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09.06.07 / Ost-Deutsch (18): Zeug

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

Ost-Deutsch (18):
Zeug
von Wolf Oschlies

Mit "lagani cajg" (leichtem Zeug, also Angelgerät) habe er stolze Fänge gemacht. Dieses kroatische Anglerlatein unserer Tage ist ein direkter Nachkomme alt- und mittelhochdeutschen Wortgutes, damals meist mit Präfix, aber bekannt jedem, "der von altem geziuge ein niuwez hûs mahte" (aus altem Zeug ein neues Haus machte). Das Wort hat früh unendliche Bedeutungsvielfalt entwickelt, die bis heute lebt: wertloses "Zeug" nicht loswerden, "sich ins Zeug legen" (Zuggerät), "am Zeuge flicken" (Kleidung), "das Zeug zu etwas haben" (Fähigkeit), "Feuerzeug", "Spielzeug", Schanzzeug", "was das Zeug hält" und vieles mehr.

Durch den "Ackermann aus Böhmen" von 1400 ist das Wort auch im östlichen Raum verbürgt, wo es nie ausstarb. In Regiolekten Mährens bezeichnet "cajk" ein Werkzeug, einen Kleidungsstoff oder einen guten Charakter: "bat v cajku" (im Zeuge sein) heißt so viel wie tadellos. Im slowakischen Nitra habe ich noch diesen März eine Ladenwerbung für "vercajch" (Werkzeug) gesehen. Bei Polen ist "cajg" ein "bawelniana tkanina ubraniowa, czasem w pasy lub krate", das heißt "ein Kleiderstoff aus Baumwolle, manchmal gestreift oder kariert". Große Mode war "cajg" nie - seit dem 17. Jahrhundert verwendete man es "do szycia niskej jakosci ubran roboczych" (zum Nähen gröbster Arbeitskleidung).

Bei Südslaven finden sich schöne Komposita mit "Zeug" wie das "escajg", wörtlich "Eßzeug", also Besteck: "U Engleskoj se prodaje escajg od sterling srebra", las ich im April in einer serbischen Zeitung: In England wird Besteck aus Sterlingsilber verkauft. Bei Kroaten heißt "obitelski escajg" direkt "Familienbesteck", übertragen "Familiensilber", also letzter Rückhalt, den man nicht angreift.

Am 26. Februar 2005 startete im slawonischen Osijek "grincajg", was traditionell Gemüse bedeutet, ähnlich unserem "Suppengrün". Wenn im Winter nur "skup grincajg" (teures Gemüse) auf dem Markt ist, werden Südslaven böse. Das Osijeker "Grincajg" will hier überregionale Ordnung schaffen - als "elektronisches Netzwerk ökologischer Gruppen in Kroatien, Serbien, Montenegro und Bosnien". Das Gründungsprotokoll verbreitete man auch auf Englisch, versuchte aber gar nicht erst eine Übersetzung des (deutschen) "grincajg". Da wäre gewiß wirres Zeug herausgekommen.


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