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23.06.07 / Zeigen, wo es langgeht / Die CSU könnte viele Deutsche erreichen, doch Beckstein fehlt die Ausstrahlung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Zeigen, wo es langgeht
Die CSU könnte viele Deutsche erreichen, doch Beckstein fehlt die Ausstrahlung
von Hans Heckel

Vordergründig betrachtet hinterläßt Edmund Stoiber seinem designierten Nachfolger im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten, Günther Beckstein, eine glänzende Ausgangslage. 60,7 Prozent der Stimmen errang seine CSU 2003, selbst für die erfolgsverwöhnten Christsozialen ein glänzendes Resultat.

Wirtschaftlich marschiert der Freistaat seit Jahren an der Spitze der Bundesländer, mit Arbeitslosenzahlen, welche Deutschen aus weniger glücklichen Regionen vorkommen wie Daten aus einer längst vergangenen, wunderbaren Epoche.

Dennoch ist die Stimmung bei der Bayern-Union alles andere als euphorisch. Erst das unsichere Taktieren Stoibers beim schließlich abgeblasenen Wechsel nach Berlin, dann die quälend langen Abschiedsgerüchte und schließlich der häßliche Kampf seiner potentiellen Nachfolger haben Spuren hinterlassen.

Wen die Partei im September als Parteivorsitzenden neben Günter Beckstein stellen wird, scheint nach den jüngsten Kapriolen um Horst Seehofer entschieden. Erwin Huber wird Ende September zum neuen Parteichef gekürt und somit der zweite Kopf in der neuen Doppelspitze neben dem künftigen Landesvater Beckstein, der am 9. Oktober gewählt werden wird.

Doch die goldenen Zeiten waren für Christsoziale schon lange vor 2005 vorbei. In ihre Blütezeit weist der Name jenes Mannes, der noch heute alle Nachfolger wie ein übergroßer Ahnherr überragt: Franz Josef Strauß. Obwohl es sein Vorgänger Alfons Goppel war, der bei den Landtagswahlen 1974 mit 62,1 Prozent das beste Stimmenergebnis aller Zeiten holte, so bleibt Strauß im Gedächtnis der Deutschen haften als die Inkarnation jener Epoche, als die CSU im Zenit von Macht und Ansehen stand.

So heftig ihn seine Feinde fürchteten, ja haßten, so sehr schlug ihm Bewunderung von seiten seiner Anhänger entgegen. Und die waren beileibe nicht nur in Bayern zu finden. Wie kein anderer CSU-Politiker schaffte es "FJS", auch nördlich des Mains als Sachwalter der konservativen Stammwähler verehrt zu werden. Selbst in der DDR sahen ihn regimekritische Deutsche als denjenigen an, der dem Kommunismus mutig und geschickt die Stirn bot. In der Bundeshauptstadt war der Einfluß der CSU nie so groß wie zu Strauß' Zeiten. Die große Schwester CDU wirkte neben seiner Bayern-Union unentschlossen, zerrissen, blaß.

Und heute? Als Edmund Stoiber 2005 in Berlin verlegen von einem Bein aufs andere sprang und nicht wußte, ob er in München bleiben oder in Merkels Kabinett eintreten sollte, hegte niemand mehr Zweifel daran, wer im schwarz-schwarzen Gespann den stärkeren Part spielt: natürlich die CDU-Chefin. Wo selbst Kohl - zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung - noch jahrelang mit dem legandären FJS ringen mußte, da war die frischgebackene Kanzlerin schon nach wenigen Wochen mit der bayerischen Herausforderung fertig.

Für das schwache Bild der CSU in der Regierung allein die eingeborenen Probleme einer kleinen Partei in einer Großen Koalition verantwortlich zu machen ist historisch nicht haltbar. Die Große Koalition gab es schon einmal von 1966 bis 1969. Damals spielte die CSU eine durchaus bestimmende, allenthalbe sichtbare Rolle. Bezeichnenderweise war es erneut Franz Josef Strauß, der hier für die Christsozialen im Mittelpunkt stand, als Bundesfinanzminister.

Heute indes gelingt es den CSU-Ministern kaum, im Kabinett Profil zu gewinnen. Wirtschaftsminister Glos verwaltet ein Ressort, das seit dem Beginn der Regierungszeit von Kohl stetig an Einfluß und Bedeutung verloren hat. Glos macht den Eindruck einer Randfigur im Kabinett. Landwirtschaftsminister Seehofer wiederum ist über beide Ohren in die internen Machtkämpfe der CSU verstrickt, bei denen er aller Voraussicht nach zu den Verlierern zählen wird - spätestens seit seinen merkwürdigen "Nicht-Enthüllungen" über angebliche Privateskapaden führender CSU-Kollegen.

