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16.06.07 / Der große Bluff / Bilanz nach dem Gipfel von Heiligendamm: Hohe Kosten, wenig Ertrag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

Der große Bluff
Bilanz nach dem Gipfel von Heiligendamm: Hohe Kosten, wenig Ertrag
von Klaus D. Voss

Im Kehraus des Gipfels von Heiligendamm findet sich kaum etwas von Belang. Wer mehr erwartet hatte, darf sich getäuscht fühlen. Die Treffen der Großen Acht scheitern regelmäßig - an ihrer eigenen Anmaßung. Der Gipfel von Heiligendamm bildet da keine Ausnahme. Angesichts der Ausschreitungen und der hohen Kosten für die Abwicklung des Politikertreffens ist die Frage legitim, ob Aufwand und Ertrag solcher Gipfel miteinander vereinbar sind.

Schon nach wenigen Tagen sind die "Erfolge" von Heiligendamm verblaßt; niemand kann mehr übersehen, wie dick die Medienregisseure der einzelnen Delegationen aufgetragen hatten.

Der Fehler liegt in der Grundkonzeption des Gipfels selbst. Ursprünglich war G7 ja nur ein informelles Treffen, sollte also Bewertungsunterschiede zu wichtigen Wirtschaftsthemen bereinigen. Die Anmaßung liegt darin, daß heute die sieben stärksten Wirtschaftsnationen und Rußland den Fortgang der Weltpolitik festlegen wollen, sich aber noch nicht einmal auf minimale Ziele einigen können. Wer wie Bundeskanzlerin Angela Merkel guten Glaubens viel Energie und vor allem viel Glaubwürdigkeit in die Gipfelvorbereitungen investiert hatte, wurde schlecht entlohnt.

Die Konsenspolitik, die das Jahrzehnt nach dem Kalten Krieg bestimmt hatte, ist Vergangenheit. Die USA und Rußland nutzen die Dramaturgie solcher Gipfel, um offen Macht und Machtanspruch zu demonstrieren. Auch die fünf Schwellenländer China, Indien, Südafrika, Brasilien und Mexiko, die wegen ihres wirtschaftlichen Potentials eigentlich in die Gipfelrunde integriert sein müßten, sind kaum noch zu Konzessionen bereit: Sie lehnen Normendiktate strikt ab - sei es die Beachtung von Menschenrechten, die Vorgaben in der Klimapolitik, den Schutz von Marken und Patenten oder das Verlangen, Kapitalinvestoren mehr Freiheiten zu garantieren.

China brachte die Formel in die Verhandlungen ein, nach den Industrienationen seien jetzt einmal die Schwellenstaaten dran, Wohlstand anzuhäufen.

Demonstrativ egoistisch blieben die Supermächte. Die USA unterliefen die Klimaschutz-Doktrinen der europäischen Staaten, indem sie Klima-Maßnahmen für das Jahr 2050, also für die übernächste Generation, "in Betracht ziehen wollen". Die EU-Staaten, auf dem falschen Bein erwischt, mußten diese diplomatische Ohrfeige noch als Erfolg ihrer veralteten Verhandlungspolitik ausweisen.

Nicht minder sonderbar war der Beitrag Rußlands zur Diskussion um das umstrittene Raketenabwehrsystem der USA mit Basen in Polen und Tschechien. Moskau bot die Nutzung eines russischen Stützpunktes in Aserbeidschan an - Pachtland aus sowjetischen Zeiten; beim Pokern nennt man so etwas einen Bluff.

Washington hatte allerdings wenig Mühe zu erwidern, warum sich Sicherheitsarchitektur nicht auf ein unsicheres Drittland stützen darf - die Delegation ließ den Etappenwitz kursieren, daß die Aserbaidschaner regelmäßig dem Stützpunkt den Strom abstellen, wenn die vereinbarten Zahlungen der Russen ausbleiben (Siehe auch Berichte auf den Seiten 6 und 8).


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