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09.06.07 / Wo ist der Sand? / Das Meer verleibt sich die Küste des Königsberger Gebietes ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

Wo ist der Sand?
Das Meer verleibt sich die Küste des Königsberger Gebietes ein
von Jurij Tschernyschew

Die Küste des Königsberger Gebiets dehnt sich über 149 Kilometer aus, 76 davon entlang der Samlandküste von Pillau bis Cranz und 73 Kilometer von der Kurischen bis zur Frischen Nehrung. Im Moment sind die Ufer einem aktiven Erosionsprozeß unterworfen. Die Strände werden ständig unterspült und befinden sich in einem kritischen Zustand. Am meisten sind von den Zerstörungen durch die Naturgewalten die bei Urlaubern beliebtesten Strände von Rauschen und Cranz betroffen.

Der Hauptgrund für die intensive Unterspülung der Strände und Ufer ist der, daß angeschwemmter Sand fehlt und heftige Stürme wüteten. Während der vergangenen 40 Jahre ist das Ufer der Kurischen Nehrung bei Sarkau (Lesnoje) um 50 Meter zurückgewichen. Nur ein Vierteljahrhundert ist es her, daß die Strände in Cranz und Rauschen breit und sauber waren, von den Nehrungsufern bis zum Meer war es dreimal so weit. Heute schlagen die Meereswellen direkt an die Betonsäulen der Promenade, und die sogenannten Schutzbauten aus rostenden Metallkonstruktionen und alten Autoreifen können nichts mehr ausrichten.

Eine radikale Entscheidung zum Küstenschutz könnte die in vielen Ländern der Welt gebräuchliche künstliche Auffüllung der Lücken mit Unterwasser-Böschungen aus lockerem Material, mit Aufschüttungen und Anspülungen an den Stränden sein. Im Königsberger Gebiet könnte das westliche Ufer der Samlandküste im Bereich von Palmnicken als leuchtendes Beispiel dienen. Als Ergebnis jahrelanger Aufschüttungen mit Sand und Boden aus den Bernsteinbrüchen ist an großen Teilen des Ufers ein Strand von 500 bis 700 Metern Tiefe entstanden. Das Ufer wurde mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt. Die Mehrheit der Experten ist zu der Meinung gekommen, daß in 15 Jahren die Uferstraßen von Rauschen und Cranz gänzlich von Wasser überflutet sein werden, wenn nicht dringend Maßnahmen ergriffen würden.

Im Mai trafen sich die Gebietsverwaltung und Gouverneur Boos in Rauschen. Verwundert mußten sie feststellen, daß überhaupt kein Strand mehr vorhanden war. Der Gouverneur schlug vor, den Strand künstlich zu verbreitern. Spezialisten empfahlen den Bau von Wellenbrechern und das Aufschütten von Sand, der die Breite des Strandes auf bis zu 50 Meter vergrößern könne. Die Arbeiten sollen im Herbst beginnen.

Zur Zeit hat sich im Königsberger Gebiet eine sehr heiße Wetterperiode eingestellt und viele Bewohner und Gäste zieht es an die Strände der Ostseeküste. Jedoch werden sie mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die sie sich selber geschaffen haben.

Einst gab es zwischen den Orten Gr. Dirschkeim (Donskoje) und Gr. Hubnicken (Sinjawino) einen geheimen Abstieg zum Meer, der nur den Einheimischen bekannt war. Die ungefähr 200 Meter hohe Böschung war nicht befestigt. Dank der weiten Verbreitung des Autos als Transportmittel der Einwohner ist dieser Ort heute ein Zugang zum Meer für alle Autofahrer geworden. So wurde der ungeschützte Strand in ein Eingangstor, oder genauer, in eine Durchgangsstraße verwandelt. Als ob der Strand das Zentrum von Königsberg wäre, fahren kecke Jugendliche ununterbrochen mit Jeeps dicht an den Köpfen der am Strand Liegenden vorbei.

In Neukuhren, nicht weit von Rauschen, gibt es ein weit verbreitetes Problem: Es gibt keine Duschkabinen und keinen Sonnenschutz, keine gekennzeichneten Badebereiche für Kinder. Es ist ein idealer Platz nur für diejenigen, die es nicht stört, daß mit Fäkalien verschmutzte Flüsse in das Meer geleitet werden.

An einem anderen beliebten Badeort, dem Strand in der Nähe von Strobjehnen, zeigt sich in den Sommermonaten folgendes Bild: Neben einer großen Zahl von Zelten häufen sich Glas- und Plastikflaschen und Glassplitter. Um die Säuberung der Hinterlassenschaften der wilden Camper kümmert sich niemand.

In der Nähe von Weischkitten (Sokolniki) sieht der Strand besser aus. Zumindest fallen die kleinen Müllstückchen nicht sofort ins Auge. Im grünen Waldgürtel ist alles anders. Viele Erholungssuchende, die an den Wochenenden hierher kommen, verspüren keinen Drang danach, aufzuräumen. An den Brandstätten der Feuer liegt zerbrochenes Glas und verschiedenes Verpackungsmaterial herum. Darüber hinaus ragen noch überall Holzstümpfe hervor. Es scheint, als seien dem nächtlichen Feuer und den Schaschlikspießen kleinere Bäume und Äste zum Opfer gefallen. Die einzige Toilette wird nicht benutzt, da die Leute sich für die Erledigung ihrer menschlichen Bedürfnisse lieber in die Büsche schlagen.

Inzwischen beunruhigt das Benehmen der Königsberger an den Gewässern immer häufiger die Rettungsdienste. Im vergangenen Jahr sind während der Badesaison über 20 Menschen infolge von Trunkenheit und unvernünftigem Verhalten im Meer ertrunken. Das Problem wird zudem durch das Fehlen ausreichender Rettungsstationen verschärft, einige sind in Bars und Cafés untergebracht, andere bleiben verwaist.

Nach Ansicht des Industrieministers der Königsberger Verwaltung, Nikolaj Wlassenko, liegt der Grund für den schlechten Zustand und Service an den Stränden darin, daß sie sich im Besitz der Russischen Föderation befinden. Die Regionalregierung möchte den Küstenstreifen in den Besitz des Gebietes bringen und den Strand stückchenweise verpachten. Kommerziell anziehende Grundstücke würden dann an private Investoren vergeben, die dann verpflichtet würden, das Gelände in Ordnung zu halten und sich darum zu kümmern, während die weniger besuchten Orte unter die Obhut der Ortsverwaltung gestellt werden sollen.


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