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09.06.07 / Die Dauerkrise im Libanon / UN-Beschluß sorgt für weitere Verschärfung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

Die Dauerkrise im Libanon
UN-Beschluß sorgt für weitere Verschärfung
von R. G. Kerschhofer

Der Libanon kam zuletzt gleich aus zwei Gründen in die Schlagzeilen: Einmal wegen der Kämpfe zwischen der libanesischen Armee und der angeblich palästinensischen "Fatah el-Islam" um das Flüchtlingslager Nahr el-Barid. Zweitens wegen des UN-Beschlusses, zum Mord am früheren libanesischen Ministerpräsidenten Hariri ein internationales Tribunal einzusetzen.

Es begann am 20. Mai, als die libanesische Polizei mutmaßliche Bankräuber bis in das Lager verfolgte. Doch heftiger Widerstand der Fatah el-Islam fügte der Polizei und der zu Hilfe gerufenen Armee so schwere Verluste zu, daß die Regierung keine andere Wahl hatte, als auf hart zu schalten - Eigendynamik des Konflikts führte zur Eskalation.

Prompt behauptete aber die libanesische Regierung, Syrien stecke hinter Fatah el-Islam. Nun ist zwar im Nahen Osten alles möglich, doch hier spricht etwas dagegen: Nämlich daß sich Syrien intensiv um internationale Unterstützung bemüht und daß auch die prosyrische libanesische Opposition das Vorgehen gegen Fatah el-Islam befürwortet.

Mehr noch spricht dagegen, was über Fatah el-Islam bekannt ist: Diese sunnitische Gruppe spaltete sich im November 2006 von der "Fatah el-Intifada" ab - beide haben nichts mit der "El-Fatah" in Palästina zu tun. Unter den etwa 250 Kämpfern der Fatah el-Islam gibt es zwar einige Palästinenser, die meisten sind jedoch "Dschihadisten", also islamische "Internationalisten". Anführer ist der 1955 in Jericho geborene Schaker El-Abbassi. Er soll enge Kontakte zu El Kaida haben - Syrien aber bekämpft El Kaida ebenso, wie das der Iran tut und Saddam Hussein tat. Von Syrien wurde El Abbassi im Jahr 2000 wegen Waffenschmuggels zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. (Wegen Ermordung eines US-Diplomaten ist er in Jordanien sogar zum Tod verurteilt.)

Der renommierte US-Journalist Seymour Hersh meinte bereits am 5. März in "The New Yorker", die libanesische Regierung unterstütze die sunnitische Fatah el-Islam, um die schiitische Hisbollah zu schwächen.

Franklin Lamb, Hisbollah-Experte an der Amerikanischen Universität Beirut, sprach von diesbezüglichen Verhandlungen zwischen dem US-Unterstaatssekretär David Welch mit Saad Hariri (dem Sohn des ermordeten Ex-Premiers) und Vertretern Saudi-Arabiens. Und im CNN-Interview stößt Hersh nun nach.

Er verweist auf ein Treffen von US-Vizepräsident Cheney mit dem saudischen "Sicherheits"-Prinzen Bandar sowie auf die Parallelen zu Afghanistan: Derselbe Prinz hatte mit den USA einst beim Aufbau der El Kaida zusammengearbeitet.

Im Zusammenhang mit Nahr el-Barid mag man auch fragen, wieso es überhaupt noch "palästinensische Flüchtlingslager" gibt.

Nun, Lager im herkömmlichen Sinn sind es nicht mehr, denn es gibt nur noch gemauerte, meist mehrstöckige Gebäude unterschiedlichster Qualität. Doch selbst am Wort "Flüchtlingslager" wird die weltweite Meinungs-Manipulation sichtbar: Denn die Bewohner sind Heimatvertriebene, nicht Flüchtlinge!

Daß die Aufnahmeländer diesen vor 60 Jahren Vertriebenem nicht einfach die Staatsbürgerschaft gaben, hat mehrere - auch eigennützige - Gründe. Das gewichtigste Argument leiten die Araber aber aus den Erfahrungen in Europa ab: Wer Vertriebene einbürgert, untergräbt deren Recht auf Rückkehr.

In dem von Frankreich künstlich geschaffenen Libanon kam dazu, daß die Einbürgerung der sunnitischen Palästinenser das religiöse Gleichgewicht gestört hätte.

Doch dieses ist schon allein wegen unterschiedlicher Geburtenraten längst nur mehr Fiktion - und zugleich ein Grund für die Dauerkrise, denn heute sind die Schiiten deutlich unterrepräsentiert. Einem formell zwar aufgehobenen, aber de facto weiter bestehenden Abkommen von 1969 zufolge darf die libanesische Armee die Lager nicht betreten.

Eben darum können sich immer wieder Extremisten wie Fatah el-Islam in Lagern einnisten. Und darum könnte sich die Krise auf weitere Lager ausdehnen.

Das Hariri-Tribunal - vom UN-Sicherheitsrat gegen starke Vorbehalte und Stimmenthaltungen von Rußland, China, Katar, Indonesien und Südafrika beschlossen - gießt weiteres Öl ins Feuer und vertieft die Kluft zwischen Regierung und prosyrischer Opposition.

Selbst die so zurückhaltende "Neue Zürcher Zeitung" titelt in Klartext: "Das Hariri-Tribunal verschärft den Streit in Beirut."

Aber internationale Polit-Justiz muß offenbar sein, ungeachtet aller Kosten und Folgewirkungen.


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