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16.06.07 / "Kunst üben, heißt Freude bereiten" / Der preußische Architekt und Baumeister Ludwig Persius

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

"Kunst üben, heißt Freude bereiten"
Der preußische Architekt und Baumeister Ludwig Persius
von Dirk Klose

Fährt man in Berlin mit dem Dampfer von Wannsee in Richtung Pfaueninsel, dann sieht man auf dem westlichen, dem zu Brandenburg gehörenden Ufer die Heilandskirche von Sacrow. Zu DDR-Zeiten lag sie im streng bewachten Grenzgebiet und war somit völlig unzugänglich. Gleich nach der Wende fand Weihnachten 1989 wieder ein Gottesdienst statt; heute ist das restaurierte, an eine frühchristliche Basilika mit nebenstehendem Campanile erinnernde Bauwerk wieder ein Schmuckstück preußischer Architektur des frühen 19. Jahrhunderts.

Ihr Erbauer war der zu seiner Zeit hochangesehene Architekt und Baumeister Ludwig Persius. Er lebte von 1803 bis 1845 und stand immer etwas im Schatten seines großen Lehrers Karl Friedrich Schinkel (1781-1841). Schinkel hat in Berlin und an zahlreichen Orten Preußens gebaut, während sich Persius auf Potsdam und seine unmittelbare märkische Umgebung beschränkte. Ihm ist im Grunde das heutige Aussehen der Schlösser und Gärten in der brandenburgischen Hauptstadt und im Südwesten Berlins zu verdanken.

Dabei bezaubert bis heute, wie Persius Architektur in Natur ineins zu setzen wußte. Anders als bei Schinkel, von dem zahlreiche Bauwerke dem Krieg zum Opfer gefallen sind, sind die Persius-Bauten größtenteils erhalten geblieben; zu DDR-Zeiten haben sie teilweise sehr gelitten, aber inzwischen ist die Restaurierung so gut verlaufen und mitunter auch schon beendet, daß sich wieder ein beglückendes Bild preußischer Kultur vermittelt.

Vor vier Jahren hatte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) anläßlich des 200. Geburtstages von Persius in Schloß Babelsberg eine umfangreiche Ausstellung eingerichtet, die zum erstenmal einem überraschten Publikum diesen nach Schinkel bedeutendsten Architekten Preußens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorstellte. Gerade weil Potsdam zu DDR-Zeiten für ein größeres Publikum nicht allzu sehr im Blickfeld lag, kam die Ausstellung vielfach einer Neuentdeckung gleich. Inzwischen sind gleich zwei Biographien über Persius erschienen, ferner seine Tagebücher.

Unlängst hat nun die SPSG einen umfangreichen Band zu Persius vorgelegt, der dessen Bauberichte, architektonische Gutachten und Briefe enthält. Es sind 860 Dokumente, die meisten von ihm selbst verfaßt, etwa 60 sind an ihn gerichtet, darunter besonders reizvoll von seinen königlichen Auftraggebern und von hohen Beamten. Mit dieser kommentierten Quellensammlung ist erstmals das dienstliche Werk des "Architekten des Königs", wie er respektvoll schon zu Lebzeiten genannt wurde, publiziert.

Persius hatte mit 18 Jahren seine Prüfung zum Feldmesser bestanden, wurde Baukondukteur an Schinkels Bauakademie, wo er dem großen Meister wegen seines Fleißes, seiner technischen und organisatorischen Begabung schon bald auffiel und von diesem nachhaltig gefördert wurde. Schinkel zog ihn schon bald zu seinen wichtigsten Projekten heran, wozu vor allem die Schlösser Glienicke, Charlottenhof und Babelsberg sowie die Nikolaikirche in Potsdam gehörten; die Planung der Kirche geht auf Schinkel zurück, die tatsächliche Bauausführung hat dann Persius über sieben Jahre betreut (allein dazu enthält der Band 55 Bauberichte) und nach deren Weihe 1987 auch dafür gesorgt, daß die schon von Schinkel geplante Kuppel - heute das Wahrzeichen der Stadt - doch noch aufgesetzt wurde, nachdem der König (wohl aus Kostengründen) anfangs dagegen war.