Als die CSU in Wildbad Kreuth 1976 laut über ihre bundesweite Ausdehnung nachdachte, löste dies in der CDU beträchtliche Wellen aus, viele, insbesondere gestandene Parteimitglieder standen auf dem Sprung zum Wechsel.

Damals, nach den Niederlagen der 70er Jahre, machte die CDU eine Phase der Schwäche durch. Auch heute beklagen viele Konservative, daß sie "ihre" CDU kaum noch wiedererkennen. Der Ruf nach einer konservativen Alternative ist nie ganz verstummt. Doch könnte die CSU diese Funktion heute noch mit derselben Selbstverständlichkeit ausfüllen, wie es ihr 1976 viele Deutsche zugetraut hatten?

Dazu müßten Günther Beckstein und Erwin Huber ihre Partei neu aufstellen. Es böten sich zahlreiche Themen, in denen die CSU mit klarem Profil verunsicherte, heimatlose Konservative neuerlich an sich binden könnte. Die Innere Sicherheit, derzeit Becksteins Ressort in München, ist eines davon: Wo bleiben die Antworten der Union auf die Gewaltwelle in Schulen und Straßen? Wie kann es sein, daß Tausende Linksradikale die Polizei angreifen und hinterher fast ausschließlich darüber diskutiert wird, ob es rechtens war, daß ein Bundeswehrtornado Fotos von der Gegend gemacht hat? Wen sollen frustrierte Polizisten wählen, denen politische Gewalttäter und gewöhnliche Kriminelle auf der Nase herumtanzen?

Oder: Was halten Konservative von einer Familienpolitik, die sich nicht einmal einig ist, ob die Förderung der Familie überhaupt noch das Ziel ihres Strebens sein soll?

Auch in den Bereichen Einwanderung, einer (realistischen) EU-Politik, der Verteidigung (der Wehretat stagniert, während die Aufgaben der Bundeswehr ständig wachsen), der Außenpolitik (Definition deutscher Interessen in EU, Nato und weltweit) sehen gerade Konservative beträchtliche Defizite in der Unionspolitik. Nostalgiker sind sich sicher, daß ein Franz Josef Strauß diese Defizite beseitigt hätte. Daraus resultierte die Ausstrahlung seiner Person und der CSU damals.

Foto: Stets stand Stoiber im Mittelpunkt: Beckstein muß nun vortreten.

 

Zeitzeugen

Franz Josef Strauß - Der 1915 in München geborene erste Kanzlerkandidat aus den Reihen der Christlich-Sozialen Union leitete ab 1961 die CSU und regierte ab 1978 Bayern. Aus beiden Ämtern riß ihn 1988 sein Tod in Regensburg.

Alfons Goppel - Bayerns bisher langjährigster Ministerpräsident kam 1905 in einem heutigen Stadtteil Regensburgs zur Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand das vormalige Mitglied der Bayerischen Volkspartei zur CSU. Nach vorherigen Tätigkeiten in Aschaffenburg zog der Jurist 1954 für seine Partei in den Landtag ein. 1962 wurde er zusätzlich Ministerpräsident. 1978 schied er aus Bayerns Legislative und Exekutive aus. Nach einem politischen Lebensabend im Europaparlament verstarb er 1991 in Johannesburg.

Josef Müller - Der erste CSU-Vorsitzende kam 1898 in Oberfranken zur Welt. In der Weimarer Zeit saß er für die Bayerische Volkspartei im Reichstag. Nach der "Machtergreifung" schloß er sich dem Widerstand an, was ihn 1943 ins KZ brachte. Nach seiner Befreiung zu Kriegsende gründete er mit Gleichgesinnten die CSU, deren erster Vorsitzender er von 1946 bis 1949 war. Daneben war er in Bayern Mitglied der Verfassunggebenden Versammlung, anschließend bis 1958 Landtagsmitglied, 1947 bis 1952 Justizminister und 1947 bis 1950 stellvertretender Ministerpräsident. 1979 starb er in München.

Theodor Waigel - Bundeskanzler Helmut Kohls letzter Finanzminister kam 1939 im schwäbischen Oberrohr zur Welt. Der Übernahme des CSU-Vorsitzes nach Strauß' Tod im Jahre 1988 folgte 1989 der Eintritt in die Bundesregierung. Dem Verlust des Kabinettspostens 1998 folgte 1999 jener des Parteivorsitzes.

Friedrich Zimmermann - Der Träger des Preußenschildes kam 1925 in München zur Welt. Seit 1948 CSU-Mitglied, diente er seiner Partei von 1955 bis 1967 nacheinander als Hauptgeschäftsführer, Generalsekretär und Landesschatzmeister sowie von 1979 bis 1989 als stellvertretender Vorsitzender. Neben seiner Tätigkeit im Bundestag von 1957 bis 1990 diente er der Bundesrepublik von 1982 bis 1991 erst als Innen- und dann als Verkehrsminister.


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