihe von Arbeitsmarktgesetzen auf den Weg. Sie erwiesen sich bei weitem nicht als der nötige "Ruck" (Roman Herzog"), reichten jedoch aus, um die SPD in den größten Identitätsstrudel seit den späten 50er Jahren zu stürzen. Ihren vorübergehenden Vorsitzenden Schröder spülte sie dabei aus dem Kanzleramt.

Rückblick: In diesem Herbst jährt sich zum 200. Mal der Abschluß der "Rigaer Denkschrift" von Karl August von Hardenberg. Seine Erfahrungen aus über 25 Jahren Verwaltungsmodernisierung gingen in diesen Text ein, den er im Auftrag des preußischen Königs binnen zweier Monate mit nur einer Handvoll Mitarbeiter verfaßte. Damit verordnete Hardenberg dem preußischen Staat eine Radikalkur. Zum Vergleich: Die Abschaffung der Adelsprivilegien und die Einführung der kommunalen Selbstverwaltung waren im Preußen des Jahres 1807 sicherlich noch unvorstellbarer als die ersatzlose Streichung des Betriebsverfassungsgesetzes im Deutschland des Jahres 2007.

Doch ohne die schmerzhafte Remedur der preußischen Reformen hätte es den Aufstieg Preußens im 19. Jahrhunderts nicht gegeben. Die materielle Situation und die Finanznot in Preußen zwangen zu grundlegenden Reformen, es ging um die Freisetzung der Gesellschaft und die Mobilisierung der Nation. Eigentum, Freiheit und Verantwortung waren die Prinzipien, die als eine Einheit gedacht waren. Dazu brauchte es das Aufbrechen der Verkrustungen, Gerechtigkeit gegen jedermann, Hinterfragen der unterschiedlichsten Einflußgruppen (Ständestaat) sowie mehr Freiheit und Eigenverantwortung.

Und zur Freiheit gehört der Unterschied, die Ungleichheit. Die Menschen sind verschieden, haben unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Stärken, unterschiedliche Bedürfnisse. Schon bei unseren kleinen Kindern bemerken wir ja ganz verschiedene Verhaltensweisen und Reaktionen. Wer hingegen die Gleichmäßigkeit aller will, schafft dies nur durch staatliche Bevormundung und Unfreiheit, im letzten nur durch eine Erziehungsdiktatur.

Sind solche einschneidenden Reformen auch in einer heutigen Demokratie denkbar? Ja! Nach dem Krieg erlebte die Bundesrepublik einen beispiellosen Wiederaufstieg. Ermöglicht wurde er durch die grundlegende Entscheidung für die Soziale Marktwirtschaft. Gegen den entschiedenen Widerstand von Sozialdemokraten und Gewerkschaften, welche die Planwirtschaft forderten, vertrauten Adenauer und Erhard den Kräften des Marktes, dem Einfallsreichtum der Unternehmer und dem Fleiß einer vom Krieg geschundenen Generation. Die Freiheit und Verantwortung der Menschen und die Dynamik der Sozialen Marktwirtschaft erwiesen sich als erfolgreicher als jede staatliche Planwirtschaft.

Als ich im Jahr 1957 mein Abitur machte und als Wehrpflichtiger meine berufliche Laufbahn begann, betrug der tariflich festgelegte Jahresurlaub zwölf Tage, Samstage einberechnet, 45- und 48-Wochenstunden waren üblich. War das Ausbeutung? Ist es für uns wirklich unzumutbar, heute eine oder zwei Wochenstunden Mehrarbeit ohne Lohnausgleich zu leisten oder auf ein, zwei Urlaubstage zu verzichten?

Zur Erinnerung: Mit ihrem Streik verteidigten die Telekommitarbeiter in den letzten Wochen ihre Wochenarbeitszeit von 34 (in Worten: vierunddreißig) Stunden.

Der jetzige Aufschwung ist vor allem das Ergebnis von Lohnbescheidenheit, guter Arbeit der Unternehmer und des Vertrauens darauf, daß die neue Regierung die Kräfte unseres Landes entfesseln und entfalten wird. Dieses Versprechen gilt es zu halten und die notwendigen Reformen weiter voranzutreiben.

Foto: Friedrich II. besucht Bauern: Sein Großneffe und später ebenfalls König von Preußen Friedrich Wilhelm III. beschnitt die Adelsprivilegien im Rahmen der Bauernbefreiung und Stärkung des Bürgertums.


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