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23.06.07 / Der kurze Traum von der "Vierten Partei" / Vor gut 40 Jahren wagte die CSU eine eigene Bundestagsfraktion und bekam dann Angst vor der eigenen Courage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Der kurze Traum von der "Vierten Partei"
Vor gut 40 Jahren wagte die CSU eine eigene Bundestagsfraktion und bekam dann Angst vor der eigenen Courage
von Manuel Ruoff

Die Bundestagswahl vom 3. Oktober 1976 war ein das Selbstvertrauen schmeichelnder Triumph der Christlich-Sozialen Union in Bayern. Die CSU erzielte das beste Bundestagswahlergebnis seit ihrem Bestehen und das beste regionale Ergebnis unter den Unionsparteien der elf Bundesländer. Mit fünf von 19 wurde mehr als ein Viertel der für die Schwesterparteien neu hinzugekommenen Parlamentssitze in Bayern gewonnen, wo die CSU 60 Prozent der Zweitstimmen bekam. Der Abstand zwischen den Christsozialen und den bayerischen Sozialdemokraten wuchs damit auf 27,2 Prozentpunkte. Bei keiner der vorausgegangenen Bundestagswahlen war der Vorsprung der CSU gegenüber der Bayern-SPD derart groß gewesen.

Und trotzdem hatte es für die Union nach 1969 und 1972 - diesmal mit Helmut Kohl als Kanzlerkandidaten - wieder nicht zum Wechsel zu einer bürgerlichen Regierung gereicht. Der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß wird in dieser Zeit mit dem Bild zitiert: "Wenn eine Armee nicht mehr begreift, daß sie, wenn sie dreimal an der falschen Front angegriffen hat, einmal anderswo angreifen muß, dann geht's eben um."

Der CSU-Vorsitzende und seine Partei wollten es nun mit einer anderen Vorgehensweise versuchen. Am zweiten und letzten Tag der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe am 18. und 19. November im oberbayerischen Bad Kreuth wurde die Öffentlichkeit mit der Meldung überrascht, daß in geheimer Abstimmung mit 30 gegen 18 Stimmen bei einer Enthaltung die Fraktionsgemeinschaft aufgekündigt und beschlossen worden sei, im folgenden, 8. Bundestag eine selbständige Fraktion zu bilden.

Der Bundesvorstand der Christlich Demokratischen Union Deutschlands reagierte am 29. November mit einem bis zum Tage der Konstituierung des neuen Bundestages, dem 14. Dezember, befristeten Ultimatum. Die Schwesterpartei möge die Fraktionsgemeinschaft wiederherstellen, andernfalls sähe sich die CDU genötigt, in Konkurrenz zur CSU einen eigenen CDU-Landesverband in Bayern zu gründen. Außer von außen gab es auch Widerstand von innen. Die CSU-Front wackelte vor allem bei den sogenannten "Beutebayern". Nach Augsburg-Stadt und Mittelfranken forderte in der Nacht nach der Wahl Kohls zum neuen Bundestagsfraktionsvorsitzenden, sprich jener vom 1. zum 2. Dezember, als dritter CSU-Bezirksverband auch Nürnberg / Fürth einen Sonderparteitag zum Kreuther Beschluß.

Am 9. Dezember leitete die CSU die Rolle rückwärts ein. Nach einer gemeinsamen Sitzung von Landesvorstand und Landesgruppe der Partei in München bot Strauß der CDU Gespräche über den Beschluß vom 19. November an. Zwei Tage vor der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages und damit des Endes des CDU-Ultimatums vereinbarte eine entsprechende Verhandlungskommission der beiden Schwesterparteien, die Fraktionsgemeinschaft fortzuführen.

Versüßt wurde der CSU der Rückzieher durch besondere Rücksichtnahmen auf christsoziale Befindlichkeiten in den am 12. Dezember gemeinsam beschlossenen und veröffentlichten Vereinbarungen über die Fortsetzung der Fraktionsgemeinschaft und die Grundlagen der politischen Zusammenarbeit während der 8. Legislaturperiode sowie durch den nächsten Kanzlerkandidaten der Union, der diesmal vom Juniorpartner gestellt werden durfte: Franz Josef Strauß.


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