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09.06.07 / "Auf den Hosenboden" / Neue Bundesländer: Junge Männer bleiben zurück, Frauen werden gefördert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

"Auf den Hosenboden"
Neue Bundesländer: Junge Männer bleiben zurück, Frauen werden gefördert
von Markus Schleusener

Eva Diezemann hat ihrer Heimatstadt Kleinmachnow im Jahr 2000 den Rücken gekehrt. Sie ging in die Schweiz. Schon für ihre Ausbildung in einem Berliner Hotel in der Nähe vom Flughafen Tegel hatte sie einen recht mühsamen Anfahrtsweg in Kauf nehmen müssen. Als dann das Angebot von einer bekannten Hotelkette kam, zögerte die damals 24jährige nicht lange.

Eigentlich wollte Eva Diezemann nach dem Abitur Grafikdesignerin werden. Weil das nicht klappte, besorgte sie sich den Hoteljob. Jetzt hat sie eine gutbezahlte Stelle in einem erstklassigen Hotel bei den Eidgenossen. Einen neuen Freund hat sie auch.

Wieder eine, die es weit in den Westen geschafft hat.

Aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Mitteldeutschland ziehen die Leute weg. So geht das seit Kriegsende 1945. Und seit 1989 allein sind 1,5 Millionen abgewandert, also rund ein Zehntel der einstigen DDR-Einwohnerzahl. Der jüngste Trend, den Forscher feststellen, ist, daß vor allem junge Frauen das Gebiet verlassen. Deswegen ist im Osten der Republik "Not am Mann", so lautet auch der Titel der Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerungsentwicklung, das in der vergangenen Woche vorgestellt wurde.

Bei den unter 30jährigen sind 400000 Frauen, aber nur 273000 Männer gegangen. Junge Frauen haben es leichter, weil sie bessere Schulzeugnisse vorzuweisen und ihr "Leben besser im Griff" haben. Für viele geht der Ortswechsel mit der Suche nach einem richtigen Partner einher. Frauen sind stets versucht, "nach oben" zu heiraten, was in einem Landstrich mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit zu einem fast aussichtlosen Unterfangen wird.

Diese Wanderung führt in manchen Regionen zu einem erheblichen Männerüberschuß (bis zu 20 Prozent!). Die Zurückgebliebenen schwanken zwischen Resignation und Frust. Viele haben sich nolens volens eingerichtet. Hartz IV sei so schlecht nicht, sagt ein Mann in der Studie.

Dieses Geschlechterverhältnis ist einzigartig. Nicht einmal am Polarkreis gibt es ein so unausgeglichenes Verhältnis zwischen Mann und Frau wie in den Neuen Ländern. Daraus folgen weiter niedrige Geburtenraten - ein Teufelskreis.

Andererseits gibt es Teenager, die am laufenden Band Kinder gebären, weil es sich mit Stütze plus Unterhalt ganz gut leben läßt. "Irgendein Dummer findet sich immer", zitieren die Autoren eine 18jährige Ost-Mutter, die über niemand anderen als über die Väter ihrer Kinder spricht. Eine Lebenseinstellung übrigens, die vom Bundesverfassungsgericht soeben durch eine Entscheidung in Sachen Unterhaltsrecht noch einmal gestärkt worden ist.

Panik aber muß nicht sein. Jede Krise beinhaltet immer auch eine Chance, meist trägt ein Niedergang schon den Keim des nächsten Aufschwungs in sich.

Und so ist bereits ein gegenläufiger Trend im Gange. Es zieht immer mehr ältere Westdeutsche gen Osten. In den "blühenden Landschaften" läßt es sich nach den Milliardeninvestitionen des "Aufschwung Ost" schließlich hervorragend leben - außer jemand ist gerade auf Stellensuche.

In Chemnitz kostet einen topmodernisierte Vier-Zimmer-Altbauwohnung in guter Innenstadtlage nur 600 Euro. Davon können Münchener oder Düsseldorfer nur träumen. Durch den zusätzlichen Alterungsprozeß der Volksstruktur steigt der Bedarf für (zumeist weibliches) Pflegepersonal. Und kaufkräftige Westrentner haben noch viele weitere Bedürfnisse, die von Unternehmen vor Ort abgedeckt werden müssen.

Insofern war die Reaktion von Teilen der Medien und der Politik auf die Veröffentlichung der Studie überdramatisch. Von einer "Alarmstudie" war die Rede, ja vom "Aussterben der Ossis" ("Berliner Kurier"). Und die "Zeit" malte (mal wieder) das Schreckgespenst von einer neuen Unterschicht an die Wand. Diesmal nicht "jung, männlich, mit Migrationshintergrund", sondern jung, männlich und ohne Zuwandergeschichte.

Vor allem die (auch nicht neue) Erkenntnis, daß junge Männer bevorzugt NPD oder DVU wählen, hat sofort antifaschistische Reflexe wie Forderungen nach Programmen und Gegenmaßnahmen ausgelöst.

So forderte der frühere Bundestagsabgeordnete Werner Schulz (Bündnis 90 / Grüne) im Deutschlandfunk die "Dominanz der Frauen" in den Grundschulen "zu brechen." Unerhörte Worte aus dem Munde eines Grünen-Politikers. Aber an der Tatsache, daß ein stark von Frauen dominierter Lehrkörper zu einer Vernachlässigung der Ausbildung der Jungen führt, kommt niemand mehr vorbei.

Gelassener reagierte da Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). Er warnte vor Schnellschüssen. Den Jungen und Männern warf er vor, "den Ernst der Lage nicht erkannt" zu haben. "Sie müssen sich auf ihren Hosenboden setzen und lernen", sagte er. Gezielte Programme zur Förderung von Jungen will er deswegen nicht einführen.

Offensichtlich soll die gezielte Förderung von Frauen aber beibehalten werden. Jedenfalls hat weder Böhmer noch sonst irgendjemand etwas von einem Ende der bevorzugten Behandlung von Frauen, beispielsweise bei Einstellung und Beförderung im öffentlichen Dienst, gesagt.


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