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09.06.07 / Lehrreiche Lektüre für Träumer / Volker Koops Buch "Besetzt" zerstört eventuelle Illusionen, daß die Alliierten Deutschland 1945 hätten befreien wollen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

Lehrreiche Lektüre für Träumer
Volker Koops Buch "Besetzt" zerstört eventuelle Illusionen, daß die Alliierten Deutschland 1945 hätten befreien wollen
von Hans-Joachim von Leesen

Vieles wissen die Zeitgenossen über Deutschland zur Zeit der nationalsozialistischen Regierung und die junge Bundesrepublik - vor allem alles über deren dunkle Seiten. Daß aber zwischen der Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945 und der Gründung der BRD sowie der DDR die Deutschen vier Jahre lang unter der Herrschaft von Militärregierungen der Sieger leben mußten, das ist weitgehend aus dem Bewußtsein verdrängt. Kaum jemand weiß über die damaligen Lebensverhältnisse der Besiegten und über das Verhalten der Sieger Konkretes. Da ist es zu begrüßen, daß ein Verlag jetzt den zweiten Band einer populärwissenschaftlichen Darstellung der Besatzungszeit auf den Markt bringt, in dem ein Journalist unter dem Titel "Besetzt" die US-amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland in großen Zügen schildert, nachdem er im ersten Band über die französische Besatzungszone berichtet hat.

Während man in seinem ersten Buch rügen mußte, daß er die gravierenden Verstöße der Besatzungsmacht gegen das Völkerrecht immer wieder aufrechnete mit den dazu heftig übertriebenen deutschen Kriegsverbrechen in Frankreich, hält er sich damit in seinem neuen Buch erfreulicherweise zurück. Sachlich schildert er, wie die US-amerikanischen Sieger voller Haß auf die Deutschen, die ihrer Propaganda zufolge für immer neue Kriege auf dem Kontinent verantwortlich waren, ins Reichsgebiet vordrangen. Nun wollten die US-Amerikaner, fest überzeugt von der deutschen Kollektivschuld, alles tun, damit die Deutschen nie wieder in der Lage sind, Krieg zu führen. Und sie wollten die Deutschen mit aller Härte bestrafen, weil sie "aus Leichen Seife und Lampenschirme aus Menschenhaut hergestellt hatten", wie ihnen ihre Greuelpropaganda in die Ohren geblasen hatte. Mitleid sollte es nicht geben. Die deutschen Kinder sollten in ihren Schulen von US-amerikanischen, englischen und sowjetischen Offizieren unterrichtet werden, damit sie - wie es hieß - "den wahren Geist der Demokratie" lernen.

Das erste, was sie unternahmen, war die Demontage der noch unzerstörten Rest der deutschen Industrie, so dem Geist des Morgenthau-Plans folgend, der allerdings offiziell nicht in Kraft gesetzt worden war. Deutschland sollte zerstört werden - weiter reichten die von wenig politischer Weisheit getragenen Absichten nicht. Volker Koop berichtet, wie die US-Amerikaner nicht nur auf deutsche Patente, von denen sie 346000 erbeuteten, Jagd machten, sondern auch auf Kunstschätze. So ließ die Militärregierung Hunderte von Gemälden aus deutschen Museen in die USA transportieren, die erst aufgrund von heftigen Protesten im Heimatland nach einigen Jahren zurückgegeben wurden. Rund 100 deutsche Wissenschaftler wurden in der "Operation Overcast" mehr oder weniger freiwillig in die USA gebracht, damit sie ihre Kenntnisse der US-amerikanischen Rüstung zugute kommen ließen.

Die Sieger hatten auf der Konferenz von Jalta beschlossen, Millionen deutscher Kriegsgefangener nach dem Sieg als Zwangsarbeiter zu deportieren. So überließen die US-Amerikaner 1,3 Millionen deutsche Kriegsgefangener den Franzosen, welche die meisten unter unmenschlichen Bedingungen in Bergwerken, beim Minenräumen und - da ging es ihnen noch am besten - in der Landwirtschaft einsetzten. Insgesamt 7,8 Millionen deutsche Soldaten waren bei der Kapitulation den US-Amerikanern in die Hände gefallen. Sie machte man rechtlos, indem man ihnen den Kriegsgefangenenstatus absprach und sie zu "Disarmed Enemy Forces" (entwaffnete feindliche Streitkräfte) erklärte. Dann war man nach dem Völkerrecht nicht mehr verpflichtet, sie zu verpflegen, ihnen Unterkunft und Bekleidung zu stellen und sie schnellstens zu entlassen. So verreckten denn Tausende nicht nur auf den Rheinwiesen, sondern auch in anderen Lagern, in die sie zusammengetrieben wurden, ohne daß sie versorgt wurden. Und das nicht etwa, weil es Versorgungsschwierigkeiten gegeben hätte, sondern weil das der politische Wille der US-amerikanischen Führung war.