Die Liste der von Persius allein oder nach Schinkel'schen Entwürfen errichteten Bauten ist lang: Heilandskirche Sacrow, Friedenskirche Potsdam, Belvedere auf dem Pfingstberg, Schloß Babelsberg mit Maschinen- und Gärtnerhaus, Wasserwerk und Dampfmaschinenhaus in Sanssouci, Villa Tieck in Potsdam, die Römischen Bäder und das eigene Wohnhaus. Daneben mußte er zahllose andere Bauvorhaben begutachten, Verhandlungen führen und Dienstreisen innerhalb Deutschlands und ins Ausland absolvieren.

Die hier gesammelten Dokumente lassen den ihm nachgerühmten sprichwörtlichen Fleiß ahnen; wie der rastlose Schinkel war auch er oft unterwegs; ab 1841, als ihn Friedrich Wilhelm IV. zum Hofarchitekten für den Bereich Potsdam ernannte (für Berlin wurde es Friedrich August Stüler), war er vollends für alles, was mit Schlössern, Kirchen und Gärten in der Residenz zusammenhing, verantwortlich.

Das Buch richtet sich naturgemäß an Architektur- und Sozialhistoriker. Und doch spiegelt es auch ein Stück Gesellschaftsgeschichte wider.

Mitunter bricht eine humane, eine menschenfreundliche Haltung durch, die im empfindsamen Bildungsbürgertum der damaligen Zeit keineswegs selten war. So klingt Schinkels erste Anweisung an den jungen Eleven trocken nüchtern, aber bald zeichnet er mit "der Ihre" und "ganz der Ihre" und nennt ihn einen "liebsten Freund"; Persius bleibt allerdings bei aller nach und nach auch zwischen den Familien geschlossenen Freundschaft "mit herzlichster Ergebenheit" immer Schinkels "gehorsamster Diener".

An den großen Industriellen August Borsig schreibt Persius "mein bester Borsig" und appelliert an ihn bei einer Lieferungspause: "Bedenken Sie, daß die Anlage der Wasserwerke in Sanssouci zur Zeit das größte Bauunternehmen im Staate ist, daß der König, das Land, ja man kann sagen die Welt an der von Ihnen zugesagten Vollendung eines Werkes Anteil nimmt, das zu einem wahrhaften Nationalen Unternehmen gestempelt wird. Dem Hofmarschall schickt vorsorglich einen Bericht für den Fall, daß ich nicht die Ehre haben sollte, Sie in einiger Zeit bei ganz hergestellter Gesundheit, die Ihnen der Himmel doch gewiß recht bald schenken wird, in Berlin zu sehen."

Ein ganz anderes Preußenbild zeichnet dieser mit immensem Fleiß erstellte Band (einziges Manko: Ein Lebenslauf fehlt, nicht einmal ein Bild von Persius wurde aufgenommen!): Unter dem Schöngeist Friedrich Wilhelm IV. wird Preußen ästhetischer, bestimmen Baukunst und Landschaftsgestaltung die Politik. Ein Zeitgenosse spöttelt über die königlichen Vorlieben: "Was soll das erst werden, wenn er hundert Jahre alt wird!" Ein preußischer Herrscher (bei allen bekannten Schwächen) als Ästhet, nicht als Kriegsherr, - welch ungewohnte Optik auf einen angeblichen Militärstaat!

Anfang 1845 bewilligt der König endlich die langersehnte Italienreise.

Persius gehen die Augen über, er findet zunächst kaum Worte, dann dankt er überschwänglich und versichert, auch künftig seine ganze Kraft dem König zu widmen, denn: "Kunst üben heißt ja Freude bereiten."

Im Mai 1845 erstattet Persius in Potsdam dem König Bericht. Wenige Tage später erkrankt er an Typhus, er erliegt der Krankheit am 12. Juli 1845. Der Bildhauer Christian Daniel Rauch, mit dem Persius ebenfalls freundschaftlich verkehrte, schrieb betroffen: "Ich sah ihn im höchsten Glück aus Italien zurückkehren, und nun diese Noth."

Fotos: Reiterstandbild Friedrichs des Großen vor der Orangerie im Park Sanssouci in Potsdam: Die Orangerie Sanssouci wurde in den Jahren 1851 bis 1860 nach Plänen von Ludwig Persius und Friedrich August Stueler erbaut; Ludwig Persius


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