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23.06.07 / Vor 60 Jahren lief die Aktion Weichsel / Nachdem die Ostdeutschen vertrieben waren, deportierte Polen seine ukrainische Minderheit in deren Gebiete

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Vor 60 Jahren lief die Aktion Weichsel
Nachdem die Ostdeutschen vertrieben waren, deportierte Polen seine ukrainische Minderheit in deren Gebiete
von Joachim G. Görlich

Das Territorium, das die Sowjets den Polen nach der Eroberung Mittelosteuropas im Zweiten Weltkrieg zuwiesen, enthielt neben deutschem auch ukrainisches Siedlungsgebiet. Aufgrund des polnischen Wunsches nach einem ethnisch homogenen Nationalstaat wurden nicht nur die Ostdeutschen, sondern auch die Ukrainer im Grenzgebiet zu der zur Sowjetunion gehörenden Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik Opfer polnischer Vertreibung. Ursprünglich sollten die Ukrainer analog zu den Deutschen aus dem polnischen Herrschaftsbereich vertrieben werden. Als sich hierbei jedoch nicht der erwünschte Erfolg einstellte, bediente man sich einer ähnlichen Vorgehensweise wie zuvor Stalin bei den Wolgadeutschen. Man zerschlug die geschlossenen Siedlungsräume und deportierte die so entwurzelten Angehörigen der ungeliebten Minderheit in andere Teile des eigenen Machtbereiches. In diesem Falle boten sich aus polnischer Sicht vor allem die mit sowjetischer Unterstützung entvölkerten "wiedergewonnenen", sprich ostdeutschen Gebiete an.

Vor 60 Jahren, vom April bis zum Juli des Jahres 1947, fand diese nicht immer unblutig verlaufende Deportation der Ukrainer unter der Bezeichnung "Aktion Weichsel" statt. Federführend war dabei der damalige Generalsekretär der kommunistischen Polnischen Arbeiterpartei und "Minister für die wiedergewonnenen Gebiete" Wladyslew Gomulka, der vorher bereits für die Vertreibung in Ostpreußen, Pommern und Schlesien verantwortlich gewesen war.

Nach polnischen Angaben wurden 21000 Soldaten von Heer, Einheiten des Innenministeriums, Miliz und deren Unterorganisationen eingesetzt. Obwohl sich die Aktion offiziell nur gegen die im Untergrund für eine unabhängige Ukraine kämpfenden Organisationen "Ukrainische Aufstandsarmee" (UPA) und "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN) richtete, wurden dabei selbst nach polnischen Quellen immerhin 140000 Ukrainer deportiert. Anderswo ist von 150000 die Rede.

Oberschlesische Panzersoldaten vom "Korps der inneren Sicherheit" (KBW), die in den betroffenen südostpolnischen Bieszczady eingesetzt worden waren, berichteten dem Autor dieser Zeilen, wie ganze Dörfer niedergewalzt und Häuser sowie Kirchen in Brand geschossen wurden. Auf alles, was sich bewegt habe, sei geschossen worden, auch auf Kinder, erzählten sie.

Besonders schlimm traf es knapp 4000 Opfer dieser Aktion, die von Kommissionen des polnischen Sicherheitsdienstes UBP ins ehemalige Außenlager Jaworzno des KZ Auschwitz-Birkenau verbracht wurden. Dieses waren vor allem Angehörige der Intelligenz und Personen, die verdächtigt wurden, mit dem ukrainischen Untergrund zusammenzuarbeiten. Greise und Körperbehinderte gehörten ebenso zu diesen fast 4000 Unglücklichen wie Frauen und Kinder.

Nicht nur der sowjetische, sondern auch der tschechoslowakische Nachbar kam der Bitte der polnischen Regierung um Unterstützung ihres Verbrechens willig nach. So wurden nicht wenige Ukrainer auch auf tschechischem Gebiet gefangengenommen und danach polnischen KBW-Einheiten übergeben, die für sie bis zum Lager nach NS-Muster "Todesmärsche" durchführten. Laut der polnischen Tageszeitung "Rzeczpospolita" sollen in Jaworzno 160 Angehörige der ukrainischen Intelligenz ermordet worden sein.

Eine Linderung des Schicksals der ukrainischen Minderheit in der Volksrepublik Polen brachte die Entstalinisierung. Sie durfte nun einen eigenen Minderheitenverband gründen und bekam in Liegnitz eine Oberrealschule und in Stettin ein Lehrerseminar.

Nach der Wende mißbilligte der polnische Senat die Aktion Weichsel. Den Streit um ihre griechisch-orthodoxen Gotteshäuser, die per polnischem Dekret vom 28. August 1949 in staatlichen Besitz übergegangen waren, konnte allerdings noch nicht einmal Papst Johannes Paul II. lösen. Auch sind nur wenige Ukrainer in ihre Vertreibungsgebiete zurückgekehrt.

Analog zu den Ostdeutschen wird bei den Ukrainern seitens polnischer Politiker und Historiker versucht, deren Vertreibung durch eine unterstellte Zusammenarbeit mit dem NS-Regime zu entschuldigen, in deren Schatten während des Zweiten Weltkrieges Hunderte von Polen ermordet worden seien. Wie im deutschen Fall wird dabei jedoch unterschlagen, daß es zur Diskriminierung von Ukrainern durch Polen bereits vor dem Kriege gekommen war. Schon in der Zwischenkriegszeit war von der "Pazifizierung" der Ukrainer die Rede, verbunden mit Enteignungen, Inhaftierungen und dergleichen.

Hatten beim Ersten Allgemein-ukrainischen Treffen 1956 in Warschau die 239 Delegierten nach eigenen Angaben noch im Namen von 250000 Ukrainern gesprochen, so bezeichnen sich inzwischen laut einer Volkszählung von 2002/2003 nur noch rund 30000 polnische Bürger als Ukrainer. Die meisten haben sich inzwischen assimiliert. Zu dem ukrainischen Nachbarn ist die polnische Regierung um korrekte Beziehungen bemüht. Sie plädiert sogar für dessen Aufnahme in die Europäische Union - als Bollwerk gegen Rußland.


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