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16.06.07 / Das Denken anderen überlassen / Akkreditierungsagenturen - Wie der Staat Aufgaben abgibt, ohne daß es den Hochschulen nützt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

Das Denken anderen überlassen
Akkreditierungsagenturen - Wie der Staat Aufgaben abgibt, ohne daß es den Hochschulen nützt
von George Turner

Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz haben sich entschlossen, das Verfahren der Genehmigung von Studien- und Prüfungsordnungen nicht mehr bei den Landesministerien zu belassen, sondern dafür Agenturen einzurichten, die für die Akkreditierung von Studiengängen zuständig sein sollen. Darin sollte ein neues Staatsverständnis und eine Stärkung der Hochschulautonomie zum Ausdruck kommen. Nicht mehr die Fachministerien sollten darüber befinden, ob Studiengänge bestimmten Mindestanforderungen genügen, sondern eigens dafür geschaffene Einrichtungen. Zunächst gab es eine neue Institution, den Akkreditierungsrat, besetzt mit Vertretern der Hochschulen und Ministerien sowie der Wirtschaft und Studierenden. Er legt Kriterien für die Akkreditierung fest und zertifiziert (bisher sechs) Agenturen, welche die Akkreditierung durchführen.

Die Akkreditierung kostet Geld, das die Hochschulen aufzubringen haben. Das können 10000 Euro und mehr pro Studiengang sein. Damit werden vor allem die Personalkosten für Gutachter beglichen. Die Hochschulen sind in der Regel frei, die Agentur auszusuchen. Dort begutachten Wissenschaftler und andere Fachleute die eingereichten Anträge. Diese können auch Begehungen an Ort und Stelle vornehmen. Auf dem Prüfstand stehen die Qualität des Curriculums, die dazu erforderliche Ausstattung sowie die Eignung des Programms für den Berufseinstieg der Absolventen. Die "Abschätzung der absehbaren Entwicklungen in möglichen Berufsfeldern" als Aufgabe zu formulieren, ist nicht nur anspruchsvoll, es ist kühn, um nicht zu sagen unverantwortlich. Wenn eine Aussage dazu für die Akkreditierung eines Studiengangs maßgeblich sein soll, werden sich die Agenturen "verheben". Mit der Prognose über die Berufsaussichten - und über nichts anderes soll in einem solchen Rahmen befunden werden - haben sich bisher alle, die es versucht haben, schwer getan. Im allgemeinen sind die Prognosen falsch gewesen oder sie haben allein durch die Veröffentlichung zu einem anderen Trend geführt. Das klassische Beispiel ist die Vorhersage des Bedarfs an Lehrern. Sofern akuter Bedarf besteht, wird für das Studium geworben - das führt zu einer Zunahme der Studierenden in den entsprechenden Fächern - kommen sie auf den "Markt", gibt es zu viele Bewerber - vor dem Studium wird gewarnt - Studierende meiden die lehrerbildenden Fächer - bald fehlt es wieder an Lehrkräften und der Kreislauf beginnt auf's Neue - wie beim Schweinezyklus. Wenn schon in einem Sektor, bei dem der Staat ein Einstellungsmonopol hat und wenigstens sechs Jahre im voraus ziemlich sicher gesagt werden kann, wie der Bedarf sein wird, solche Schwierigkeiten bei der Bedarfermittlung bestehen - wie soll dann erst in anderen Fächern die Entwicklung abgesehen werden?

Andere Aufgaben der Agenturen mögen sinnvoll sein. Nur können sie das besser als es staatliche Behörden vermochten? Im alten System waren die Zuständigkeit und damit auch die Verantwortung klar geregelt. Das Ministerium mit der politischen Spitze konnte gegebenenfalls mit den Mitteln der Politik in seine Grenzen verwiesen werden. Wie aber ist es mit den Agenturen? Mit ihnen schließen die Hochschulen (privatrechtliche) Verträge. Die von den Agenturen wahrgenommenen Aufgaben aber dürften öffentlichrechtlicher Natur sein. Ein schönes Betätigungsfeld für Juristen. Von mehr Transparenz war die Rede. Da muß man den Begriff schon gewaltig strapazieren. Oder ist es übersichtlicher, wenn die Hochschule sich unter den konkurrierenden Agenturen, die ihre Kosten einspielen müssen, eine aussucht, deren Kompetenz davon abhängt, welche Gutachter bereit sind, ihre Kenntnisse in deren Dienst zu stellen, als wenn ein Landesministerium zuständig ist? Bei aller Kritik, die solche Behörden gelegentlich zu Recht auf sich gezogen haben: man wußte, woran man war. Und eine andere Frage stellt sich: unabhängig davon, wie überzeugend und sinnvoll das jetzt praktizierte Verfahren sein mag, ist festzuhalten, daß die Aufgaben der Ministerien in den letzten Jahren reduziert worden sind. Gilt das aber auch für das Personal? Über einen proportionalen Abbau oder eine Umschichtung ist jedenfalls nichts bekannt geworden. Das muß aus der Sicht der Hochschulen mindestens irritieren. Sie haben für das Akkreditierungsverfahren Mittel aufzubringen, die sie aus ihrem Etat erwirtschaften müssen. Bei den Ministerien müßten - eigentlich - mehr oder weniger Mitarbeiter beschäftigungslos sein. Wie wird das erst beim Bundesministerium sein, wenn die Föderalismusreform wirkt und dort in großen Teilbereichen keine Aufgaben mehr anfallen!

Ob diese Reform in der konkreten Form ein Fortschritt ist, muß sich erst noch erweisen. Einiges spricht dagegen, nicht zuletzt die neu in die Diskussion gebrachte sogenannte Systemakkreditierung. Danach sollen die Hochschulen eigene Systeme der Qualitätssicherung aufbauen, die extern überprüft werden.

Es wird mit dem, was unter Hochschulreform verstanden wird, im Grunde immer schlimmer, weil unübersichtlicher und weniger klar ist, wer Verantwortung trägt. Man kann die Auffassung vertreten, daß den Universitäten eine uneingeschränkte Autonomie zustehen sollte. Dagegen spricht, daß sie Kostgänger des Staates sind und der Staat sich ein bestimmtes Maß an Aufsicht vorbehalten sollte. Außerdem sind die Hochschulen wegen ihrer Verfassung (Mitwirkung der Gruppen, Abhängigkeit der Leitungen von Wahlversprechen - je nach landesrechtlichen Regelungen) oft gar nicht in der Lage, Autonomie sinnvoll wahrzunehmen. Allzu leicht wird vergessen, daß es noch nicht lange her ist, daß manche Universitäten wie Tollhäuser wirkten. Bremen, die FU Berlin, Marburg und manch andere waren entsprechende Beispiele. Inzwischen ist das überwunden, ob auf Zeit oder endgültig ist nicht zu sagen. Da ist ein Rest "Staat" nicht verkehrt.


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