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23.06.07 / Staatsdiener mit mächtigen Feinden / Zum Tod des Österreichers Kurt Waldheim

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Staatsdiener mit mächtigen Feinden
Zum Tod des Österreichers Kurt Waldheim
von R. G. Kerschhofer

Wenn man von den Lebensdaten ausgeht, war der vorige Woche verstorbene Kurt Waldheim ein Staatsdiener mit Bilderbuch-Karriere: Geboren 1918 nahe Wien als Sohn eines Lehrers. Humanistisches Gymnasium, 1936 Reifeprüfung. Dann Einjährig-Freiwilliger beim Bundesheer (Anwartschaft zum Reserve-Offizier). Ab 1937 Studium an der Diplomatischen Akademie und am Juridicum in Wien. 1938 bis 1945 Dienst in der Wehrmacht, zuletzt als Oberleutnant. Nach Verwundung Ordonnanz-Offizier und Dolmetscher im Stab von Generaloberst Löhr auf dem Balkan. Heimaturlaube ermöglichen 1944 den Studienabschluß mit Doktorat.

Nach Kriegsende Dienst im österreichischen Außenamt: Ministersekretär, Diplomaten-Laufbahn, Botschafterposten in Kanada und bei der Uno. 1968 bis 1970 ist Waldheim, selbst parteilos, Außenminister in der damaligen ÖVP-Alleinregierung. Bei den Präsidentschaftswahlen 1971 unterliegt er, von der ÖVP nominiert, gegen den amtierenden Bundespräsidenten Jonas. 1972 wird er UN-Generalsekretär, zweite Amtszeit bis 1981. Danach Gastprofessur an der Washingtoner Georgetown University. 1986 wird Waldheim, wieder von der ÖVP nominiert, mit klarer Mehrheit zum Staatsoberhaupt gewählt. 1992 Verzicht auf nochmalige Kandidatur.

Eine Bilderbuch-Karriere - bis auf die sogenannte Waldheim-Affäre, welche die letzten zwei Jahrzehnte überschatten sollte. Angezettelt wurde sie im Präsidentschaftswahlkampf 1986 von der damaligen SPÖ-Spitze, die Waldheim mit einer "Nazi-Vergangenheit" zu diskreditieren suchte. Woher die Idee und die "Materialien" dazu stammten, war unklar. Der integre SPÖ-Kandidat, ein Facharzt, profitierte jedenfalls nicht davon, und Bundeskanzler Sinowatz mußte zurücktreten, denn die Mehrzahl der Österreicher entschied sich für "jetzt erst recht!" Wie Anfang 2000 bei den "Sanktionen".

Waldheims Fehler war, daß er in seiner Biographie die NS-Zeit "unterbelichtet" hatte und sich ungeschickt herauszureden versuchte, als erste Vorwürfe auftauchten. Dies nützten in Europa vor allem die Linken und in den USA vor allem der Jüdische Weltkongreß zu einer weltweiten Kampagne, die Waldheim als "Nazi-Schlächter" darstellte. Die geradezu grotesken Beschuldigungen waren frei erfunden und beruhten zum Teil auf Fälschungen des jugoslawischen Geheimdienstes.

Doch die Folgen waren dramatisch: Waldheim, der auf dem Balkan gar keine Befehlsgewalt hatte, wurde von den USA auf die "Watch-list" für Kriegsverbrecher gesetzt, was mit Einreiseverbot und möglicher Verhaftung einhergeht. Und man sorgte dafür, daß ihn auch alle westlichen Staaten boykottierten. Das wiederum bewirkte, daß der nunmehr amtierende SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky die außenpolitische Repräsentation des Landes weitgehend an sich ziehen konnte. Und daß Österreich als "Nazi-Land" diffamiert - und erpreßt werden konnte. Waldheim wurde nicht einmal zur 50-Jahrfeier der Uno eingeladen, und die USA haben ihn nie rehabilitiert.

Verständlich wird die "Causa Waldheim" erst in ihren gesellschaftlichen und weltpolitischen Zusammenhängen: Die Kriegsgeneration einschließlich der heimgekehrten Emigranten hatte ein vorrangiges Ziel: den Wiederaufbau. Das Aufwärmen der NS-Zeit (und des Bürgerkriegs von 1934) galt dabei als kontraproduktiv. Ein Paradebeispiel war Bruno Kreisky, der 1938 beim Verhör durch die Gestapo Zähne einbüßte und emigrieren mußte, aber als Chef der SPÖ-Alleinregierung 1970 bis 1983 auch ehemalige NSDAP-Mitglieder zu Ministern machte. Und selbstverständlich unterstützte er mit der ganzen internationalen Reputation, die er als Außenminister gewonnen hatte, den unterlegenen ÖVP-Kandidaten von 1971 Kurt Waldheim bei dessen Bewerbung als UN-Generalsekretär.

Doch 1986 hatten bereits 68er die "öffentliche Meinung" im Würgegriff. Und sie wußten, welch lukratives Geschäft das ewige Aufwärmen ist, das sie irreführend "Aufarbeiten" nennen. Selbst wenn eine Historiker-Kommission und sogar namhafte US-Publizisten Kurt Waldheim längst von jeder persönlichen Schuld freisprachen - für die spätgeborenen Doppel-Moralisten gilt bis heute: Er "hätte wissen müssen", aber er habe "nichts dagegen getan".

Das hieße zwar, daß jeder "schuldig" ist, der nicht vors Kriegsgericht kam. Oder der "nur seine Pflicht getan" hatte, wie Waldheim von sich sagte. Doch Waldheims Amtsvorgänger Rudolf Kirchschläger sagte mit anderen Worten genau dasselbe, als man ihn darauf ansprach, daß er befehlsgemäß im April 1945 als Hauptmann an der Truppenschule Wiener Neustadt eine Kadetten-Einheit in einen hoffnungslosen Kampf gegen die Rote Armee geführt hatte. Die Einheit wurde völlig aufgerieben, Kirchschläger selbst schwer verwundet. Schuldig macht Pflicht also nur, wenn dies selbsternannten Richtern ins politische Kalkül paßt.

Aber auch der Nahe Osten war für Waldheim schicksalhaft: Ariel Scharons Libanon-Invasion 1982 mit den Massakern von Sabra und Schatila hatte die Weltmeinung grundlegend zuungunsten Israels verändert. Und wie das Schicksal so spielt - in den Jahren darauf wurden etliche Fälle von angeblichen oder wirklichen Uralt-Kriegsverbrechern ausgegraben. Mit großem internationalen Medien-Echo.

Waldheim paßte da ideal ins Konzept. Und bereits als UN-Generalsekretär hatte er sich ja den heiligen Zorn der USA und Israels zugezogen: Er hatte etwa die Bombardierung von Staudämmen in Vietnam verurteilt und den Auftritt Jassir Arafats vor der Uno verteidigt. Daß er "uneinsichtig" blieb, bewies er 1990, als er durch einen Besuch bei Saddam Hussein die Befreiung österreichischer Geiseln erwirkte und dies später als seinen größten persönlichen Erfolg als Bundespräsident bezeichnete. Wie Kreisky genoß Waldheim hohes Ansehen in der arabischen Welt - doch das kann sich eben nicht jeder ungestraft leisten.

In seinem schriftlichen Nachlaß bittet Waldheim um "Versöhnung". Anscheinend vergebens, wie manche Nachrufe zeigen, die eher Nachwürfen gleichen ...

Foto: Salzburger Festspiele 2006: Der ehemalige österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim


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