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09.06.07 / An Merkel gebunden / Das Ende der Großen Koalition wäre auch das Ende des SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

An Merkel gebunden
Das Ende der Großen Koalition wäre auch das Ende des SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering
von Hans Heckel

Das herablassende Verständnis, das Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) aus den Reihen des Koalitionspartners erntet, schmerzt den Westfalen mehr als die giftigen Attacken seines Ex-Genossen Oskar Lafontaine, der ihn ein "Großmaul mit intellektuellen Defiziten" nannte. CDU-Generalsekretär Roland Pofalla traf bei Müntefering ins Schwarze, als der dem Sozialdemokraten die jüngsten Attacken auf den schwarzen Koalitionspartner nachsah mit dem lapidaren Hinweis, die SPD sei eben "verunsichert".

Die Verunsicherung hat gute Gründe: Die Wahl in Bremen bleibt im Gedächtnis als Durchbruch der Linkspartei, die es auf populistische Weise versteht, die SPD als "sozial ungerecht" abzustempeln. CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen wiederum fischt recht erfolgreich im Reservoire klassischer SPD-Themen wie der staatlichen Kinderbetreuung. Das Terrain der SPD schrumpft von beiden Seiten. Und der rote Gegenschlag, der gesetzliche Mindestlohn, könnte bei der nächsten Koalitionsrunde am 18. Juni am hinhaltenden Widerstand der Kanzlerin scheitern.

An der SPD-Basis macht sich Verzweiflung breit, die in eine geheime Sehnsucht mündet: raus aus dieser Koalition. Viele Genossen würden sogar die Oppositionsrolle vorziehen, als - gefangen im schwarz-roten Bündnis - zerrieben zu werden zwischen Linksaußen-Populisten und geschmeidig sozialdemokratisierenden Unionspolitikern.

Doch den vorzeitigen Bruch der Koalition will Müntefering um fast jeden Preis vermeiden. Er hat dieses Bündnis wesentlich mit zustandegebracht, wird wie kaum ein anderer in der SPD-Spitze mit Schwarz-Rot identifiziert. Zudem erhöht sich hinter dem schwelenden Richtungsstreit bei den Sozialdemokraten der Druck zum Generationenwechsel, zu dessen prominentesten Opfern der Vizekanzler, mit 67 Jahren ohnehin Senior im Kabinett, zählen würde.

Nicht umsonst positionieren sich Nachwuchsgenossen wie Andrea Nahles unverhohlen stramm links und jagen den zum rechten Parteiflügel gerechneten Müntefering eifrig vor sich her. Was Nahles und Genossen in den Medien vertreten, klingt in den Ohren frustrierter Genossen wohltuend wie die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln.

2010 etwa steht die endgültige Entscheidung über die Rente mit 67 an. Im bisherigen Beschluß heißt es, bis dahin solle geklärt werden, ob das höhere Eintrittsalter wirklich notwendig sei. Damit hätte die SPD-Linke den ersehnten Wahlkampfschlager, mit dem etliche Sozialdemokraten gern schon lange vor dem regulären Termin der nächsten Bundestagswahlen im Herbst 2009 punkten würden - vor allem jene, die kommendes Jahr vor Landtagswahlen stehen.

Franz Müntefering ist nun in der schwierigen Lage, beides unter einen Hut bringen zu müssen: Der SPD-Basis das Gefühl zurückgeben, daß ihre Partei weiterhin auch innerhalb von Schwarz-Rot für die sozialdemokratischen Kernanliegen steht, und andererseits den Bruch der Koalition vermeiden. Doch um die Fortführung des Bündnisses in den eigenen Reihen rechtfertigen zu können, muß er demnächst einen sichtbaren Erfolg vorweisen. Dafür ins Auge gefaßt hat er den Mindestlohn.

Parteichef Kurt Beck ist ihm bei alldem keine Hilfe. Eher im Gegenteil versucht auch der SPD-Vorsitzende mit allen Mitteln, sein innerhalb wie außerhalb der Partei blasses Ansehen aufzupolieren - mit bislang niederschmetternden Resultaten. Becks Popularität dümpelt auf jammervollem Niveau dahin. Er wird daher nicht davor zurückschrecken, sich auch auf Kosten von Franz Müntefering zu profilieren.

Mit seinen überraschend kritischen Äußerungen über den Führungsstil von Kanzlerin Merkel versucht Müntefering nun den Druck auf die CDU-Chefin zu erhöhen. Er benötigt einen Sieg wie den Mindestlohn, den er einer Trophäe gleich bei den Genossen herumzeigen kann. Doch Merkel sitzt am beträchtlich längeren Hebel: Im Unterschied zu ihrem roten Kabinettsvize kann sich die Kanzlerin einer nie gekannten Machtfülle in ihrer eigenen Partei erfreuen. Die Phalanx ihrer einst gut organisierten unionsinternen Widersacher hat sich zerstreut. In der CDU macht ihr den Führungsanspruch derzeit niemand streitig und die CSU hat mit sich selbst genug zu tun. Sollte die SPD das Bündnis tatsächlich platzen lassen, müßte sich die Kanzlerin also keine Sorgen machen um ihren Führungsanspruch in der Union.

Merkel kann ihren Vize schließlich einfach auflaufen lassen, wenn sie Zeitpunkt und Gegenstand der Auseinandersetzung für geeignet hält. Die SPD-Minister müßten aus eigenem Entschluß unter Führung von Franz Müntefering den Bettel hinschmeißen. Danach blieben bis zum nächsten Urnengang - ob zum regulären Zeitpunkt 2009 oder vorgezogen - zwei denkbare Lösungen: Eine CDU/CSU-Minderheitsregierung unter Angela Merkel oder ein rot-rot-grünes Bündnis unter einem SPD-Kanzler, der gewiß nicht Franz Müntefering hieße. Seine Karriere wäre beendet.

Foto: Erfolglos: Eigentlich sollte Kurt Beck (l.) die SPD stark machen, doch der Parteichef hat Müntefering enttäuscht.


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