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16.06.07 / Prima Klima / Millionengeschäft mit Qualm: Handel mit Luftverschmutzungsrechten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

Prima Klima
Millionengeschäft mit Qualm: Handel mit Luftverschmutzungsrechten
von Mariano Albrecht

Ab 2008 kann Deutschland Rechte über die Emission von Treibhausgasen international handeln und Millionen kassieren. Allerdings bleibt der Markt für die Emissionsrechte übersichtlich, denn der G8-Gipfel in Heiligendamm hat an der so wichtigen Haltung der USA nichts Greifbares geändert.

Obwohl Merkel verbindliche Zusagen vom Gipfel mit nach Hause nehmen wollte, erntete sie in Sachen Klimaschutz nur eine Absichtserklärung von US-Präsident George W. Bush, die Halbierung der Treibhausgas-Emissionen unter Federführung der Uno bis 2050 in Betracht zu ziehen. Die höchstmögliche Ausbeute wäre allerdings gewesen, Bush zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls zu bewegen, denn die Vereinbarung, die im Jahr 1997 von 156 Staaten paraphiert wurde, um eine international gültige Richtlinie zum Klimaschutz zu schaffen, sollte der Maßstab im Kampf gegen den Klimawandel sein. Aber davon war gar nicht die Rede. Ohne die USA bleibt das Kyoto-Protokoll, dessen Halbzeit in diesem Jahr ausläuft, eine Aufführung ohne Hauptdarsteller.

Bis zum Jahr 2012 hatten sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, den weltweiten Ausstoß von klimaschädlichen Gasen um fünf Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Dabei wurde bei der Verteilung der Verschmutzungskontingente die industrielle Entwicklung der einzelnen Nationen berücksichtigt und das System des Emissionsrechtehandels eingeführt. Hatte ein Unternehmen oder ein Staat an seinem zugeteilten Kontingent an Luftverschmutzungsrechten durch den Einsatz umweltfreundlicher Technologien, zum Beispiel bei der Energieerzeugung, gespart, konnte es die eingesparten Luftverschmutzungskontingente an andere Unternehmen oder Staaten, die beabsichtigten, ihr Kontingent zu überschreiten, übertragen oder verkaufen, ein Nullsummenspiel für die Umwelt, jede Menge Bürokratie, und Kosten, die insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen zu schaffen machen. Die größten Luftverpester wie die USA oder Kanada weigern sich, das Abkommen zu ratifizieren, Schwellenländer wie China und Indien müssen sich nicht an die Auflagen halten, weil es ihnen an Technologien zur Schadstoffreduzierung fehlt. Und so ex- und importieren die EU-Staaten ihre Abgaskontingente hin und her und schreiben nach Bedarf den Staaten mit "Kyotofreibrief" mal hier mal dort etwas gut, in der Hoffnung, unterm Strich die eine oder andere Tonne Schadstoffausstoß zu vermeiden oder zumindest allen das Gefühl zu geben etwas Gutes getan zu haben. Was der eine einspart, dürfen die anderen in die Luft blasen, aktiver Klimaschutz kann das nicht sein. Die Umweltschützerfraktion leitet derweil die zweite Runde in der zur Formalie entschärften Kyoto-Vereinbarung ein. Umweltpolitiker fordern ab 2008 die Versteigerung von mindestens zehn Prozent der Emissionsrechtezertifikate bei gleichzeitiger Reduzierung der Kontingente. Das soll den Qualm teuer machen und Unternehmen zwingen, den Ausstoß an Schadstoffen zu reduzieren. Dabei könnte das System zur Wachstumsbremse für die Wirtschaft mutieren, da jede Veränderung am Markt den unter Umständen teuren Zukauf von Emissionsrechten erfordern würde.

Die Zeche zahlt der Verbraucher, zum Beispiel durch steigende Strompreise, weil Energiekonzerne die Ausgaben für die Energieerzeugung, die durch den Zukauf von Emissionsrechten steigen würden, auf die Verbraucherpreise umlegen würden. Im Gegenzug bestünde bei Einsparungen durch umweltfreundliche Energieerzeugung keine Verpflichtung, die Gewinne aus dem Verkauf der ungenutzten Verschmutzungskontingente an den Kunden weiterzugeben. Unternehmen könnten so "unerwartete Gewinne" verzeichnen, der Umwelt wäre nicht geholfen, weil andere zum Gegenwert verschmutzen dürften. Verheerende Auswirkungen könnte das Versteigerungsmodell auf die exportierende Industrie haben. Während sich deutsche Unternehmen bei steigender Nachfrage nach ihren Produkten und somit einer Steigerung der Produktion mit zusätzlichen Emissionsrechten versorgen müßten, können Schwellenländer wie China und Indien, die an keine Beschränkungen gebunden sind, in die Bresche springen und den Markt billig bedienen. Deutsche Unternehmen würden bei der Globalisierung zurückbleiben. Klimaschutz als Konjunkturbremse, von den Auswirkungen auf den Arbeitmarkt mal ganz abgesehen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt konnte Deutschland seinen Ausstoß an Treibhausgasen um 17 Prozent senken, ohne daß nachteilige Auswirkungen auf den Markt spürbar geworden wären, da die Unternehmen die Kontingente bisher kostenlos vom Staat zugeteilt bekamen. Wenn ab 2008 ein quasi börsennotierter Handel mit Luftverschmutzungsrechten eingeführt würde, wären Deutschland und die EU gegenüber Ländern, die nicht an das Kyoto-Protokoll gebunden sind, im Nachteil. US-Präsident Bush ist somit fein raus, mit seiner schwammigen Aussage in Heiligendamm hält er sich Ärger mit der US-Wirtschaft vom Hals und hat den Kyoto-Unterzeichnern charmant die Beruhigungspille in die Suppe gerührt.

In der Großen Koalition hört man derweil schon die Kassen klingen. 500 bis 800 Millionen Euro Einnahmen erhofft sich die Regierung aus dem Emissionsrechtehandel, und die sollen nach dem Willen von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) in die Afrikahilfe fließen. Energiepolitiker der Großen Koalition fordern, die Einnahmen aus der Versteigerung der Zertifikate für einen Energiesparfonds oder Entlastungen der mittelständischen Wirtschaft bei der Stromsteuer zu nutzen.

Von Entlastungen bei der Ökosteuer oder der Stromsteuer für private Verbraucher ist nicht die Rede.

Foto: Meinung in der Bevölkerung: Windrad gut, qualmender Schornstein böse


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