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23.06.07 / Gegen das "System" / Linkspopulisten und Alt-SEDler prägen die neue sozialistische Einheitspartei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Gegen das "System"
Linkspopulisten und Alt-SEDler prägen die neue sozialistische Einheitspartei
von Hans Lody

Ein buntes Gebräu, was sich da nun als Partei zusammengefunden hat. Die neue Linke aus PDS und WASG, die sich einen Tag vor dem Jubiläum des 17. Juni zusammengeschlossen hat, besteht aus einer Vielzahl von Gruppen, Grüppchen. DDR-Nostalgiker, "Internationalisten", radikale Feministen, westdeutsche Gewerkschaftskader, Multikulti-Verklärer, Berufsdemonstranten, Gutmenschen oder DKP-Sektierer - um nur einige Schattierungen zu nennen - haben inhaltlich nur wenig gemein und müssen durch eine starke Kraft daran gehindert werden, auseinanderzustreben. Diese Kraft ist die durch Oskar Lafontaine gespeiste Hoffnung auf Landtagsmandate im Westen.

Am Vortag ihrer Vereinigung gaben PDS und WASG auf getrennten Parteitagen ihre jeweiligen Abschiedsvorstellungen. Hier beschwor Ex-SED-Spitzenfunktionär Hans Modrow, wie fest die neue Partei in der Tradition der alten dunkelroten Ahnen stehe. Den Eindruck völliger Unbelehrbarkeit steigerte Modrow noch mit seiner an Erich Honecker erinnernden Fistelstimme. Sozialistisch und nicht sozialdemokratisch müsse die neue Partei sein, forderte er. Sarah Wagenknecht von der "Kommunistischen Plattform" sekundierte, dieses Land brauche keine weiteren Kurt Becks. PDS-Chef Lothar Bisky schließlich machte klar, daß diese Bundesrepublik noch immer nicht der Staat ist, den seine Partei sich wünscht: "Wir stellen die Systemfrage!" Die "Systemfrage" zu stellen heißt, sie zu beantworten: Das System der Bundesrepublik soll weg, wenn es nach der "Linken" geht.

Offenbar ahnten einige Genossen, daß sie hier einen etwas zu tiefen Einblick in ihre eigentlichen Absichten ermöglicht hatten. Beschwichtigend wollte Bisky tags darauf auf dem Vereinigungsparteitag in der Tradition Willy Brandts betrachtet werden. So auch Oskar Lafontaine, der den Kreis der Vorbilder indes noch um einige Gestalten erweiterte, darunter Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Die beiden waren erbitterte Gegner der jungen Weimarer Demokratie.

Wie man die Systemüberwindung voranbringen will? Im Ausland gebe es lehrreiche Beispiele, so Lafontaine: In Frankreich werde der politische Generalstreik praktiziert, auch in Südamerika seien Vorbilder vorhanden. Aber nicht Venezuelas Hugo Chávez, sondern der Bolivianer Evo Morales ist Lafontaines Vorbild. Der habe die alte Indianersprache wieder zur Amtssprache erhoben. Hier nun begab sich Lafontaine ins Fahrwasser nationaler Thesen, die ihm schon einmal, das war 2005 im Bundestagswahlkampf, die Schelte der damaligen Parteihäuptlinge eingebracht hatten. Damals hatte er vom Einsickern von "Fremdarbeitern" gewarnt, welche die deutschen Löhne ruinierten.

Heute forderte der Saarländer, die Nationalstaaten müßten Schranken setzen, um eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz zu ermöglichen. Die Nation definiere sich über den Sozialstaat, rief er den Delegierten zu. Für jeden bürgerlichen Patrioten eine ziemlich schmalbrüstige Beschreibung von Nationalstaat. Für bislang strikt "internationalistische", ja antinationale Linksradikale war diese Einlassung Lafontaines indes zum Aufhorchen.

Anschließend spulte er das ganze radikalsozialistische Pflichtprogramm ab. Blair und Bush seien Terroristen, kommunale Dienste und die Telekom müßten verstaatlicht und die alte Rentenformel wiederhergestellt werden. Den routinierten Populismus belohnten die Delegierten mit minutenlangem stürmischem Beifall. Lafontaines Rede war der Höhepunkt des Parteitages.

Seine Nachfolger am Rednerpult hatten es schwer, dem ehemaligen SPD-Chef das Wasser zu reichen. Nachwuchsfeministin Katja Kipping hütete sich denn auch vor Kritik am Hoffungsträger, obwohl der über ihr Hauptanliegen kein Wort verloren hatte: die Frauenquote in der Partei. Statt dessen schwadronierte sie zustimmend über Biskys "Systemfrage". Sie faxe dem Verfassungsschutz ihre Rede zu, dann könne man dort Arbeitsplätze einsparen, höhnte Kipping.

Wahlkampfleiter Carsten Ramelow bekam für seine Ankündigung, man werde 2008 in alle zur Wahl stehenden Länderparlamente einziehen, allenfalls artigen Beifall. Andere Redner lieferten sogar geradezu armselige Vorstellungen ab. Die pausbäckige Vertreterin eines Arbeitslosenverbandes forderte "Arbeit für alle". Sie wurde kaum zur Kenntnis genommen.

Doch fast wäre es doch noch zum Eklat gekommen. Die Feministenfraktion beantragte die Unterbrechung des Parteitags, um ein "Frauenplenum" abhalten zu können. Das dafür erforderliche Quorum wurde jedoch nach Feststellung des Parteitagspräsidiums um eine Stimme verfehlt - eine einzige. Wer einzelne Delegierte auf den knappen, für die Parteitagsregie jedoch äußerst günstigen Ausgang der Abstimmung ansprach, erntete verdächtiges Grinsen.

Auch sonst überließ die Regie nichts dem Zufall. Immer wieder wurden neue Siegesmeldungen von Parteieintritten verlesen. Etliche Prominente aus dem In- und Ausland sollten dem Treffen Bedeutung verleihen. 73 Vertreter von 50 Parteien aus fünf Kontinenten - sogar aus dem Iran - waren erschienen.

Dazu gaben Bildhauer Alfred Hrdlicka, Liedermacher Konstantin Wecker, die Journalistin Luc Jochim-sen, die Gewerkschaftsgrößen Detlef Hensche (IG Druck) und Margarete Möhnig-Rahne (Verdi), der Intendant Frank Castorf von der Berliner Volksbühne und Tatortkommissar Peter Sodann der neuen roten Truppe ihren Segen.

Gegenkandidaturen gab es übrigens bei keiner Wahl, alle Kandidaten fanden eine Mehrheit - ganz wie früher auf den Parteitagen der SED.

Foto: Perfekte Regie: Lothar Bisky, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi (v. l.) beim Vereinigungsparteitag der Linken in Berlin


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