Auf der politischen Ebene gerieten sich sehr schnell die Westalliierten und die Sowjetunion in die Haare, so daß die zunächst angekündigte Erhaltung der Einheit Deutschlands schon zwei Jahre nach Kriegsende mit der Londoner Außenministerkonferenz scheiterte. Alles trieb auf die Spaltung Deutschlands in zwei Staaten zu, damit sich die Westalliierten und die Sowjetunion das Potential in dem jeweils von ihnen besetzen Teil Deutschlands für die sich anbahnenden Konflikte sichern konnten. Immer noch aber wußten die Alliierten nicht, was sie mit dem besiegten Deutschland anfangen sollten. Da wurden Pläne gesponnen über die Neutralisierung Deutschlands, über die Dezentralisierung der westlichen Zonen, über die internationale Kontrolle, die man über weite deutsche Gebiete verhängen wollte. Und die Deutschen hungerten, froren und schlugen sich mühsam durchs Leben. Die von den Alliierten zugebilligten Lebensmittelrationen sanken zeitweise auf 850 Kalorien pro Tag. Wer sich allein von den Lebensmittelmarken ernähren mußte, war dem Hungertod ausgesetzt. Aber die Deutschen schlugen sich durch: Sie hamsterten auf dem Lande, tauschten, betrieben Schwarzhandel, legten auf jedem brauchbaren Stückchen Erde Gärten an, klauten Kohle von den Zügen, die deutsche Kohle ins Ausland bringen sollten. Der beste Schutz war der Zusammenhalt der Familien, während Alleinstehende und kleine Kinder die größte Not litten und häufig genug nicht überlebten.

Inzwischen entnazifizierten und entmilitarisierten die US-Amerikaner die Deutschen. Jeder, der irgendwie in der vorangegangenen Zeit politisch engagiert war, verlor seine Stellung. Etwa 80000 Deutsche wurden im Rahmen des "Automatic Arrest" automatisch festgenommen und in Internierungslager gesteckt, wo manche bis zu drei Jahre lang ausharren mußten, bis sie vor dubiose Entnazifizierungsgerichte gestellt wurden. Mancherorts brach die Verwaltung zusammen. An Universitäten mußten ganze Fakultäten geschlossen werden, weil die Professoren in Lagern saßen. Leider erfährt man in dem Buch nichts über die Lebensbedingungen in den Lagern; sie waren schlimm genug. Erst der deutsche Bundestag beendete im Dezember 1950 offiziell diese unsinnige Politik, die das Ziel hatte, die gesamte deutsche Führungsschicht nach den Vorstellungen der Umerzieher auszutauschen.

Zu kurz kommt in dem Buch die in großem Maßstab geplante und durchgeführte Umerziehung der Deutschen. Das Kapitel darüber überschreibt Volker Koop mit "Eine freie Presse". Frei war sie nun ganz bestimmt nicht! Wenn es jemals eine zu 100 Prozent kontrollierte Presse in Deutschland gegeben hat, dann war es die von den Militärregierungen eingerichtete, auch wenn Deutsche Verleger und Redakteure sein durften. Es fehlt in dem Buch auch die Darstellung des ideologischen Hintergrunds für die Umerziehung. Der Charakter der Deutschen sollte verändert werden, doch über das Ziel und die dabei angewendeten Methoden sucht man in Koops Buch vergebens Informationen. Bezeichnend, daß in dem Literaturverzeichnis das Standardwerk zu diesem Thema "Charakterwäsche" von Caspar Schrenck-Notzing fehlt. Zustimmen kann man dem Autor aber, wenn er schreibt, daß noch heute in unserer Presselandschaft die Strukturen zu finden sind, die damals von der Besatzungsmacht geschaffen wurden.

Erst als der Kalte Krieg zwischen Ost und West ausbrach, änderten die US-Besatzer ihre Politik. Man liest in Koops Buch die besorgten Berichte US-amerikanischer Politiker und Generäle, daß die Gefahr bestehe, die verzweifelten Deutschen würden sich dem Kommunismus zuwenden. Da begann auf der einen Seite die Lockerung, etwa indem Schulkinder eine zusätzliche Mahlzeit aus US-amerikanischen Beständen erhielten, während auf der anderen Seite Fabrikanlagen weiter demontiert wurden. Das geschah auch noch, nachdem der US-Kongreß beschlossen hatte, 13 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau Westeuropas einschließlich der Westzonen Deutschlands als "Marshallplanmittel" bereit zu stellen, Mittel im übrigen, von denen die USA am meisten profitierten, mußten doch 70 Prozent der Kredite ausgegeben werden, um in den USA produzierte Handelswaren zu kaufen.

Am 12. Mai 1949 genehmigten die alliierten Militärgouverneure das Grundgesetz, das die Basis für die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Westen wurde, eines Staates, der noch längst nicht souverän war, sondern immer noch unter strikter Kontrolle der Hohen Alliierten Kommissare stand.

Alles in allem bietet das Buch "Besetzt" über die US-amerikanische Besatzung in Deutschland eine lehrreiche Lektüre für alle, die immer noch davon träumen, die Alliierten hätten die Deutschen 1945 befreien wollen.

Volker Koop: "Besetzt - Amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland", bebra, Berlin 2006, 22 sw Abb., geb., 336 Seiten, Euro 24,90, Best.-Nr. 5309

Foto: Ein von den Medien der Bundesrepublik gern verbreitetes Klischee: In Wahrheit haben die US-amerikanischen Besatzer trotz ihres Reichtums den Deutschen viel mehr genommen als gegeben.


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