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09.06.07 / Syrien - stabil trotz Nahostkrise / Das abschreckende Beispiel Irak stärkt das Regime

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

Syrien - stabil trotz Nahostkrise
Das abschreckende Beispiel Irak stärkt das Regime
von R. G. Kerschhofer

Nachdem schon bei den Parlamentswahlen vom 22. April die Regierungskoalition eine Zweidrittelmehrheit erreicht hatte, brachten auch die Präsidentschaftswahlen vom 27. Mai eine geradezu "volksdemokratische" Wiederbestätigung für Staatspräsident Baschar el-Assad. Die herrschende Baath-Partei hat allerdings bereits kraft Verfassung einen Führungsanspruch, die erlaubten Parteien sind mit Baath in der "Nationalen Fortschrittsfront" vereint, und auch die "unabhängigen" Parlamentarier durften nur nach Vorauslese kandidieren. Bei den Präsidentenwahlen war Baschar el-Assad der einzige Kandidat, und die offiziellen Zahlen über die Wahlbeteiligung dürften weit überhöht sein.

Ehe man aber die Nase rümpft, sollte man sich einiges überlegen: Ob sich "Demokratien" wirklich prinzipiell oder nur graduell davon unterscheiden - man denke an Parteienzulassung, einseitige Meinungsbildung und sinkende Wahlbeteiligung, "weil sich ohnehin nichts ändert". Weiters, ob nicht auch die Meinung über Syrien verzerrt ist, weil die Meinungsmacher bei befreundeten Staaten beide Augen zudrücken. Und schließlich, ob es denn Alternativen gibt - nicht hypothetische, sondern konkrete und in allen Konsequenzen durchdachte.

Baschar el-Assad "erbte" das Präsidentenamt von seinem im Jahr 2000 verstorbenen Vater Hafes el-Assad - allerdings nur, weil Baschars älterer Bruder 1994 bei einem Autounfall gestorben war. Baschar mußte damals seine Laufbahn als Augenfacharzt in London aufgeben und heimkehren. Der steif und wegen seiner überragenden Körpergröße etwas linkisch wirkende Baschar wurde zunächst nur als Marionette des alten Apparats angesehen.

Doch anders als sein Vater, der 1961 durch einen Militärputsch an die Macht kam, einen ostblockartigen Unterdrückungsapparat aufbaute und bei Niederschlagung des Aufstands in Hama 1982 ein Blutbad mit über 20000 Toten anrichten ließ, war der neue Präsident nicht belastet. Und obwohl er auf den vorhandenen Machtapparat angewiesen war, verstand er es, die "alte Garde" allmählich auszuhebeln und durch andere, ebenfalls unbelastete oder weniger belastete Leute zu ersetzen. Die Hoffnungen auf Liberalisierung erfüllten sich zwar nur teilweise, denn es gibt weiterhin Zensur, politische Gefangene und Foltervorwürfe, aber von all dem deutlich weniger als früher.

Der Personenkult, der rund um die Präsidentenwahlen an die Zeiten von Hafes el-Assad erinnerte, scheint eher dem politischen Kalkül des Apparats als den Wünschen des Präsidenten zu entsprechen. Und er wäre in diesem Ausmaß gar nicht nötig, denn Baschar el-Assad hat einige Trümpfe in der Hand: Da ist einmal das abschreckende Beispiel Irak. Allen Syrern - auch den gleichgültigen, ja selbst den Feinden des Regimes - ist bewußt, daß ein Aufstand oder eine ausländische Intervention Syrien in ein ähnliches Desaster stürzen würde. Und auch zu hastige Liberalisierung würde ins Chaos führen.

Damaskus gilt heute als eine der sichersten arabischen Großstädte. Vor allem aber ist ein deutlicher Wirtschaftsaufschwung zu verzeichnen, der eine zahlungskräftige Mittelschicht hervorbrachte. Die Gründe dafür liegen teils in vorsichtigen Reformen, die Syrien von einer staatssozialistischen Wirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft hinführen sollen. Auch entlastet der erzwungene Rückzug aus dem Libanon das Budget - und belebt die lokale Wirtschaft, weil der Schwarzhandel über die Armee wegfällt. Die Angst vor Kontenblockierungen durch die USA bewirkte, daß viel Fluchtkapital nach Syrien heimkehrte, und auch Golf-Araber investieren in großem Stil. Dennoch bleiben viele Probleme, denn das Erdöl reicht nicht mehr für den Eigenbedarf, und es gibt 1,2 Millionen irakische Flüchtlinge.

Die Vorwürfe, Syrien stecke hinter diversen politischen Morden im Libanon, könnten zwar teilweise berechtigt sein, denn in der "alten Garde" ist es manchen zuzutrauen, sich rächen und dem Präsidenten Probleme machen zu wollen. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, die sich so formulieren lassen: Jeder prominente Libanese, dessen Ermordung man Syrien in die Schuhe schieben könnte, lebt in akuter Lebensgefahr.

Der kürzliche Besuch der demokratischen Präsidentin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Damaskus und äußerst optimistische Aussagen von Ex-Präsident Bill Clinton lassen die Syrer allerdings auf Entspannung hoffen. Aber noch sind George Bush und Ehud Olmert am Ruder ...

Foto: Trotz seiner steifen Art wird er gut in Szene gesetzt: Syriens Präsident Assad umgeben von syrischen Kindern


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